Frag die Entwickler, Teil 10: Pikmin 4 – Kapitel 3
20.07.2023
Einige der im Text gezeigten Bilder und Videos wurden während der Spielentwicklung aufgenommen.
Der Inhalt dieses Artikels wurde ursprünglich auf Japanisch veröffentlicht.
Kapitel 3: Pikmin sind überall um uns herum
Die Spielwelt wirkt dreidimensionaler als in den Vorgängern. Können Sie uns erzählen, wie Sie diese Umgebung erschaffen haben?
Hiramuki:
In den ersten drei Teilen hat man im Grunde von weit oben auf den Boden herabgeblickt. Aber im vierten Teil haben wir es so gestaltet, dass Spieler ein besseres Gefühl dafür bekommen, was alles um sie herum existiert in dieser Welt. Spieler können zum Beispiel unter Bänke oder Tische kriechen oder in tiefes Wasser eintauchen. Wir wollten, dass Spieler die Welt aus der Perspektive der winzigen Pikmin erleben, also haben wir ihnen mehr Kontrolle über die Kamera gegeben als je zuvor.
Kida:
Wir haben auch den Sound angepasst, damit er zu dieser veränderten Perspektive passt. Wenn sich die Kamera nah am Boden befindet, sind die Stimmen und Schritte der Pikmin laut und deutlich zu vernehmen, als würde man ihnen mit dem Gesicht direkt am Boden zuhören. Wenn man dahingegen weit herauszoomt und herabblickt, hört man neben den Umgebungsgeräuschen ganz vage die Geräusche aus der Welt der winzigen Kreaturen, die sich unter einem ausbreitet.
Kando:
Wenn man die Kamera nahe am Boden platziert, blickt man zu den Objekten in der Umgebung hinauf und sieht die Dinge nicht mehr aus der Perspektive eines Menschen, sondern aus der eines Pikmin. Wir wollten hervorheben, wie klein Pikmin sind, indem wir zeigen, wie die Welt aus ihren Augen aussieht. Im Laufe der ersten drei Pikmin-Spiele hatte sich eine Vorstellung davon entwickelt, wie die Umgebung üblicherweise aussehen sollte, aber mit der Zeit hatten wir dabei das Gefühl dafür verloren, wie klein die Pikmin waren, und die Umgebung wurde oft zu Gunsten des Gameplays gestaltet. Als wir Herrn Miyamoto den Prototyp zeigten, sagte er: „Das passt irgendwie nicht.“ Dann, als wir in einem weiteren Prototyp sahen, wie die Figuren unter den Brettern einer Holzpalette hindurchgingen, schien das Licht auf hübsche Weise hindurch... und wir bekamen endlich ein Gefühl dafür, wie klein die Pikmin wirklich waren.
Das Material stammt aus der Entwicklungsphase.
Da fällt mir ein: Die Trailer haben den Eindruck erweckt, dass das Spiel an einem Ort mit noch mehr von Menschen geschaffenen Objekten beginnt als die Vorgänger.
Kando:
Eines unserer Ziele bestand darin, es glaubhaft zu machen, dass Pikmin tatsächlich existieren, indem wir sie als Wesen darstellen, die viel kleiner sind als Menschen.
Miyamoto:
Wenn man allerdings ein Pikmin zum Beispiel direkt neben einer Batterie zeigt, bekommen die Leute eine genaue Vorstellung davon, wie groß das Pikmin ist. Das gefiel mir nicht so recht. Wir wollen zwar einen guten Vergleich zwischen Pikmin und von Menschen geschaffenen Objekten zeigen, aber wir wollen nicht ihre konkrete Größe festlegen.
Kando:
Richtig. Wir haben uns bemüht, ihre Winzigkeit so realistisch wie möglich darzustellen, es aber dennoch schwierig zu machen, ihre konkrete Größe zu bestimmen.
Kida:
Beim Erstellen der Soundeffekte gab es unter den Mitarbeitern viele Diskussionen darüber, wie groß die Pikmin und die Kreaturen wohl sein mochten und ob die Soundeffekte realistisch oder übertrieben klingen sollten. In Pikmin 3 lag ein größerer Fokus darauf, die Geräusche eindrucksvoll klingen zu lassen, und sie hörten sich auch etwas ulkig an. Pikmin 4 dahingegen enthält Klänge, die den Spieler an die Winzigkeit der Pikmin erinnern und ein Gefühl von Realismus vermitteln. Es war schwierig, die richtige Balance zu finden, aber wir haben uns darauf konzentriert, Soundeffekte zu erstellen, die den Eindruck erwecken, dass Pikmin tatsächlich existieren.
