10. Wie wird es ankommen?

Miyamoto:

Neulich habe ich ein Gespräch über "Touch!Generations" geführt. Oh, ... wissen Sie alle, was "Touch!Generations" ist?

Itoi:

Das sind Spiele wie "Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging: Wie fit ist Ihr Gehirn?"24 und "English Training: Spielend Englisch lernen".2524"Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging: Wie fit ist Ihr Gehirn?": Ein Spiel für das Nintendo DS-System, das im Juni 2006 in Europa veröffentlicht wurde.25"English Training: Spielend Englisch lernen": Ein Spiel für das Nintendo DS-System, das im Oktober 2006 in Europa veröffentlicht wurde (außer in Großbritannien und Irland).

Miyamoto:

Genau, richtig.

Iwata:

"Nintendogs" gehört auch zu dieser Reihe. Als neue Herausforderung haben wir eine Reihe bestimmter Titel angeboten, die Kinder, deren Eltern und Großeltern - also drei Generationen - zusammen spielen können, unabhängig von ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung mit Videospielen. Und diese Reihe heißt eben "Touch!Generations".

Itoi:

Ja, das weiß ich noch.

Miyamoto:

Wir wollten damit eine Produktreihe anbieten, die auch die Leute unbekümmert kaufen können, die noch keine Erfahrung mit Videospielen haben, und damit sind wir bei dem Nintendo DS auf ziemlich gute Resonanz gestoßen. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht und intern viel diskutiert, wie wir die "Touch!Generations"-Reihe auf dem Nintendo 3DS fortsetzen sollten.

Itoi:

Stimmt.

Miyamoto:

Aber der Nintendo DS war ja ein Spielsystem, das es so noch nie gegeben hat, und wir haben den Namen "Touch!Generations" gewählt, weil wir vermitteln wollten, dass diese Spiele auch den Leuten Spaß machen würden, die normalerweise keine Videospiele spielen. Aber was das grundlegende Element betrifft, Spiele durch Berühren des Touchscreens mit dem Touchpen zu steuern, hielten wir es nicht mehr für einen ausreichenden Grund, weitere "Touch!Generations"-Spiele für Nintendo 3DS anzubieten, denn er ist ja eine Weiterentwicklung und Erweiterung des Nintendo DS.

Itoi:

Ja?

Miyamoto:

Als wir darüber nachdachten, welche Aktivitäten neuen Spielern, die nicht viel Erfahrung mit Videospielen haben, auf dem Nintendo 3DS Spaß machen würden, fielen uns solche Dinge ein wie 3D-Fotos machen, 3D-Videos ansehen und Ähnliches.

Itoi:

Also Funktionen, die das System selber bietet.

Miyamoto:

Genau. Keine separaten Softwaretitel.

Iwata:

Man könnte sagen, dass das System selber schon die Rolle der "Touch!Generations" erfüllt.

Miyamoto:

Natürlich gibt es weiterhin eine Nachfrage nach den "Touch!Generations"-Spielen, die auf dem Nintendo DS gut angekommen sind, deshalb werden wir sie auch weiter produzieren.

Itoi:

Aha.

Iwata:

Aber bisher hatten wir den Markennamen "Touch!Generations" mit speziellen Bereichen in den Geschäften und einem eigenen Logo, und wir haben uns dafür entschieden, diesen Markennamen beim Nintendo 3DS nicht weiter zu verwenden.

Itoi:

Ah, ich verstehe.

Miyamoto:

"Touch!Generations" wird also in Zukunft nicht weiter fortgesetzt.

Iwata:

Als ich vor einiger Zeit diesen Vorschlag bei einem internen Meeting machte, bei dem unsere Strategie entschieden werden sollte, und danach fragte, ob das in Ordnung sei, haben sofort alle zugestimmt. (lacht)

Itoi:

Ach, wirklich? Sogar die Vertriebsabteilung?

Iwata:

Sogar die. Ich spreche nicht gerne zu viel Eigenlob über unsere Firma aus, aber ich dachte dabei schon, dass das ziemlich toll ist. (lacht)

Itoi:

Ja ...

Miyamoto:

Ein Verantwortlicher aus unserer Vertriebsabteilung sagte so ungefähr, dass keine neue Kultur entstehen wird, wenn wir den Ballast aus der Vergangenheit immer mit uns tragen und ständig nur leichte Variationen daran vornehmen. (lacht)

Iwata:

Richtig, richtig! (lacht)

Miyamoto:

Ich fand das umwerfend.

Itoi:

Das finde ich aber auch. (lacht)

Iwata:

Ich benutze nicht gerne das Wort "Erfolg", um unsere Situation zu beschreiben, denn das kann egoistische Gedanken fördern, die uns blockieren könnten. Eigentlich würde ich "Touch!Generations" aber schon als Beispiel für ein erfolgreiches Projekt bezeichnen. Wenn wir jetzt einfach wieder dasselbe machen würden, würden wir uns nur auf vertrautem Boden bewegen.

Itoi:

Stimmt. (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Die Entscheidung, diesen Namen nicht weiter zu verwenden, ermöglicht es allen, ganz neu an die eigene Arbeit heranzugehen.

Miyamoto:

Es herrscht also die Einstellung, dass die Hardware selber die Rolle von "Touch!Generations" erfüllt.

Iwata:

Man könnte außerdem auch sagen, dass es nicht mehr ungewöhnlich ist, dass auch ältere Menschen Videospiele spielen. Die Leute, die noch keine Erfahrung mit Videospielen haben, haben jetzt eine Einstiegsmöglichkeit. Das Videospielsystem ist für alle da, unabhängig von Alter, Geschlecht und Erfahrung.

Itoi:

Ja.

