Nintendo eShop-Entwickler-Gespräch: Axiom Verge
09.09.2016
Axiom Verge, das jetzt zum Download im Nintendo eShop für Wii U erhältlich ist, ist ein Action-Abenteuer im Retro-Stil, das von einem einzigen Mann erschaffen wurde: Thomas Happ. In diesem Interview, das auf der gamescom 2016 stattfand, spricht sein Geschäftspartner Dan Adelman über die Inspirationen des Spiels, die einzigartige Spielmechanik und die unglaubliche Entstehungsgeschichte.
Nintendo of Europe: Erst einmal vielen Dank, dass Sie heute bei uns sind. Könnten Sie sich bitte kurz denjenigen vorstellen, die Sie noch nicht kennen?
Dan Adelman: Hallo! Mein Name ist Dan Adelman, und ich bin im „Axiom Verge“-Team fürs Geschäftliche zuständig. Axiom Verge wurde einzig und allein von einem Mann, Thomas Happ, erschaffen, der die gesamte Programmierung, Kunst, Animation, Musik und das Design selbst erledigt hat – also wirklich alles. Ich helfe ihm ein bisschen mit der übrigen Veröffentlichung, mit dem geschäftlichen Teil und dem Marketing. Vor meiner Arbeit für Axiom Verge habe ich neun Jahre lang bei Nintendo of America gearbeitet. Vielleicht haben einige Nintendo-Fans in dieser Zeit mal meinen Namen gelesen.
NoE: Wie haben Sie Tom kennengelernt und wie kam es zur Arbeit an Axiom Verge?
DA: Als ich Nintendo of America verließ, verkündete ich der ganzen Welt, dass ich nun Indie-Entwicklern mit der geschäftlichen Seite ihrer Projekte helfen wollte, aber ich wusste noch nicht so genau, wer mit mir zusammenarbeiten wollte. Ich hatte großes Glück, weil Tom mich ungefähr einen Monat nach dieser Ankündigung selbst ansprach. Also trafen wir uns zum Mittagessen. Wir unterhielten uns über das Projekt, und er schickte mir eine Vorabversion des Spiels, die ich ausprobieren konnte. Und die war ganz fantastisch.
Bei unserem Mittagessen hoffte ich inständig, dass wir das Projekt tatsächlich verwirklichen würden, und das haben wir auch getan. Meiner Meinung nach sind wir wirklich ein gutes Team, weil Tom ein wahrer Experte auf allen Gebieten der Spielebranche ist... außer im Geschäftlichen. (lacht)
NoE: Könnten Sie uns kurz erläutern, was für eine Art Spiel Axiom Verge ist?
DA: Ja, gern. Axiom Verge ist ein 2D-Action-Abenteuer, in dem es ums Erkunden geht. Man spielt es in Gestalt von Trace, einem Wissenschaftler, der in die Explosion einer Forschungsstation verwickelt wird, in einer fremden Welt aufwacht und ergründen muss, wie er dort hingelangt ist und was er nun dort tun soll. Er hört die Stimme eines Wesens, das telepathisch mit ihm kommuniziert. Und von dort bricht er auf, um die fremde Welt zu erkunden.
Die Spielegrafik ist stark im Retro-Stil gehalten, der zahlreiche Erinnerungen wachruft und viele Inspirationen von klassischen Spielen enthält. Darunter ist Metroid wahrscheinlich einer der offensichtlichsten Einflüsse. Das Spiel wurde aber auch von anderen Spielen wie Commando(1), Rygar(2), Blaster Master und Ninja Gaiden inspiriert. Die Fans dieser Retro-Spiele und Leute, die oft „Virtual Console“-Spiele kaufen, werden diese Inspirationen an vielen Stellen in Axiom Verge bemerken.
1. Commando: Ein vertikal-scrollendes Action-Spiel, das 1986 in Nordamerika für das Nintendo Entertainment System veröffentlicht wurde.
2. Rygar: Ein Action-Abenteuer-Spiel, das 1990 in Europa für das Nintendo Entertainment System veröffentlicht wurde.
NoE: Man könnte also sagen, Axiom Verge hat viele Einflüsse von renommierten Vorbildern. Wie nutzt das Spiel diese Einflüsse, um daraus ein Spiel der alten Schule für unsere moderne Zeit zu machen?