Ich verstehe. Es kommen also verschiedene Faktoren zusammen wie die Umgebung, die Soundeffekte und die Größe, um Spielern das Gefühl zu vermitteln, dass es Pikmin wirklich gibt.
Kida:
Pikmin hatten sogar bisher gar keine Schrittgeräusche beim Laufen, aber in diesem Spiel haben wir versucht, diese Geräusche hinzuzufügen. Wir wollten den Spielern eine natürliche und spaßige Spielerfahrung bieten, bei der sie deutlich wahrnehmen können, dass sie eine Truppe winziger Pikmin führen.
Wir haben auch den Klang von Pikmin, die Objekte tragen, angepasst, damit dieser die Anzahl an Pikmin, ihre Art und ihre Position (z. B. an Land oder im Wasser) reflektiert.
Wir hoffen, mit dem Sound des Spiels Spieler anzuziehen, die noch nicht den wahren Spaß an Dandori entdeckt haben, und Begeisterung dafür in ihnen zu wecken. Ich habe allerdings immer noch Angst, dass Herr Miyamoto insgeheim denkt, dass es unnötig war, den Pikmin Schrittgeräusche zu geben.
Miyamoto:
Da müssen Sie sich keine Sorgen machen!
Alle:
(Lachen.)
Kida:
Na, da bin ich aber froh! (Lacht.)
Mir wäre fast der Angstschweiß ausgebrochen! Ich weiß ja, wie viel Gewicht Herrn Miyamotos Worte haben. Aber ich bin froh, dass alles in Ordnung ist. (Lacht.) Gibt es noch andere Spielelemente, die ein Realitätsgefühl vermitteln?
Kando:
Wir hoffen, die Spieler werden auch eine Verbindung zur echten Welt spüren durch die Schätze, die sie sammeln.
Matoba:
In diesem Teil haben wir Schätze ausgewählt, bei denen Spieler nostalgisch werden. Schätze, die sie mit nach Hause nehmen möchten. Außerdem haben wir Items gewählt, durch die greifbar wird, wie winzig die Pikmin sind. Wir haben die Schätze dabei nicht auf ein spezifisches Zeitalter begrenzt, es gibt also neue und alte Items.
Hiramuki:
Als Kind hat man selbst Objekte, die eigentlich Müll waren, als wahre Schätze angesehen und gesammelt. Dieses Spiel enthält eine Fülle an Schätzen, die Erinnerungen an die Kindheit erwecken werden.
Einen Game Boy Advance SP (14) einzusammeln hat mich ganz nostalgisch gemacht. An die Zeit zurückzudenken, als ein solcher Schatz noch Teil deines Lebens war, und zu überlegen, aus welchem Jahr er stammt... Das fühlt sich an, als würde man nicht nur das Objekt selbst mitnehmen, sondern auch die eigene Erinnerung daran. Das finde ich schön.
(14) Eine tragbare Videospielkonsole mit kompaktem Design, die zusammengeklappt werden konnte. Die Konsole wurde 2003 veröffentlicht und verfügte über einen LCD-Bildschirm und ein Frontlicht. Es konnte damit Software für Game Boy und Game Boy Color sowie exklusive Game Boy Advance-Software gespielt werden.
Kando:
Seit der Entwicklung von Pikmin 2 hat das Team die Idee diskutiert, etwas hinzuzufügen, das die Elterngeneration ansprechen würde. Es wäre toll, wenn Eltern und Kinder Gespräche hätten wie: „Mama, Papa, was ist das?“ – „So eine Konsole hatte ich früher mal! Willst du wissen, wie man damit gespielt hat?“
Hiramuki:
Wir hoffen, Spieler werden Spaß am Schatzkatalog und der Piklopädie haben. Im Schatzkatalog kann man sich Erklärungen der gesammelten Schätze durchlesen und in der Piklopädie kann man sich die Kreaturen genauer ansehen.
