Frag die Entwickler Teil 11: Super Mario Bros. Wonder – Kapitel 3
16.10.2023
Einige der Bilder und Videos wurden während der Entwicklung aufgenommen.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Japanisch veröffentlicht.
Kapitel 3: Das Spiel auf eigene Weise beenden
Dies ist das erste 2D-Mario-Spiel seit 11 Jahren, aber für einige Nintendo Switch-Spieler ist es sicherlich ihr erstes seitwärts scrollendes Mario-Jump-‘n‘-Run in 2D. Hatte dies Einfluss auf die Entwicklung des Spiels?
Hayashida:
Wir haben viel darüber geredet, was für eine Art von 2D-Mario zur heutigen Zeit passen würde.
Tezuka:
Wir haben dieses Projekt mit einem Krisengefühl begonnen.
Ein Krisengefühl?
Tezuka:
Im Vergleich zu 3D-Mario-Spielen können 2D-Mario-Spiele so wirken, als seien sie grafisch weniger abwechslungsreich und schwieriger durchzuspielen. Aber bei der Entwicklung der Smart-Geräte-App Super Mario Run (15) haben wir eine kleine Entdeckung gemacht. Ein Mitglied des Entwicklungsteams, das nicht so geschickt in Sachen Mario-Jump-‘n‘-Runs war, sagte us: „Ich würde gern mehr vom Spiel sehen, aber ich komme nicht weiter, weil ich einfach nicht gut in solchen Spielen bin.“
(15) Eine Smart-Geräte-App, die im Dezember 2016 erschienen ist. Der Spieler tippt Mario an, der in diesem Spiel ununterbrochen läuft, immer auf Bowsers Schloss zu.
Sato:
Ich habe gehört, dass diese Person immer bei diesem einen Level in den Abgrund stürzte, in dem man am Anfang auf mehrere Pilze hintereinander springen muss.
Tezuka:
Wir empfanden diese Stelle nicht als besonders schwierig, daher war uns nicht bewusst, dass manche Spieler das Spiel aufgeben könnten, wenn es für sie zu schwer war. Also dachten wir darüber nach, wie wir Spieler dazu ermutigen konnten, doch weiterzuspielen. Wir fragten uns, ob sie vielleicht nicht genügend Freiheit im Spiel haben. Bei Super Mario Odyssey zum Beispiel hatte ich den Eindruck, dass das Spiel so entwickelt wurde, dass alle Spieler das Ende erreichen können, egal, wie sie es spielen.
Hayashida:
Ich finde, dieses Gameplay ist auf die heutige Zeit angepasst. Herr Tezuka schlug vor, dass wir 3D-Mario-Jump-‘n‘-Runs als Ausgangspunkt verwenden, da deren Gameplay so ausgelegt ist, dass Spieler das Ende erreichen.
Verstehe. Also haben Sie sich auch in diesem Punkt von der Entwicklung von 3D-Mario-Spielen inspirieren lassen.
Tezuka:
Ich hatte den Eindruck, dass 2D-Mario-Spiele oft den Ruf hatten, dem Spieler keinen Fehler durchgehen zu lassen. Verglichen mit 3D-Mario-Spielen kann schon eine ungünstig ausgeführte Aktion zu einem größeren Fehler führen, da man weniger Bewegungsoptionen hat. Das haben wir in diesem Spiel geändert. Wir haben es so entwickelt, dass Spieler das Spiel mit ihren Ideen meistern und mit Grips, nicht nur mit Geschick, weiterkommen können.
Hayashida:
Mit all dem im Hinterkopf dachten wir uns, dass ein 2D-Mario-Spiel, das mit der Zeit geht, ein Spiel ist, das man auf seine eigene Weise beenden kann. Zum Beispiel hatten bisherige 2D-Mario-Spiele ein Format, in dem Spieler jeden Level in einer bestimmten Reihenfolge spielen. In diesem Titel können Spieler, die nach einer Herausforderung suchen, mit einem kniffligen Level beginnen, und Anfänger können zuerst einen leichten Level spielen. Die Schwierigkeit jedes Levels ist angegeben.
Wir haben sogar ein Element aus 3D-Mario-Spielen eingebaut, das Freischalten spezieller Level mithilfe von sammelbaren Schlüsselitems. Diese Items sind die sogenannten Wundersamen.
Man erhält Wundersamen am Ende jeden Levels, und wenn man es nicht bis zum Ende eines Levels schafft, kann man immer noch Blumenmünzen einsetzen, um sie in Läden zu kaufen.
Mouri:
Wir haben zudem die Anzahl der spielbaren Charaktere auf 12 erhöht. Spieler können außerdem auswählen, welche Fähigkeiten sie ihrem Charakter verleihen wollen.