DA: Als Tom anfing, an Axiom Verge zu arbeiten, zerlegte er diese Retro-Spiele mehr zum Spaß, einfach nur um zu sehen: „Wie wäre es denn, wenn ich einen Teil von diesem Spiel und einen Teil von dem anderen Spiel nehme und mir dann ansehe, wie sie sich zusammen machen? Was würde gut funktionieren? Was passt nicht zusammen?"
Von dort fing das Spiel an zu wachsen. Als Tom sich diese Grundlage geschaffen und sich dazu entschlossen hatte, das Spiel im Stil von Metroid aufzubauen – wo es eine Weltkarte gibt, die dem Spieler verborgen bleibt und man Fähigkeiten erwirbt, mit denen man Zugang zu neuen Bereichen erhält – wollte er darüber hinaus gern noch ein paar neue, bis dahin unbekannte Dinge hinzufügen. Einer der einzigartigsten Aspekte, die sich daraus ergaben, war die Manipulationsmechanik.
Eines der Tools, die man im Spiel bekommt, wird „Address Disruptor“ genannt und kann diese Manipulationen vornehmen. Das ist ein bisschen so wie früher, wenn Staub in die Spielkassette gelangte. Diese Art von Manipulationen kommt aber auch auf andere Art zustande. Zum Beispiel fuhr Tom immer ein Spiel hoch und wechselte dann immer die Spielekassetten bei noch eingeschalteter Konsole aus, einfach nur um auszuprobieren, was passierte. Das Spiel, das in den Speicher geladen worden war, suchte an einer bestimmten Stelle der Kassette nach Informationen. Er wollte einfach beobachten, was passierte, wenn man das Spiel kaputtmachte. Und dieses Experiment wollte er in Axiom Verge einbauen.
NoE: Das verleiht dem Spiel zudem auch das Gefühl der Authentizität.
DA: Ja, ganz genau!
NoE: Hat das die Leute irritiert? Gab es Leute, die wirklich sagten: „Das Spiel ist kaputt!"?
DA: Das ist mir selbst ein- oder zweimal passiert, als ich das Spiel testete! Mittlerweile bin ich mit jeder Faser des Spiels vertraut und weiß genau, was dort hingehört und was nicht, aber ein paar Mal musste ich selbst nachfragen: „Ich weiß nicht, ob das ein Fehler ist oder dort hingehört." (lacht)
NoE: Nun, wie weit treibt es das Spiel mit dieser Manipulationsmechanik?
DA: Die Mechanik wird im Spiel eingeführt – man bekommt gezeigt, wo und wie man sie einsetzt – aber, um das Spiel abzuschließen, muss man eigentlich in nur wenigen Bereichen etwas manipulieren. Alle Gegner reagieren unterschiedlich auf die Manipulation. Manche Spieler versuchen vielleicht, ein bisschen herum zu experimentieren und jeden verschiedenen Gegnertyp zu manipulieren, nur um zu sehen, was passiert.
Andere Spieler werden sich gezielt durch das Spiel spielen und den Address Disruptor nur an einigen Stellen einsetzen, wenn sie keine andere Wahl haben. Ich ermutige neue Spieler immer dazu, alles Mögliche zu manipulieren und zu beobachten, was passiert. Es gibt ein paar interessante Rätsel oder Lösungen zu Rätseln, die gerade dann auftauchen, wenn man nicht damit rechnet.
NoE: Mit dem Address Disruptor lässt sich also das Verhalten der Gegner verändern?
DA: Ja, genau. Das hängt vom Gegner ab – manche werden plötzlich hilfsbereit, wenn man sie manipuliert, während andere noch viel brutaler und gefährlicher werden.
NoE: Fast so, als würden diese sagen: „Manipulier mich nicht!"
