Morimura-san, vielen Dank für Ihre Geduld. Übrigens, waren Sie nicht eines der ersten Mitglieder des Projekts "Erweiterung der Nutzergruppen 11"?
11 Das Projekt "Erweiterung der Nutzergruppen" wurde abteilungsübergreifend bei Nintendo gestartet. Es begann mit der Veröffentlichung des Nintendo DS. Mitglieder aus zahlreichen Entwicklungsabteilungen wurden zu einer Arbeitsgruppe zusammengestellt, in der sie Ideen über Software austauschen konnten, die neue Nutzergruppen ansprechen würden.
Ja. Damals habe ich in der "Entertainment Analysis & Development Division" gearbeitet, aber bei diesem Projekt waren Vertreter aller möglichen Abteilungen dabei, auch aus solchen, die mit der Softwareentwicklung direkt nichts zu tun haben. Auf diese Weise habe ich alle möglichen Perspektiven des Themas kennengelernt.
Aus diesem Projekt entstammt auch das ursprüngliche Modell für "Gehirn-Jogging" und die Bezeichnung "Geistiges Alter". Morimura-san war ein Mitglied des Teams, das vorgeschlagen hat, "Gehirn-Jogging" für den DS zu entwickeln. Danach ist er zum "Network Service Development Department" gewechselt und dies ist sein erstes Projekt dort. Wie haben Sie anfänglich überlegt, Hardware und Software zusammenzubringen?
Als ich zu diesem Projekt gestoßen bin, stand das Basismodell des Actimeters so gut wie fest. Also begann ich, mir Gedanken darüber zu machen, was die Software mit dem gebauten Actimeter alles machen könnte.
Wenn Sie jetzt vom Actimeter sprechen, meinen Sie das GBA-Modul, nicht wahr?
Das ist richtig. Die erste Variante, die gebaut wurde. Ich wollte also unterhaltsame Komponenten einbauen, die man bei herkömmlichen Schrittzählern nicht findet und die typisch für Nintendo sind. Wir haben uns zusammengesetzt, Pläne erdacht und allerlei Prototypen gebaut.
Zu diesem Zeitpunkt hatte das Gerät noch keinen Namen und wurde mit seinem Entwicklungscode "DHC" bezeichnet. Lange Zeit wusste ich nicht, dass DHC eine Abkürzung für " DS Hosuukei (Actimeter) Cartridge" ist. (lacht)
Stimmt genau. Der Arbeitstitel der Software lautete "Mii Walk". Ich dachte mir, die Mii-Charaktere (Charaktere, die Sie repräsentieren) würden sehr gut zu dieser Software passen. Meine Überlegung war, wenn wir ein Mii als Stellvertreter für den Nutzer auf den Bildschirm brächten, könnten wir eine Verbindung zum echten Lebensstil herstellen. Beim täglichen Gehen wird jeder Schritt gezählt, da dachte ich, wir könnten das mit etwas Unterhaltsamem verbinden.
Welche Dinge kann man also tun, während sich die Schrittzahl erhöht?
Wenn man jeden Tag viel läuft, ist das Mii im Spiel in der Lage, verschiedene Orte auf der Welt zu besuchen und dort ein Monument zu hinterlassen. Diese Funktion ist auch in der Endversion vorhanden. Ursprünglich hatte ich sogar vor, diese Weltkarte, die man aufbaut, als zentralen Punkt für das Spiel herzunehmen, aber...
Dazu ist es nicht gekommen.
Genau. Sie, Iwata-san, haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass das Hinterlassen von Monumenten auf der Erde nicht genug Motivation für tägliches Spielen darstellt. Ich hatte ziemliche Probleme damit, eine gute Lösung dafür zu finden.
Das Actimeter war dagegen so gut wie fertig, und ich dachte mir, ich könnte ihn den Mitgliedern des Vorstands in der damaligen Version mit nach Hause geben, damit wir uns ihre ehrlichen Meinungen dazu anhören können.
Man hat mir auch eins mitgegeben. Ende letzten Jahres. (lacht) Man wies mich an, es über die Feiertage zu testen.
Kurz nach den Feiertagen haben wir ein Konferenz abgehalten, aber die Reaktionen fielen überhaupt nicht gut aus. (Shigeru) Miyamoto-san12 sagte, es wäre nicht klar, was die Software überhaupt versucht zu vermitteln.
