3. Die DS-Herausforderung

Iwata:

Als die Entwicklung des Arcade-Spiels fortschritt, begann doch auch die Herausforderung, sich das nächste Spiel in der Reihe auszudenken. Und das war bestimmt nicht einfach. Stimmt’s, Osawa-san?

Osawa:

...das stimmt.

Iwata:

Als ich Sie bei Ihrer Arbeit an der “WarioWare”-Reihe und an “Ryhthm Tengoku” beobachtet habe, schien es mir so, als ob Sie bei Ihrer Arbeit viel experimentieren würden, bis sich ein klares Konzept für das Spiel abzeichnet. Sie erstellen ein temporäres Arbeitsmodell und wenn andere darauf zurückgreifen, verstehen sie, was daraus werden soll, und helfen Ihnen, das zu erreichen. Diesmal mussten Sie aber wirklich ganz von vorne anfangen und sich erstmal mit dem Nintendo DS beschäftigen.

Osawa:

Ja, das stimmt. Ich habe die Hardware studiert, aber auch die neue Programmiersprache und das neue Format. Währenddessen habe ich darüber nachgedacht, wie man den Touchpen im Spiel einsetzen könnte.

Iwata:

Das war wahrscheinlich nicht einfach. Ein wichtiges Element – ein Teil der Essenz – von „Rhythm Tengoku“ für Game Boy Advance war das Gefühl, die Knöpfe mit dem richtigen Timing zu drücken. Ich habe gehört, dass viel über Elemente wie Sound und Programmierung nachgedacht wurde, um dieses Gefühl zu erreichen. Waren Sie dafür verantwortlich, Yone-san?

Yone:

Ja. Es ist bei jedem Spiel so, dass es reagieren muss, wenn man einen Knopf drückt. Aber bei der „Rhythm Tengoku“-Version für Game Boy Advance haben wir uns wirklich viel Mühe gegeben, den Spielern eine direkte Reaktion zu vermitteln, so dass Ihnen sofort klar ist: „Ich habe gerade einen Knopf gedrückt!“ Wir haben vor allem darauf geachtet, dass der Klang jedes Soundeffekts deutlich und klar zu identifizieren ist.

Iwata Asks
Iwata:

Wenn es um präzise Eingaben geht, sind Knöpfe vielleicht besser geeignet als ein Touchpen.

Yone:

Das ist richtig.

Iwata:

Aber wenn man “Rhythm Tengoku” für DS herausbringen möchte, will man ja auch den Touchpen einsetzen. Wie kann man den Spielern dann mit dem Touchpen das präzise Gefühl vermitteln, dass sie im Rhythmus sind? Ich kann mir vorstellen, dass Sie daran arbeiten mussten.

Osawa:

...Ja. Mehr als an allem anderen. Um ehrlich zu sein habe ich am Anfang gedacht, wenn es nicht funktioniert, dann muss ich über eine Rückkehr zur Bedienung über Knöpfe nachdenken. Gleichzeitig gefiel mir aber der Gedanke nicht, dass die Spieler altbekannte Sachen machen sollten, obwohl sich die Hardware weiter entwickelt hatte.

Iwata:

Das ist ein schwieriges Thema. Ich hatte das Gefühl, dass es sehr lange dauert... dass die Vorbereitung sich sehr in die Länge zog.

Osawa:

Am Anfang haben wir zum Beispiel über eine Eingabemethode nachgedacht, bei der man die Ränder des Touchscreens mit dem Touchpen berührt hat. Dazu war ein Tipp-Geräusch zu hören. Aber... das schien uns etwas zu schwierig.

Iwata:

Sie wollten etwas, was sich auch gut anfühlt.

Osawa:

Ja. Dann haben wir eine Schnipp-Bewegung mit dem Touchpen ausprobiert, woraus sich dann später auch die schnelle Bewegung entwickelt hat, die wir schließlich ausgewählt haben. Aber die Teile, wo man den Touchpen mit etwas Kraft bewegen muss, waren ein wenig gewöhnungsbedürftig. Also haben wir lange herumexperimentiert, um dem Spieler das richtige Gefühl zu vermitteln. Dabei haben wir uns die ganze Zeit gefragt, ob wir nicht doch wieder auf Knopfdrücken umsteigen sollten. Am Ende wurde uns klar, dass man doch ein gutes Gefühl für das Timing hat, wenn wir die Touchpen-Bewegung mit einem Soundeffekt verbinden. Deshalb haben wir uns entschlossen, den Touchpen einzusetzen...