DA: Genau. (lacht) Andere Gegner machen verrückte Sachen, es ist also spannend zu experimentieren. Es gibt manche, die einem wirklich sehr viel helfen. Es ist aufregend zu beobachten, dass tatsächlich etwas passiert, wenn man es manipuliert – ich drücke mich ein wenig kryptisch aus, da ich nicht zu viel verraten will, aber wenn Sie dem Spielverlauf folgen, werden Sie es selbst herausfinden: „Oh, da war doch die Lösung des Rätsels, da ist ein versteckter Gegenstand, den ich nicht finden konnte.“
NoE: Gibt es bei Axiom Verge so etwas wie Ihre Lieblings-Manipulation? Sie können sich ruhig wieder etwas unklar ausdrücken, wir möchten ja noch nicht allzu viel vorwegnehmen...
DA: (lacht) Ah, lassen Sie mich überlegen. Da gibt es diese kleinen Geschöpfe, die hin- und herschwirren, die sind schon sehr furchterregend! Das erste Mal, wenn man Ihnen begegnet, denkt man: „Ach du meine Güte! Was ist gerade passiert?!” Wenn man sie manipuliert, springen sie einen immer noch an. Sie hinterlassen jedoch einen Pfad, den man tatsächlich hochklettern kann. Manipuliert man sie mit Absicht und täuscht sie anschließend, so dass sie einem hinterherlaufen, dann hinterlassen sie diesen Pfad, den man hochklettern und entlanglaufen kann und mit dem man sonst schwer zugängliche Orte erreicht.
NoE: Ganz schön gewieft!
DA: Hoffentlich war das jetzt unklar genug, so dass die Leute nicht genau wissen, wo sie dies einsetzen können.
NoE: Die Botschaft, die man sich merken sollte, ist also: „Alles manipulieren.“
DA: Ja! Einfach nie aufhören zu experimentieren.
NoE: Verstanden! Jetzt würde ich gern mit Ihnen darüber sprechen, wie Sie an die Entwicklung des Spiels herangegangen sind. Vorhin sagten sie, Tom hätte jeden Bereich der Spielentwicklung selbst übernommen.
DA: Ja, das stimmt. Er erklärte mir das damals ungefähr so: Er hatte damals schon eine Vollzeit-Stelle als Spieleentwickler und für die Entwicklung von Axiom Verge hat er fünf Jahre gebraucht. Meistens arbeitete er abends und an den Wochenenden an dem Spiel, weil er tagsüber ja noch seine eigentliche Arbeit erledigen musste.
NoE: Unglaublich! Dieses Projekt war für ihn also eine richtige Leidenschaft?
DA: Ja, er zeigte unglaublich viel Ausdauer. Von seiner Ausbildung her war Tom ursprünglich Trickfilmzeichner und Programmierer. Er hatte also diese beiden Hintergründe. Tagsüber arbeitete er hauptsächlich als Programmierer. Um seine kreativere Seite auszuleben, verbrachte er das erste Jahr damit, die Kunst für das Spiel zu entwerfen. Zu dieser Zeit gestaltete er die Grafikvorlagen und die Gegner, animierte diese und begann später damit, die Weltkarte zusammenzusetzen.
Bevor er den ersten Code schrieb, erstellte er die gesamte Kunst, alle Elemente und dachte sich all diese Geschöpfe aus und gestaltete sie. Der Grund dafür, warum er so vorging war… nun, zuallererst, weil er so viel Spaß daran hatte, die Kunst für das Spiel zu erstellen.
NoE: „Es ist fertig, wenn es fertig ist!"
DA: Ja, genau, aber der andere Grund dafür war, dass er beim Codieren manchmal in Bereiche kam, in denen ihm bewusst wurde: „Oh, hier muss ich irgendein Wesen einbauen!” Dann musste er seinen Prozess unterbrechen, das Wesen zeichnen, es animieren und wenn er zurückkam, war er irgendwie aus dem Rhythmus gekommen.
NoE: Das ist ja beim Spielen nicht anders. Wenn man nicht mehr im Rhythmus ist, kann man schnell mal den Faden verlieren.
DA: Ja, wenn man ein Spiel einen Monat lang zur Seite legt und es anschließend wieder hervorholt, denkt man: „Wohin ging ich nochmal? Was habe ich nochmal gemacht?" Das ist genau das Gleiche. Manche Leute sind in der Lage, Spiele nach dieser wirklich organisierten Methode zu erschaffen, aber na ja, Tom erstellte nun mal zuerst die gesamte Kunst, anschließend die gesamte Programmierung, so dass er nicht immer hin- und herwechseln musste.