12 Shigeru Miyamoto ist der Senior Managing Director von Nintendo Co. Ltd. Er ist der Erfinder von Mario.
Die Reaktionen aller Vorstand-Tester die Hardware betreffend waren sehr gut. Aber man sagte auch, mit der Software könnte man viel mehr machen. Ich glaube, die Weltkarte, die sich Morimura-san ersonnen hatte, war durchaus ein unterhaltsamer Aspekt des Spiels. Als Spiel für einen Schrittzähler war es sehr visuell und elegant dargestellt. Als zentraler Punkt des Spiels war die Karte jedoch zu beschränkt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es mich motivieren würde, jeden Tag zu laufen, nur um Fortschritte auf dem virtuellen Planeten zu erreichen. Daher dachte ich, mit dem Spiel in dieser Form würden die meisten Nutzer nicht jeden Tag mitmachen.
Wenn ich jetzt darüber nachdenke, habe ich mich damals gedanklich immer noch von herkömmlichen Schrittzählen einschränken lassen. Der ursprünglich Plan lautete, ein unterhaltsames Spiel mit einem Schrittzähler zu entwickeln. Ich dachte, während man mehr läuft und die Schrittzahl zunimmt, sollte man in der Lage sein, etwas Lustiges damit anzufangen.
Deshalb hatten wir es ursprünglich "Mii Walk" genannt. Das Mii läuft und sammelt Schritte, wofür man dann belohnt wird.
Die meisten Menschen glauben aber nicht, dass sie viel laufen wollen.
Genau. Wenn es nichts gibt, was die Aufmerksamkeit der Nutzer aufrechterhält, die kein spezielles Interesse am Laufen haben, würde das Spiel nicht so erfolgreich sein. Wann ist also Mizuki-san zum Projekt dazugestoßen?
Es war genau zu der Zeit als die Konferenz mit den negativen Reaktionen stattfand. Es gab wirklich schlechtes Feedback.
Ist es wirklich so negativ rübergekommen? (lacht)
Ein klein wenig. (lacht) Ich habe darüber nachgedacht, was ich alles machen könnte. Sobald die Konferenz vorüber war, bin ich zu Shimomura-san gegangen und sagte ihm, ich bräuchte Hilfe.
Mizuki-san ist wie ein Einwechselspieler, ein Joker.
Ein Joker? Sie meinen wie im Fußball?
Genau. Der Starstürmer, Morimura-san, hat nach einigen Attacken durch den Vorstand Ladehemmungen. Der Joker wird eingewechselt, um das Spiel zu retten.
(lachen)
Das beschreibt ziemlich genau, wie ich zu dem Projekt gekommen bin. (lacht)
Nun gut, Mizuki-san, Sie sollten also den Stammspieler entlasten. Was war das Erste, was Sie getan haben?
Als Erstes habe ich die Mitglieder meiner eigenen Gruppe gebeten, damit zu spielen, und habe dann die Meinungen als Referenz verfeinert. Während das im Gange war, habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich die minütlichen Schrittdaten, die Shimomura-san vorgeschlagen hat, verwenden könnte. Iwata-san hat mit mir mehrfach über diese Funktion geredet.
Meiner Meinung nach war das Erste, was ich sehen wollte, wenn ich nach Hause komme und meine Actimeter-Daten an meinen DS übermittle, die minütliche Auswertung meiner Schritte. Beim Prototyp, den ich über die Feiertage mit nach Hause genommen hatte, war diese Funktion tief in den Menüs versteckt, fast schon so, als ob es ein Bonus wäre.
Zu diesem Zeitpunkt war es noch nicht in den Spezifikationen vorgesehen, dass man sofort zu diesem Menüpunkt gelangt. Im Februar allerdings, als der Tokio Marathon stattfand und einer unserer Kollegen dabei mitgemacht hat, haben wir ihn, zum Teil als Test, mit dem Actimeter laufen lassen. Als wir uns die minütliche Auswertung nach dem Marathon angesehen haben, war das unheimlich interessant. Damals standen die Daten bereits als Balkendiagramme zur Verfügung und so konnten wir klar eine Pause von 5 Minuten nachvollziehen. Alle waren ziemlich aufgeregt und kamen zu dem Schluss, dass er zu diesem Zeitpunkt wohl auf der Toilette war.