All Ihre Antworten machen mir deutlich, wie sehr Sie sich wünschen, dass Spieler die Präsenz der Pikmin in ihrem täglichen Leben spüren. Nun würde ich gerne Herrn Miyamoto eine Frage stellen: Was bedeutet „Pikmin“ für Sie?
Miyamoto:
Ich sage schon seit längerer Zeit, dass Pikmin-Spiele dazu neigen, aufgrund ihrer Welt und ihrer Figuren hervorzustechen, aber ich finde, sie sind auch äußerst interessant als Spielgenre. Und ich möchte den Leuten das Gefühl geben, dass es tatsächlich überall um uns herum Pikmin gibt. Dass sie nicht nur Fantasiegestalten sind. Pikmin haben kein festes Alter und keine Nationalität. Sie haben eine einzigartige Präsenz als Kreaturen, die irgendwo auf der Erde existieren. Das ist bei Mario nicht der Fall. Wir wissen, dass er im Film italienischer Herkunft ist, aber es ist nicht so, als könnte man ihm dort auf der Straße über den Weg laufen, denn er lebt in der Mario-Welt. (Lacht.) Tatsächlich betrachte ich Pikmin als Nintendos globalste Figuren. Seit der Werbekampagne, die wir vor über zehn Jahren gestartet haben, sagen wir, dass Pikmin überall um uns herum leben. Ich glaube, wir haben endlich einen Punkt erreicht, an dem die Leute Pikmin an den verschiedensten Orten finden können, nicht nur in ihrer Vorstellung. Ich hoffe, mehr und mehr Menschen werden sich der Pikmin bewusst und werden Pikmin-Spiele spielen.
Hiramuki:
In der Hinsicht ist Pikmin Bloom meiner Meinung nach ein gutes Beispiel. Wir würden uns sehr freuen, wenn die Leute, die durch Pikmin Bloom das erste Mal mit dem Franchise in Kontakt kamen, auch Pikmin 4 ausprobieren würden.
Miyamoto:
Auf jeden Fall. Für mich sind Videospiele nur eine der Welten, in denen Pikmin leben, während andere Pikmin unsere Realität bewohnen. Im Augenblick kann man Pikmin auch in der Super Nintendo World in den Universal Studios Japan und den Universal Studios Hollywood finden.
Versteckte Pikmin in der Super Nintendo World in den Universal Studios Japan. (Bild mit freundlicher Genehmigung von Universal Studios Japan.)
Man kann sie auch in den offiziellen Nintendo-Geschäften in Japan finden. Die Einzelblumenvase ist perfekt für Pikmin. (Lacht.)
Ich fände es klasse, wenn Pikmin in alltäglichen Unterhaltungen auftauchen würden, wie zum Beispiel: „Ich frage mich, ob sich blaue Pikmin zeigen, wenn es regnet?“ oder „Ob es in Nintendos Hauptsitz jede Menge Pikmin gibt?“
Wo wir gerade davon sprechen – Gerüchten zufolge kommen sie auch im Film Super Mario Bros. vor.
Miyamoto:
Darüber darf ich nicht sprechen... (Lacht.)
Kando:
Stimmt, das habe ich auch gehört, aber ich habe sie noch nicht entdeckt. (Lacht.)
Miyamoto:
Vielleicht kommen sie vor... Suchen Sie doch bitte selbst nach ihnen.
Vielen Dank. Ich kann Herrn Miyamotos Begeisterung für Pikmin förmlich spüren. Als Letztes könnten Sie alle uns noch von Ihrer Präferenz erzählen, wie Pikmin 4 gespielt werden sollte und was Sie sich erhoffen?
Kida:
Ich glaube, viele Leute kennen Pikmin als Charaktere, aber haben nie ein Spiel gespielt. Sicherlich sind viele Leute Pikmin-Fans, weil ihnen das Merchandise gefällt, aber meiner Ansicht nach sind Pikmin am charmantesten, wenn sie sich im Spiel bewegen. Auch das Sound Team hat alles gegeben, um den Geräusche im Spiel ebendiesen Charme zu verleihen. Diejenigen unter Ihnen, denen die Hauptspiele der Pikmin-Reihe eventuell zu schwierig erscheinen, können das Spiel trotzdem genießen, indem sie die Welt erkunden, beobachten und den Geräuschen lauschen, die die Pikmin machen – ich hoffe, Sie zögern nicht, es mal zu versuchen. Und während Sie die Welt der Pikmin erkunden, wäre es großartig, wenn Sie gleichzeitig den Spaß am Dandori-Spiel entdecken, ohne es zu bemerken.