NoE: Hat Tom auch die gesamte Musik für das Spiel gemacht?
DA: Ja, er hat auch die gesamte Musik selbst gemacht.
NoE: War er vorher Musiker?
DA: Das ist das Einzige, zu dem er kein offizielles Training besucht hat. Es gefiel ihm einfach, mit der Musik zu experimentieren. Er ist ein sehr kreativer Mensch.
NoE: Es klingt so, als hätte Tom von Anfang an eine sehr klare Vorstellung davon gehabt, wie das Spiel aussehen sollte. Zum Beispiel ist das Heads-up Display(3) des Spiels sehr minimalistisch, ähnlich wie bei Metroid und den anderen Retro-Spielen. Gehört das zur Ästhetik der Designphilosophie des Spiels?
DA: Ja, bei Toms Philosophie für die Spielentwicklung geht es vor allem darum, den Spieler nicht mit zu vielen Informationen zu belasten. Ganz zu Beginn des Spiels steht man in der Mitte eines Raums. Dort muss man sich entscheiden, ob man entweder nach rechts oder nach links gehen möchte. Hier hat er sich tatsächlich von Metroid inspirieren lassen. Man versucht nach rechts zu gehen, aber der Weg ist blockiert. Also hat man keine andere Wahl und muss nach links gehen. Und es gibt keinerlei Anleitung, die einem sagt: „Hierhin gehen und zum Springen den Knopf drücken." Man ist praktisch an einer Stelle, an der man springen, alle Knöpfe ausprobieren und selbst dahinterkommen muss.
Ich weiß, er verwendete viel Mühe darauf, dem Spieler zu zeigen, wie er vorgehen musste, ohne eine Anleitung zu erstellen oder viel Text aufzuschreiben. Und, ich glaube, es gab nur ein oder zwei Stellen, an denen er zu kämpfen hatte. Als wir das Spiel auf die PAX East(4) brachten, sahen wir den Leuten beim Spielen zu. Da gab es einen Knopf – den L-Knopf – den man gedrückt halten musste, um seine Position einzufrieren und in alle Richtungen zielen zu können. Bei verschiedenen Veranstaltungen haben viele Leute das nicht verstanden. Sie sind nicht von allein dahinter gekommen. Das war so ein Fall, in dem Tom zur Erklärung eine Zeile hinzufügen musste.
3. Heads-up-Display: Bei Computerspielen ist das Heads-up-Display oder HUD ein Bereich des Bildschirms, in dem sich unentbehrliche Informationen, wie z. B. der Gesundheitsbalken des Spielers, befinden.
4. PAX East: Ein Branchenereignis für Computer- und Videospiele, das jedes Jahr in Boston, USA, stattfindet.
NoE: Für eine perfekte Balance zwischen einem anspruchsvollen Spiel, das zudem noch benutzerfreundlich sein und fair mit dem Spieler umgehen soll, müssen diese Events von großer Bedeutung gewesen sein, weil man sich von ihnen ein gutes Feedback erwartete.
DA: Ja, es war sehr hilfreich, Messen wie die PAX East zu besuchen und dort zu beobachten, an welchen Stellen die Leuten nicht weiterkamen oder verwirrt waren. Eigentlich passierte dies gar nicht so oft – es gab nur ein paar solcher Anlässe. Daher übernahm ich den Besuch der Messen und beobachtete die Leute, um Tom davon zu berichten. Anschließend verbesserte er die Stellen, wo die Leute hängenblieben.
Als ich anfing, mit Tom zu arbeiten, war das Spiel schon zu 90 % fertig, nur der Schluss fehlte noch. Es war schon fast fertig, aber eben noch nicht ganz. Ich schickte die Vorversion des Spiels an viele meiner Freunde in der Spiele-Entwickler-Community.