Iwata:

Ich denke, es gibt jetzt keinen Grund mehr, solche Unterscheidungen durch die Verwendung spezieller Produktreihenbezeichnungen zu unterstützen.

Itoi:

Stimmt. Es ist nicht mehr zeitgemäß, in solchen Kategorien zu denken.

Miyamoto:

Das findet auch bei den Spielentwicklern Anwendung. "Touch!Generations" war z. B. eine Produktreihe, die sich von bisherigen Spielen unterschieden hat, aber trotzdem haben dieselben Entwicklerteams an der Software gearbeitet. Solche Dinge wie z. B. der Schnitt von 3D-Videos für den Nintendo 3DS, die wir über 'SpotPass' verbreiten möchten, werden jetzt aber von Mitarbeitern außerhalb der Entwicklerteams übernommen.

 

(Redaktioneller Hinweis: 3D-Videos, die über 'SpotPass' verbreitet werden: Nintendo of Europe hat Vereinbarungen mit zahlreichen Partnern für die Lieferung solcher Inhalte ab Januar 2011 geschlossen. Dazu gehört z. B. Eurosport, Europas führendes Unternehmen in Sachen Sport-Entertainment. Es wird tolle 3D-Sportvideos für den Nintendo 3DS bereitstellen. Aardman Animations wiederum bietet eine ganze Serie von Original-Kurzfilmen über Shaun das Schaf an – natürlich gleichfalls in 3D. Darüber hinaus führt Nintendo Gespräche mit zahlreichen Anbietern auf nationaler Ebene. In Großbritannien beispielsweise wird British Sky Broadcasting kurze Inhalte seines TV-Programms Sky 3D zum neuen Handheld beisteuern.)

Itoi:

Ah, so ist das.

Miyamoto:

Die Produzenten müssen also auch Veränderungen vornehmen. Wenn man davon ausgeht, dass die Leute, die bisher alles produziert haben, auch weiterhin die Einzigen sein werden, die Inhalte erstellen, blockiert man schon von Anfang an jede Chance, ganz neue Software zu entwickeln.

Itoi:

Ja, richtig.

Miyamoto:

Aber das sind interne Geschäftsthemen. Darüber müssen wir hier nicht sprechen. (lacht)

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Um zu unserem vorherigen Thema zurückzukommen, ich würde es schon interessant finden, wenn außer Nintendo auch andere Firmen sich intensiv mit dem Nintendo 3DS beschäftigen würden. Ich würde mich zum Beispiel sehr freuen, wenn Filmregisseure ernsthaft 3D-Filme dafür produzieren würden.

Iwata:

Und das führt natürlich auch zu der Frage, wie die Spieler das System nutzen werden.

Miyamoto:

Richtig.

Itoi:

Und darauf kann man sich wirklich schon sehr freuen.

Iwata:

Nintendo hat auch schon viele Projekte gestartet, die die Kreativität der Spieler ansprechen, wie z. B. "Flipnote Studio"26 und "Make It Yourself: Nintendo DS-Guide"27. Wir verbreiten diese Inhalte in der Hoffnung, dass die Kreationen der Spieler andere Leute inspirieren und bei allen für noch mehr Freude sorgen. Es wäre schön, wenn sich daraus große Veränderungen und ein ganz neuer Unterhaltungszweig ergeben würden. Mr. Miyamoto, Sie meinen doch auch, dass es da viel Potential gibt, oder? 26"Flipnote Studio": Eine kostenlose Nintendo DSiWare-Anwendung, die im August 2009 in Europa veröffentlicht wurde. Damit können die Benutzer handgemalte Bilder mit dem Touchpen erstellen. Außerdem können mehrere Bilderseiten nacheinander angezeigt werden, so dass eine Art Daumenkino-Animation entsteht.27"Make It Yourself: Nintendo DS-Guide": Eine kostenlose Nintendo DSiWare-Anwendung, die im November 2010 in Japan veröffentlicht wurde. Damit können die Benutzer Anleitungen und Ratgeber zusammenstellen, indem sie Fotos und Sound-Elemente verwenden, die mit dem Nintendo DSi oder dem Nintendo DSi XL aufgenommen worden sind. Diese Software wurde zum Zeitpunkt dieses Interviews noch nicht außerhalb Japans veröffentlicht.

Miyamoto:

Ja, und das möchte ich ans Tageslicht bringen! (lacht)

Iwata Asks
Itoi:

Am besten ist es ja, wenn man eine Grundlage an Unterhaltung bietet, auf die kein anderer Einfluss hat und die von den Spielern nicht verändert werden kann, und wenn man dann nach der Veröffentlichung sagt: "Alles andere ist euch überlassen. Macht jetzt damit, was ihr wollt." Ich finde, das ist eine gute Balance.

Miyamoto:

Stimmt. Unsere Grundeinstellung den Spielern gegenüber ist: "Bitte, seid kreativ und fügt so viel hinzu, wie ihr könnt.”

Itoi:

Ich finde es aber z. B. nicht so gut, wenn man von Anfang an die eigene Grundlage in Frage stellt und verwässert.

Iwata:

Ja, ich verstehe, was Sie meinen.

Itoi:

Wenn man sich die ganze Zeit fragt, was alle über die eigene Arbeit denken, kann man nie richtig die Grundelemente festlegen, die den Spielern Freude machen sollen. Ich freue mich in diesem Zusammenhang auf jeden Fall sehr auf die Entwicklungen beim Nintendo 3DS.

Iwata:

Ja. Ich bin nicht sicher, was uns erwartet - wie die Welt reagieren wird, wie das System ankommt - wenn wir ein System mit so einem speziellen Reiz auf einmal in die Hände der Spieler geben.

Itoi:

Ja, da kann man sich nicht sicher sein.

Iwata:

Aber diese Unsicherheit ist auch aufregend!