Matoba:
Zu Testzwecken habe ich das Spiel auch mehrfach komplett durchgespielt. Aber nicht so oft wie Herr Kando. Er hat es ungefähr 20-mal durchgespielt. (Lacht.) Normalerweise wird das Testen nach dem zweiten Durchlauf anstrengender, aber dieses Spiel wurde nie langweilig, egal, wie oft ich es durchgespielt habe. Ich konnte im Spiel fortschreiten und hatte gleichzeitig Gedanken wie „Vielleicht probiere ich das beim nächsten Durchlauf“ und so weiter. Ich bin stolz darauf, an einem Spiel gearbeitet zu haben, das man gerne immer wieder von Neuem spielt. Wenn ich noch eins hinzufügen darf: jedes Mal, wenn man eine Serie von Schätzen komplettiert, bekommt man etwas Besonderes zu sehen. Ich hoffe, dass jeder sein Bestes gibt, um sie alle zu sammeln.
Hiramuki:
Wir haben vorhin bereits über die Diskussion zwischen Pikmin 1-Fans und Pikmin 2-Fans gesprochen, aber ich finde, dass dieses Pikmin-Spiel das ist, das Anfänger als Erstes aus der Serie spielen sollten. Der Planet, auf dem die Pikmin leben, ist sehr mysteriös und ändert sich bei jedem Besuch, aber diesmal besuchen ihn die Spieler zu einer Zeit, zu der die meisten Überbleibsel vergangener Zivilisationen noch vorhanden sind. Der Spieler wird viele bekannte Dinge sehen, die ihm die Pikmin noch näherbringen als je zuvor. Auch die Handlung ist für neue Spieler verständlich und unterhaltsam, ohne die vorherigen Spiele zu kennen, aber Fans der Serie werden sogar noch mehr Spaß daran haben. Man erhält sogar einen Einblick in die gruselige Seite der Pikmin-Welt. (Lacht.)
Kando:
Auch wenn es das vierte Hauptspiel der Serie ist, hoffe ich, dass sich neue Spieler daran versuchen. Das soll natürlich nicht heißen, dass wir die bereits vorhandenen Fans vergessen haben. Ich habe das Spiel beim Testen 20-mal durchgespielt, und Herr Matoba... hat es nicht ganz so oft gespielt. (Lacht.) Aber auch wir Entwickler, die ja selbst Pikmin-Fans sind, können bestätigen, dass wir alles so geschaffen haben, dass auch Spieler der vorherigen Titel ihre Freude damit haben werden. Es hat außerdem sehr viele Inhalte, also empfehle ich, es zu 100 % zu vervollständigen. Im Spiel gibt es übrigens ein Feature namens „Steinschleuder“. Wenn jemand einem anderen nur beim Spielen zusieht, kann er sich einen Joy-Con-Controller schnappen, einsteigen und für ein bisschen Chaos sorgen. Ich hoffe, Eltern werden Gebrauch davon machen, um ihren Kindern zu helfen, wenn diese mal nicht weiterwissen.
Herr Miyamoto, darf ich fragen, welche Spielweise Sie sich nicht nur speziell bei Pikmin 4, sondern in Bezug auf die ganze Pikmin-Reihe bei den Spielern wünschen würden?
Miyamoto:
„Steinschleuder“ wurde ja eben schon erwähnt, aber mir würde es besonders gefallen, wenn das Spiel im Wohnzimmer gespielt werden würde. Alleine dem Gameplay zuzusehen macht schon Spaß, daher würde es mir gefallen, wenn Mütter und Väter sich anschließen und darüber mit ihren Kindern reden. Und darüber hinaus eignet man sich durch das Spielen von Pikmin auch noch die Kunst des Dandori an, was in der Schule nicht gelehrt wird. (Lacht.) Nintendo kreiert oft Spiele, in denen man denken muss, um voranzukommen, wie zum Beispiel in The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom. Daher will ich Eltern raten, Pikmin nicht einfach abzulehnen, bloß weil es ein Videospiel ist, sondern es gemeinsam mit den Kindern im Wohnzimmer zu genießen und es zu einem gemeinsamen Gesprächsthema zu machen.