Von vielen erhielt ich richtig gutes Feedback und auch ganz spezifische Hinweise, die man nicht von Laien bekommt. Da gab es zum Beispiel eine Stelle im Spiel, an der man von einem Vorsprung springen musste. Einer der Entwickler riet mir, eine Verzögerung von fünf Millisekunden einzubauen. Nachdem man das Ende des Vorsprungs erreicht, kann man also immer noch springen. Das sind so spezifische Ratschläge, die man nicht von gewöhnlichen Spielern erhält, etwas wie: „Oh, fünf Millisekunden sollten ausreichen!" (lacht)
NoE: War es knifflig, den Schwierigkeitsgrad festzulegen? Haben Sie jemals gehört, dass sich jemand darüber beschwerte, das Spiel sei zu schwer?
DA: Nicht allzu viele. Ich denke, wenn die Leute das Spiel auf einer Messe in die Hände bekommen und noch nicht viel darüber wissen, dann scheitern wahrscheinlich viele und geben einfach auf. Wenn sie es aber zu Hause spielen und sich Zeit nehmen, das Spiel wirklich zu hinterfragen, werden sie es recht schnell lernen.
NoE: Die Lernkurve ist wie bei allen klassischen Spielen.
DA: Ja, wie alles andere auch. Eine Sache, die mir richtig gut am Spiel gefällt, ist, dass, wenn man sich ausreichend Zeit dafür nimmt, es normalerweise immer einen Weg gibt, den Gegner auf eine Art zu zerstören, in der man selbst noch sicher ist oder dem Gegner einfach aus dem Weg geht.
Wenn man also versucht hat, quasi durch das Spiel zu rennen und ständig auf alles Mögliche geschossen hat, wie bei Contra(5), scheidet man wahrscheinlich ziemlich schnell aus und denkt sich: „Ok, da ist ein Gegner vor mir. Also klettere ich hier auf die Plattform und knalle ihn von oben ab. Hier oben kann er mich nicht erreichen!“ Wenn man auf seine Umgebung achtet, kann man sich das Leben ein bisschen einfacher machen. Erst viel später im Spiel muss man seine Gegner aus nächster Nähe erledigen.
5. Contra: Ein Run-and-Gun-Actionspiel, das 1988 in Nordamerika für das Nintendo Entertainment System veröffentlicht wurde. Eine modifizierte Fassung namens Probotector erschien 1990 in Europa.
NoE: Aber diese Stellen sind doch speziell dafür ausgelegt, die Fähigkeiten des Spieler auf die Probe zu stellen, oder?
DA: Ganz genau!
NoE: Das Spiel verfügt über ziemlich viele interessante, einzigartige Waffen. Welche davon sind Ihre Lieblingswaffen, abgesehen vom Address Disruptor, über den wir ja schon gesprochen haben?
DA: Ah, lassen Sie mich mal überlegen. Ich will nicht schon zu viel verraten, aber es gibt da so einen Laborkittel, mit dem man durch Wände gehen kann und der, vor allem später im Spielverlauf, besonders wertvoll wird. Das ist ein ganz interessantes Power-up. Man sieht zum Beispiel ein Gesundheits-Upgrade, kommt aber nicht dran, weil es zwischen zwei Wänden eingeschlossen ist. Man fragt sich: „Wie komme ich da bloß dran?“ Wenn man erst einmal durch Wände teleportieren kann, macht das die Dinge etwas einfacher.
NoE: Reist man im Spiel viel zwischen den verschiedenen Bereichen hin und her? Wenn mir etwas Bestimmtes auffällt, könnte ich dann später an diese Stelle zurückkehren, um sie mir genauer anzusehen?
DA: Sie können ja auf der Weltkarte bestimmte Punkte markieren. Wenn Ihnen also in einem bestimmten Bereich etwas Interessantes auffällt, dann können sie es auf der Karte markieren und später dorthin zurückkehren. Es hat auch schön, nochmal an die erste Stelle zurückzukehren, nachdem man seine Power-ups erhalten hat und schon über die gesamte Ausrüstung verfügt. Man sieht all diese Gegner, die einem am Anfang so furchterregend und einschüchternd erschienen. Und nun ist man selbst mächtig geworden und kann sie aus dem Weg räumen. Das ist immer ein gutes Gefühl.
NoE: Ganz gewiss! Man kann also durch Mauern teleportieren und die Welt um einen herum manipulieren. Kann man das Spiel noch auf andere Arten verändern?