Iwata Asks
Iwata:

Wie lange hat dieser Prozess gedauert?

Osawa:

Mal sehen... Ungefähr zwei bis drei Monate für die Hintergrundplanung und danach... über sechs Monate, würde ich sagen.

Iwata:

Ja, ich schätze, Sie haben sechs Monate damit gekämpft.

Osawa:

Ich habe mich ewig damit herumgequält.

Takeuchi:

Ja, er hat wirklich ziemlich lange gelitten.

Iwata:

Osawa der Suchende war in schlimmer Not. Takeuchi-san, wie sind Sie ihm zur Rettung gekommen?

Takeuchi:

Ich konnte doch nichts machen.

Iwata:

(lacht)

Takeuchi:

Für den Moment konnte ich nichts tun, außer auszuprobieren, was er sich ausgedacht hatte, um dann zu sagen: “Hmm, ich kapiere es nicht so ganz, aber... es macht Spaß!“ oder „Na los! Sie schaffen das! (lacht)

Iwata:

Aber als Sie ihn gelobt haben, ohne es wirklich verstanden zu haben, hat ihm das bestimmt nicht gefallen.

Takeuchi:

Da liegen Sie richtig! Das hat er mir überhaupt nicht abgekauft!

Alle:

(lachen)

Osawa:

...

Iwata:

Er ist ein Perfektionist. Wenn er selber nicht zufrieden ist, ist es unwichtig, was andere sagen.

Takeuchi:

Das stimmt. Genau so ist es. Wir kennen uns schon lange, aber was das betrifft, verstehen wir uns immer noch nicht.

Alle:

(lachen)

Osawa:

...

Takeuchi:

Aber immer wenn Osawa-san sich etwas einfallen lässt, ist es etwas, was man noch nie gesehen hat. Darin liegt der Reiz. Man kann nichts machen, als ihn zu unterstützen.

Iwata Asks
Iwata:

Das ist wahr. Wenn man die fertige Version von “Rhythm Paradise” sieht, ist man von der großen Vielfalt an Effekten und umgesetzten Ideen überrascht, weil die Steuerung relativ simpel ist.

Takeuchi:

Ja, das stimmt.

Osawa:

...

Iwata:

Osawa-san war der zentrale kreative Kopf, der von Takeuchi-san und Yone-san unterstützt wurde, die für Grafik und Sound zuständig waren. So war es auch beim vorherigen Spiel. Aber Yone-san, Sie waren nicht zu der Zeit im Team, als Osawa-san sich so herumgequält hat, oder?

Yone:

Nein, da war ich noch nicht dazu gestoßen. Zu der Zeit habe ich an den Wii-Kanälen gearbeitet.

Iwata:

Oh, sie haben damals an den Features der Wii-Konsole gearbeitet?

Yone:

Ja, aber ich habe gemerkt, wie schlimm es für Osawa-san war, deshalb wollte ich ihn so schnell wie möglich unterstützen.

Iwata:

Was für ein nettes Team! (lacht) Sie wollten ihm so schnell wie möglich helfen.

Osawa:

...

Yone:

Als ich dann etwas Zeit hatte, habe ich ein paar Sound-Beispiele zusammengestellt und sie ihm gezeigt. Aber seine Reaktion war nur: „Hmmmmmmm...” (lacht) Also habe ich gesagt, dass ich einen neuen Versuch starten und später wiederkommen würde.

Iwata:

Sie haben gesagt, dass Sie zurückkommen.

Yone:

Genau. So etwas kann man nicht in der Freizeit ausarbeiten.

Takeuchi:

Das stimmt. Bei Osawa-san muss man mit Leib und Seele dabei sein.

Iwata:

Weil er selber auch immer mit Leib und Seele dabei ist.

Osawa:

...

Takeuchi:

Das ist er wirklich.

Iwata:

Wenn ich sehe, wie Osawa-san ein Spiel entwickelt, wird mir immer klar, wie mysteriös, komplex und brillant die Entwicklung von Videospielen sein kann. Die meisten Videospieler wissen wahrscheinlich nicht, wie Videospiele entstehen, aber die Entwicklung eines Spiels ist ein langwieriger Experimentier-Prozess, bei dem man die Bedienung und die Struktur eines Spiels passend zu einem Thema, einem leitenden und durchgehenden Spielkonzept, gestalten muss. Wie soll ich das ausdrücken? Um eine Sache zu entwickeln, erkundet man ihr gesamtes Potential und ihre Möglichkeiten, und verknüpft das alles zu einem Paket. Nicht viele Dinge werden so hergestellt.