Die Yoshis und Mopsie unterscheiden sich etwas von den anderen Charakteren, da sie keinen Schaden nehmen, aber Mario, Luigi, Peach, Daisy und die anderen spielen sich alle gleich, richtig? War das absichtlich?
Mouri:
Ja, in einigen vorherigen Mario-Spielen hatten die Charaktere unterschiedliche Eigenschaften. Luigi konnte beispielsweise höher springen und Peach konnte schweben. Aber das bedeutete, dass gewisse Aktionen nur mit bestimmten Charakteren ausgeführt werden konnten. Wer höher springen wollte, musste mit Luigi spielen. Das wollten wir für dieses Spiel ändern und es Spielern ermöglichen, ihre Lieblingscharaktere und -fähigkeiten zu wählen. Also haben wir Charaktere und Fähigkeiten voneinander getrennt, indem wir das Abzeichensystem eingeführt haben, über das Spieler ihre Lieblingscharaktere mit den Abzeichen ausstatten können, die ihnen die gewünschten Fähigkeiten verleihen.
Tezuka:
Im Abzeichensystem kommt Herrn Mouris Leidenschaft voll zum Ausdruck.
Mouri:
Am Ende hatten wir über 20 verschiedene Abzeichen. Das war die Topauswahl aus mehr als 50 Prototypen. Da die Fähigkeiten nun an die Abzeichen und nicht an Charaktere gebunden sind, können Spieler nicht nur Abzeichen auswählen, die den Abschluss eines Levels erleichtern - wir konnten auch Fähigkeiten einbauen, mit denen erfahrene Spieler ihr Geschick auf die Probe stellen können. Ein Abzeichen verleiht einem zum Beispiel die Fähigkeit, ohne Unterbrechung zu laufen, ein anderes macht den Charakter für den Spieler und für Gegner unsichtbar.
Die Freiheit, zwischen Abzeichen zu wechseln, erweitert damit also auch die Gameplay-Möglichkeiten?
Mouri:
Manche Abzeichen ändern Aktionen, so dass man beispielsweise aus der Hocke höher springt. Andere Abzeichen sind für Anfänger gedacht, wie das Abzeichen, das den Charakter wieder aus einem Abgrund hinaus springen lässt. Indem man die Abzeichen austauscht, kann man denselben Level auf unterschiedliche Weise oder mit unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen erleben. Ich denke, das Spiel ist so entworfen, dass es einfacher abzuschließen ist - selbst für Spieler, die vorher mitten in einem 2D-Mario-Spiel aufgaben, weil sie es einfach zu schwierig fanden. Und das Einsammeln der Abzeichen an sich ist ein zusätzliches neues Spielelement. Im Mehrspielermodus (16) werden verschiedene Spielstile verfügbar: Man kann zum Beispiel ganz zuversichtlich Abzeichen auswählen, die das eigene Können auf die Probe stellen. Alle Spieler können zum Beispiel unsichtbar werden. (Lacht)
(16) Für den Mehrspielermodus wird möglicherweise zusätzliches Zubehör benötigt, das separat verkauft wird.
Hayashida:
Jetzt, da ich darüber nachdenke, sagte Herr Tezuka irgendwann: „Ich frage mich, ob wir einen Spielmechanismus einführen können, über den man die Schwierigkeitsstufe während des Spiels frei einstellen kann.“ Zu dem Zeitpunkt hielt ich das für nicht umsetzbar, aber das Abzeichensystem hat es wohl möglich gemacht, so dass es doch irgendwie geklappt hat. (Lacht)
Mouri:
Herr Tezuka hat ursprünglich gefragt, ob wir eine Leiste auf dem Bildschirm anzeigen könnten, über die man die Schwierigkeitsstufe direkt einstellen kann. Da dachte ich mir, das ist doch unmöglich... (Lacht)
Dann hätte sich die Schwierigkeitsstufe des gesamten Levels in Echtzeit geändert? Ja, das ist tatsächlich schwer vorstellbar. (Lacht)
Tezuka:
Man weiß ja nie! Vielleicht gibt es diese Funktion im nächsten Spiel.
Alle:
(Lachen)
Sato:
Ich musste ständig auf der Hut sein, da ich nie wusste, wann Herr Tezuka mit seiner nächsten unmöglichen Bitte um die Ecke kommen würde. (Lachen)
Mouri:
Herr Tezuka fragte uns auch einmal, ob wir nicht Live-Kommentare einbauen könnten. Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte. (Lacht) Aber ich witterte darin den Wunsch nach einer neuen Erfahrung, wenn auch nicht unbedingt in Form von Live-Kommentaren.