DA: Ja, im Spiel enthüllt man ein Passcode Tool, in das man ein paar verrückte Throwback-Codes eintippen kann. Einer von diesen wurde tatsächlich von Metroid inspiriert. Wenn man also JUSTIN-BAILEY in das Passcode Tool eingibt, trägt Trace plötzliche ein rosa Trikot, das ist ganz lustig. Im Spiel sind Hinweise versteckt. Wenn man einen davon entdeckt, kann man ihn an der richtigen Stelle eingeben und wird dafür vom Spiel belohnt.
Das ist ganz interessant. Wenn man das Spiel von Anfang an spielt und es einfach nur bis zum letzten Boss durchackert und diesen besiegt, könnte man, meiner Meinung, nach die Hälfte des Spiels verpassen. Das Problem ist, dass keines dieser Rätsel von selbst auf sich aufmerksam macht und einem sagt: „Hallo, hier ist ein Rätsel, das du lösen musst!" Es ist vielmehr so, dass einem etwas komisch vorkommt oder dass man auf eine interessante Information stößt und denkt: „Wetten, wenn ich das eintippe, passiert etwas.“
NoE: Axiom Verge verfügt über einen speziellen Speedrun-Modus. Ist das Passcode Tool hierfür von Nutzen?
DA: Das Passcode Tool wird wohl eher weniger von Speedrunnern(6) eingesetzt, weil sie einfach unglaublich talentiert sind. Ich versuche, es ihnen gleich zu tun, aber es will mir einfach nicht gelingen. Sie setzen wirklich alles daran, möglichst viele Gesundheits- und Power-Upgrades zu bekommen, weil sie alles allein durch ihr Können erreichen. Ich persönlich brauche zum Ende des Spiels hin viele Gesundheitspunkte. Aber diese Leute machen sich gar nicht die Mühe, zu diesen verborgenen Bereichen zurückzukehren, um nochmal Extra-Power-ups und solche Dinge zu bekommen. Das haben sie gar nicht nötig, wenn sie keinen 100 %-Run hinlegen möchten.
6. Speedrunning: Hierbei versuchen Spieler, bis zum Ende in der kürzesten Zeit durchzuspielen.
NoE: Die sind es gewohnt, ganze Arcade-Spiele mit nur einem Leben abzuschließen. Hat Sie irgendetwas an den Speedrunnern überrascht?
DA: Ja, da gab es einige Überraschungen. Ein Typ machte einen Speedrun für wohltätige Zwecke und Tom und ich kommentierten dies, während er spielte. Er lief praktisch an einem vollständigen Bereich des Spiels vorbei, weil er einen Zugang gefunden hatte, den er eigentlich nicht hätte finden sollen. Es gab ein paar dieser Vorfälle, bei denen ich Tom fragte: „Wusstest du, dass die Leute dazu in der Lage sind?!“ und manchmal antwortete er: „Ja, ich habe das extra eingebaut, um herauszufinden, ob die Leute es finden.“ Bei anderen Begebenheiten sagte er: „Nein, ich hätte nicht gedacht, dass die Leute dazu in der Lage sind.“
NoE: Dann haben sie das System sogar gegen ihn verwendet!
DA: (lacht) Genau. Ich habe versucht, sie nachzuahmen, bin aber bei Weitem nicht so talentiert. Ich kenne meine Grenzen.
NoE: Dürfen wir Sie also nach Hinweise und Tipps für einen Speedrun fragen?
DA: Ich könnte davon erzählen, wie es diese Spieler machen, aber ich könnte es selbst nicht demonstrieren. (lacht)
Ich würde dazu raten, das Spiel das erste Mal ganz normal durchzuspielen und sich mit der Story vertraut zu machen. Der spezielle Speedrun-Modus beinhaltet zwei wichtige Aspekte: Einer besteht darin, dass er alle Story-Elemente entfernt, alle Zwischensequenzen(7) und den gesamten Dialog, weil Speedrunner einfach nur schnell durch das Spiel kommen wollen. Wenn sie auf eine Zwischensequenz stoßen, denken sie nur: „Ach, komm schon!" Daher werden diese alle entfernt. Außerdem gibt es einen Timer in der oberen linken Ecke des Bildschirms, der anzeigt, wie man steht. Und bei jedem Boss wird die jeweilige Zeit aufgezeichnet.