Zudem hat sich die Anzahl der Schritte pro Minute entsprechend dem Lauftempo geändert. Ich bin mir sicher, dass es sehr interessant ist, den Verlauf des Marathons so zu analysieren.
Natürlich werden manche Läufer müde und machen eine Pause. Da diese Zeit dann leer dargestellt wird, findet man genau heraus, wann und wie lange man sich ausgeruht hat. Der Tokio Marathon hat uns verdeutlicht, dass wir die minütliche Datenerfassung noch mehr in den Vordergrund schieben müssen, zum Beispiel, indem wir Kommentare zu den Daten erlauben.
Das ist vielleicht unterhaltsam für Personen, die fit genug sind, am Tokio Marathon teilzunehmen, aber ist das nicht eine viel zu kleine Zielgruppe?
Wenn man einen normalen, durchschnittlichen Lebensstil pflegt, wird ein ähnliches Muster aufgezeichnet, so dass alles etwas zäh wirken kann.
Wenn es nicht gerade einen besonderen Anlass gibt, fühlt sich jeder Tag gleich an.
Das wurde zu einem unserer Kernprobleme. Ich hatte darüber zahlreiche Unterhaltungen mit Morimura-san.
Nun denn, Morimura-san, wann ist Ihnen in dieser Sache ein Licht aufgegangen?
Es passierte, als ich in einem Zug saß. Ich war gemeinsam mit Mizuki-san bei einem Meeting mit einem Entwickler, als ich mich spät am Abend im Zug zurück nach Kioto mit Mizuki-san unterhalten habe...
Man hört heutzutage viel über so genannte "Lifestyle-bezogene Krankheiten". Sagen wir, zum Beispiel, dass Sie am Sonntagmorgen so gut wie nie spazieren gehen. Wenn Sie einen Blick auf die minütliche Datenauswertung werfen, wird es ganz klar, dass die Aktivität in diesen Zeiträumen gering war.
Da dachten wir uns, es wäre vielleicht eine gute Idee, wenn das Spiel den Lebensstil des Nutzers messen würde. Schnell waren wir von dieser Idee begeistert.
Man könnte sagen, Sie haben Licht am Ende des Bahntunnels gesehen. (lacht)
Am nächsten Morgen sind wir damit direkt zu Shimomura-san gegangen. Er hat die Idee sofort verstanden und sagte: "Vielleicht könnten wir das den Lebensrhythmus nennen?".
Es war also Shimomura-san, dem das Stichwort "Lebensrhythmus" eingefallen ist. Schon als ich es das erste Mal gehört habe, dachte ich, es hat einen schönen Klang.
Normalerweise sagt man mir, meine Vorschläge sind zu nichts zu gebrauchen, bevor sie verworfen werden. (lacht)
Einen guten Lebensrhythmus zu haben kann auch bedeuten, einen geregelten Lebensstil zu führen. Genau deshalb dachte ich, dass wir ähnliche Datenmuster, die täglich aufgezeichnet werden, nicht als "Oh, wieder dasselbe" sehen sollten. Wir sollten das viel positiver vermitteln, in etwa: "Ah, heute hatte ich einen guten Lebensrhythmus".
Davor haben wir die Minutendaten immer für einen einzelnen Tag betrachtet. Als wir aber dafür sorgten, dass man sie pro Woche, Monat oder für einen bestimmten Wochentag vergleichen kann, konnten wir etwas sehen, was vorher nicht möglich war.
Als ich beispielsweise die Daten für zwei oder drei Monate betrachtet habe, war die Anzahl der Schritte im August in meinem Fall ziemlich hoch. Ich konnte mir selbst auf die Schulter klopfen, weil ich am O-bon-Feiertag schön aktiv war.
In meinem Fall haben wir die letzten Züge der Entwicklung aufgezeichnet. Die Uhrzeit, zu der ich nach Hause kam, war von Tag zu Tag später. Als ich mir die wöchentlichen Daten angesehen habe, konnte ich die Zeiträume, zu denen ich spät nach Hause gekommen war, sofort anhand der Schrittdaten erkennen. Das hat mich fast für die ganzen Überstunden entlohnt. (lacht)
(lachen)
Selbst in meinem eigenen Lebensstil konnte ich Dinge erkennen, die mir zuvor nie wirklich aufgefallen sind. Dann wurde mir klar, das könnte gut funktionieren.
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