Meinen Sie Live-Kommentare wie beim Fußball oder Baseball? Das wollten Sie in ein Mario-Spiel einbauen?
Hayashida:
Wir haben tatsächlich sechs Monate lang ernsthaft an Live-Kommentaren gearbeitet. Wir versuchten, Stimmen einzubauen, die zu den Spieleraktionen passen sollten. Aber dann fragten sich einige Teammitglieder, woher diese Stimmen eigentlich kamen. Etwas an der ganzen Sache fühlte sich nicht stimmig an. (Lachen)
Tezuka:
Mir hat sie sehr gefallen. (Lachen)
Mouri:
Selbst das Team war zwischen Pro und Contra gespalten. (Lachen) Die Standardstimme war recht generisch, ähnlich wie ein Nachrichtensprecher, aber man konnte auch zu einem „Tsundere“-Kommentar (17) wechseln.
(17) „Tsundere“ ist ein japanisches Adjektiv, das eine ruppige und direkte Persönlichkeit beschreibt, die jedoch trotzdem hin und wieder sanftere Seiten durchblicken lässt.
Wie, zu einem Tsundere-Kommentar?
Mouri:
Laut unseren Testspielaufzeichnungen haben einige Spieler zum Tsundere-Kommentar gewechselt. (Lachen)
Alle:
(Lachen)
Tezuka:
Aber wenn wir diese Kommentarfunktion wirklich hätten einbauen wollen, hätte allein die Erstellung der Stimmvariationen einen riesigen Arbeitsaufwand erfordert. Also mussten wir die Idee aufgeben.
Allerdings wäre es zu schade gewesen, das gesamte Experiment auf Eis zu legen. Also haben wir ein zusätzliches Teammitglied ins Boot geholt, das sich ganz auf diese Spielfunktion konzentrierte.
Mouri:
Etwa zur selben Zeit besprachen wir das Blumenkönigreich als Schauplatz des Spiels. So konnten wir die Live-Kommentar-Idee in Form der Plauderblumen auf eine Weise einbauen, die zur Spielwelt passte. Diese Version des Live-Kommentars fügt sich gut in die Welt von Mario ein.
Hayashida:
Es ist schön, dass man sich nie allein fühlt, wenn Plauderblumen in der Nähe sind. Wäre man ganz für sich im Level, könnte das Gefühl entstehen, dass man es als Spieler mit der ganzen Welt allein aufnehmen muss. Aber die Plauderblumen sprechen genau im richtigen Zeitpunkt mit den Spielern.
Sato:
Sie haben lustige Sprüche wie „Iss immer schön dein Gemüse!“ parat, fast wie ein Elternteil. (Lachen) Das ist auch für Zuschauer unterhaltsam.
Das stimmt, die Plauderblumen geben im Level Tipps und sagen Dinge, die dem Spieler vielleicht auch gerade durch den Kopf gehen. Damit fühlt das Spielgeschehen sich weniger wie ein Einzelkampf an.
Tezuka:
Wir dachten uns, dass es zu einem schöneren Spielerlebnis beitragen würde, wenn die Plauderblumen mit einem reden und man sich mit ihren Sprüchen identifizieren könnte. Natürlich kann man das Geplauder auch ausschalten, aber wir hoffen, dass so viele Spieler wie möglich die Funktion ausprobieren.
Mouri:
Indem wir sie als Levelelement einbauten, haben wir eine neue Art von Mario-Gameplay erschaffen. Man kann zum Beispiel nach versteckten Plauderblumen suchen oder man entdeckt eine Blume, die sich über einem befindet, und muss dann herausfinden, wie man sie erreicht.
Kondo:
Bei den Diskussionen rund um Schwierigkeitsstufen und Live-Kommentare wurde erwähnt, dass Herr Tezuka das Unmögliche verlangte. Ich hatte den Eindruck, dass es vielleicht einen Unterschied zwischen der Mario-Welt gab, die Herr Tezuka und ich uns vorstellten, und der Mario-Welt, die das restliche Team vor Augen hatte. Die Entwickler haben bei jedem der bisherigen Mario-Spiele kreative Wege gefunden, jede Gameplay-Idee innerhalb der Spezifikationen und Limitationen der verschiedenen Konsolenmodelle einzubauen. Entwickler, die als Mario-Spieler aufgewachsen sind, sehen die Welt in diesen Spielen als die Welt von Mario an. Und sie versuchen, diese Welt auf neue Spiele zu übertragen. Die Mario-Welt, die Herr Tezuka und ich sehen, ist tatsächlich viel weitläufiger und wir haben die Freiheit, alles einzubauen, was Spaß machen könnte. Vielleicht kam deswegen der Eindruck auf, dass wir „das Unmögliche verlangen“.