Es ist eigentlich ein Speedrun-freundliches Spiel, auch wenn man es ganz normal spielt und versucht, die normale Spielsequenz nicht zu durchbrechen. Es gibt eine gewisse Reihenfolge, in der man die Dinge erwirbt: „Ok, nach diesem Power-up arbeite ich auf jenes Power-up hin.“ Je mehr man spielt, desto vertrauter wird man damit.
7. Zwischensequenz: Eine nicht interaktive Sequenz in einem Videospiel, die dazu dient, Handlung zu vermitteln.
NoE: Das hört sich so an, als ob in jedem Winkel noch allerhand Geheimnisse versteckt sind.
DA: Wenn man sich geradewegs bis zum letzten Boss durch das Spiel spielt, hat man ein gutes, fast lineares Spielerlebnis. Man hat das Spiel gespielt, herausgefunden, wohin man als Nächstes gehen muss, ist dort hingegangen, hat den Boss geschlagen. Hat man jedoch erst einmal die Rätsel entdeckt – und viele der Rätsel sind eher überraschend und nicht offensichtlich – dann bekommt man eine ganz andere Spielerfahrung und das Gefühl, etwas entdeckt zu haben, was den meisten Leuten verborgen bleibt.
NoE: Sie erwähnten gerade das JUSTIN-BAILEY-Easter egg aus Metroid. Gibt es noch ähnliche solcher Easter eggs aus anderen Serien oder andere Verweise?
DA: Ein Bereich des Spiels, Kur, ist stark von Rygar und Blaster Master geprägt. Tom hat sogar auf seiner Webseite einen Blogbeitrag über die Wii U-Version geschrieben und zeigt dort auch Screenshots von Blaster Master und von Axiom Verge, auf denen die Inspirationen ganz offensichtlich sind.
NoE: Bedient sich Axiom Verge in irgendeiner Weise der einzigartigen Hardware-Features der Wii U?
DA: Ja, da gibt es einige sehr wichtige Dinge zu berichten. Eines meiner Lieblingsfeatures ist, dass die Weltkarte die ganze Zeit am Touchscreen des Wii U GamePads angezeigt wird. Ich erinnere mich, dass ich das Spiel beim ersten Durchlauf immer wieder anhalten musste, um zu sehen, wo ich als Nächstes hingehen musste. Viele moderne Spiele dieses Genres enthalten zu diesem Zweck nur Pfeile, die dem Spieler anzeigen, wo er nacheinander hingehen muss und deine Hand führen. Dieses Spiel enthält keine Pfeile. Man muss selbst anhand der Karte herausfinden, wohin man als Nächstes gehen muss. Außerdem muss man sich fragen, ob man noch Bereiche erkunden oder etwas anderes ausprobieren muss, um an bestimmte Stellen zu gelangen. Ich lief ständig hin und her, hin und her. Die Karte stets vor Augen zu haben, ist sehr benutzerfreundlich. Das andere Feature, das Spiel ohne den Fernseher, ist für mehrere Leute gedacht, die sich einen Fernseher teilen müssen, so dass man trotzdem noch spielen kann!
NoE: Schließen Sie mal die Augen und stellen sich vor, Sie wären in einer feindlichen, außerirdischen Welt gefangen. Wenn Sie dort eine der Waffen oder Tools aus Axiom Verge haben könnten, welche davon würden Sie sich wünschen?
DA: In einer wirklichen, außerirdischen Welt? Ich kenne keine wirkliche, außerirdische Welt, aber meine Lieblingswaffe bei Axiom Verge ist der Flammenwerfer – der ist wirklich cool! Unter den Tools würde ich wahrscheinlich am liebsten den Address Disruptor vorfinden. Ich würde gern einmal eine fremde Welt manipulieren und solche Dinge tun, wie durch Mauern hindurch zu gehen.
NoE: Okay, das Letzte ist wie betrügen! Noch etwas?