Verstehe. Die Mario-Welt ist also ein sicherer Ort, an dem man jede Menge neue Möglichkeiten ausprobieren kann. Ach ja, Sie haben ja erwähnt, dass das Sound-Team sich ebenfalls am Ideenaustausch zu neuen Spielideen beteiligte. War das eine außergewöhnliche Situation?
Kondo:
Immer wenn ein neues Mitglied zum Sound-Team dazustößt, sage ich: „Sie sind zwar für Musik oder Soundeffekte zuständig, aber in erster Linie erschaffen Sie Spiele. Also werfen Sie verschiedene Ideen in die Runde und zögern Sie nicht, Spielelemente aufzuzeigen, die Ihnen seltsam vorkommen.“ Diesmal konnten wir viel enger mit den anderen Teams arbeiten und hatten den Eindruck, dass wir wirklich an der Spielkreation beteiltigt waren.
Tezuka:
Das Sound-Team hat begrenzte Ressourcen, also haben wir es oft mitten in der Entwicklung mit ins Boot geholt, statt es direkt von Anfang an zu bemühen. Es ist auch unmöglich, sich verschiedene Arten von Tönen vorzustellen, wenn die Grafikrichtung nicht bereits zu einem gewissen Grad feststeht.
Kondo:
Bisher sind wir in der Regel in der zweiten Entwicklungshälfte eingestiegen, und selbst wenn ich dachte, dass es vielleicht witzig wäre, wenn die Grafik sich je nach Musik ändert, konnten wir dies nicht wirklich einbauen. Ich habe nur auf eine Gelegenheit gewartet, das umzusetzen. Auch im Vorgängertitel stieß ich erst in der letzten Entwicklungsphase dazu, sodass ich nur dafür sorgen konnte, dass Gumbas im Takt der Hintergrundmusik hüpfen.
Spielausschnitte aus New Super Mario Bros. Wii für Wii.
Diesmal konnten wir schon in frühen Phasen Spielideen beitragen und auch die Programmierer arbeiteten zusammen, um Prototypen für die musikbezogenen Bereiche zu erstellen.
Wenn man eine Wunderblume aufsammelt, ändert sich mitten im Level die gesamte Umgebung auf dramatische Art und Weise. Das hatte doch sicher auch einen Einfluss auf den Sound.
Kondo:
Ja, hatte es. Ich wollte schon immer mal ausprobieren, einen ganzen Level wie in einem Musical zum Leben zu erwecken. Zuerst haben wir Piranha-Pflanzen im Rhythmus zur Musik aus ihren Röhren kommen lassen und die Entwickler haben einen Level erstellt, in dem die Röhren und die Plattformen sich bewegen. Das kam beim Entwicklungsteam gut an, also haben wir ihn so angepasst, dass verschiedene Gegner und Levelelemente sich im Rhythmus zur Musik bewegen. Das war gar nicht so einfach, da die Leveldesigner nicht viel über Takt und Rhythmus wussten und das Sound-Team sich nicht mit Level-Deisgn (18) auskannte.
(18) Das Entwerfen eines Levels, indem man Objekte und Ähnliches platziert.
Tezuka:
Die Sound-Teamleiter und Level-Designer haben viel Zeit mit der Feinarbeit verbracht, richtig?
Kondo:
Wir haben Vorbesprechungen mit beiden Gruppen abgehalten und dem Sound-Team die Möglichkeit gegeben, praktische Erfahrung im Level-Design zu sammeln. Dadurch, dass die beiden Teams in die Rollen des jeweils anderen Teams schlüpfen konnten, konnten wir einen besseren Eindruck des jeweils anderen Tätigkeitsbereichs erhalten.
Sato:
Sie haben während der Wonder-Prototyp-Meetings selbst viele Tests durchgeführt, nicht wahr? Es gab Momente, in denen ein neues Spielelement aus der Musik entstand.
Kondo:
Da ist zum Beispiel dieser Level: „Tanz der Ninjis“. Immer, wenn sich verschiedenene Elemente im Takt zur Musik auf dem Bildschirm bewegten, wollte ich selbst auch mitwippen. (Lachen) So kamen wir auf die Idee, einen Level zu kreieren, bei dem man den Charakter bei jedem vierten Schlag springen lässt.
Sato:
Das kam auch sehr gut an und führte zur Entstehung des Rhythmus-Sprung-Abzeichens, mit dem man diese Idee auch in anderen Leveln erleben kann.
Tezuka:
Unser Ziel war, einen Grundstein für zukünftige 2D-Mario-Spiele zu legen, und ich habe tatsächlich das Gefühl, dass all diese Änderungen an unserem Entwicklungsprozess Früchte getragen haben.