DA: Mal überlegen. Über eine Sache haben wir noch nicht gesprochen. Das Spiel enthält eine Drohne, die in etwa wie ein Kundschafter fungiert und vor einem selbst Dinge erkunden kann, einige Gegner bekämpft und den Schaden statt deiner einsteckt. So eine Drohne wünsche ich mir. So eine Drohne wäre sehr praktisch.
NoE: Wir haben erfahren, dass Sie zurzeit auch an ein paar anderen Spielen arbeiten. Können Sie uns kurz davon erzählen?
DA: Aber gerne doch! Neben Axiom Verge arbeite ich zurzeit auch noch an zwei weiteren Spielen. Eines dieser Spiele ist Chasm, auch ein 2D-Pixel-Art-Action-Abenteuer im Retro-Stil. Ich beschreibe es oft so: Wenn Axiom Verge an Metroid angelehnt ist, dann ist Chasm ein bisschen so wie Castlevania, das sind zwei verschiedene Stilrichtungen. Wir hoffen, dass Chasm in Kürze veröffentlicht wird – wir sind gerade an dem Punkt angelangt, dass das Spiel vom Anfang bis zum Ende voll spielbar ist und würden uns wünschen, es auf den Nintendo-Plattformen zu sehen. Jetzt, wo das Spiel vom Anfang bis zum Ende spielbar ist, können wir ihm noch das gewisse Etwas und den Feinschliff geben, die aus einem guten Spiel ein großartiges Spiel machen.
Das zweite Spiel, an dem ich gerade arbeite, heißt Mages of Mystralia und unterscheidet sich grundlegend von Chasm und Axiom Verge. Es ist ein 3D-Action-Abenteuer, in dem der Spieler die Gestalt des Mädchens Zia annimmt, das eines Tages ihre magischen Fähigkeiten entdeckt. Die Magie ist in dieser Spielwelt zwar existent, wird aber als sehr selten und illegal empfunden. Daher verkriecht sich Zia und bringt sich ihre Zauberkünste heimlich bei. Die zentrale Spielmechanik besteht darin, dass man die entdeckten Runen auf vielfältige Weise zu eigenen Zaubersprüchen kombinieren kann. Auf diese Weise kann man im gesamten Spiel Millionen von verschiedenen Zaubersprüchen und damit etwas ganz Persönliches erschaffen.
NoE: Wow! Ich kann mir vorstellen, wie viel Mathematik dahinter steckt.
DA: Ja, es müssen noch viele Tests durchgeführt werden, aber wir können unmöglich jede einzelne Kombination überprüfen. Da gibt es Millionen von Kombinationsmöglichkeiten. Und wie wir schon auf verschiedenen Messen festgestellt haben, sind den Leuten Dinge gelungen, die wir gar nicht erwartet hätten. So haben sich verschiedene unerwartete Möglichkeiten aufgetan, das ist wirklich spannend.
NoE: Das müssen Sie doch als sehr bereichernd empfinden – zu beobachten, dass die Leute die Tools, die Sie ihnen geben, auf einzigartige und kreative Weise einsetzen. Bei den Spielen, an denen Sie zurzeit arbeiten, fällt uns auf, dass Sie einen Hang zu sehr komplizierten Spielen haben!
DA: (lacht) Ja. Mir gefallen insbesondere richtig gute, solide Spielmechanismen. Für mich ist das das Allerwichtigste. Man hat ein richtig gutes Gefühl beim Spielen und denkt, man könnte für immer so weiterspielen. Mit solchen Spielen arbeite ich am liebsten.
NoE: Haben Sie geplant, Mages of Mystralia auf den Nintendo-Plattformen zu veröffentlichen?
DA: Das möchten wir sehr gern!
NoE: Fantastisch! Möchten Sie noch etwas hinzufügen? Irgendeine Botschaft an die Fans?
DA: Ich möchte allen für ihre Geduld danken, weil ich weiß, dass viele Nintendo-Fans Axiom Verge für die Wii U sehnlichst erwartet haben. Ich habe das Gefühl, Axiom Verge ist geradezu für die Wii U-Plattform geschaffen, und wir freuen uns sehr, dass das Spiel nun für diese Plattform erscheint.
NoE: Vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für uns genommen haben!
Axiom Verge ist jetzt zum Download im Nintendo eShop für WiiU erhältlich.