2. Der Weg als Ziel

Iwata:

Was hat Sie zu der Entscheidung bewegt, „Zelda“ bei der Entwicklung von FPS-Software, die Brücken schlagen soll, zu verwenden?

Miyamoto:

Nach Beendigung von „Ocarina of Time“ beschlossen wir, „Majora’s Mask“5 als eine Art Nebengeschichte zu machen. 5 Majora’s Mask“, Teil der „The Legend of Zelda“-Reihe, wurde eineinhalb Jahre nach „Ocarina of Time“, im November 2000, für Nintendo 64 veröffentlicht.

Iwata:

Richtig, ich erinnere mich. Als ich zum ersten Mal von der Idee zu „Link’s Crossbow Training“ hörte, hat sie mich an „Majora’s Mask“ erinnert. Ich weiß noch, dass ich dachte, dass sie darauf abzielte, die Spielwelt und das Spielsystem von „Twilight Princess“6 in einer anderen Umgebung zu verwenden. 6 Twilight Princess“, Teil der „The Legend of Zelda“-Reihe, wurde im Dezember 2006 für Nintendo GameCube und Wii veröffentlicht.

Miyamoto:

Ja, das ist richtig. Das für „Twilight Princess“ geschaffene Gelände war riesig. Und ganz ehrlich, ich dachte wirklich, dass wir es besser ausnutzen könnten. Solche Gedanken kommen einem bei der Videospielentwicklung häufig (lächelt verlegen).

Iwata:

(Lacht)

Miyamoto:

Nachdem wir die Entwicklung von „Twilight Princess“ abgeschlossen hatten, sprach ich mit den Mitarbeitern darüber, ob es möglich sei, eine Nebengeschichte zu machen. Bei einer großen Reihe wie „Zelda“ bringen wir in der Regel nur alle 3-5 Jahre eine neue Version auf den Markt, aber wir dachten, dass es großartig wäre, etwas für die Fans von „Twilight Princess“ zu entwickeln, ein Spiel, in dem sie die Möglichkeit hatten, in der gleichen Welt weiterzuspielen. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, Produkte relativ schnell hintereinander zu veröffentlichen.

Iwata Asks
Iwata:

Wahrscheinlich ist es auch wichtig, die Entwicklung den Entwicklern zuliebe in Gang zu halten, oder?

Miyamoto:

Richtig. Daher habe ich unsere „Zelda“-Mitarbeiter gebeten, über ein neues Projekt mit einer auf „Twilight Princess“ beruhenden zusätzlichen Geschichte nachzudenken. Aber das Ergebnis waren eher „epische Geschichten“ als „Nebengeschichten“.

Iwata:

Und die Spieler müssen wieder 3-5 Jahre warten?

Miyamoto:

Natürlich ist es auch wichtig, weitere epische Geschichten zu schaffen, aber ich glaube nicht, dass eine epische Geschichte allein ein großes Spiel ausmachen kann. Je nach den Merkmalen, die einem Spiel hinzugefügt werden, kann das elementare Spielvergnügen bei dem ganzen Zubehör verloren gehen. Unter Berücksichtigung dessen dachten wir eine ganze Zeitlang über das neue Projekt nach und schlugen schließlich ein Spiel vor, das auf „Twilight Princess“ basierte und den Wii Zapper verwendete.

Iwata:

Ich werde Sie später zum Wii Zapper befragen, aber jetzt interessiert mich, wie die Mitarbeiter reagierten, als Sie diese Idee äußerten?

Miyamoto:

Sie waren ein bisschen geschockt. Sie hatten das Gefühl, dass damit alle Ideen, mit denen sie bisher gearbeitet hatten, gestorben waren ... Einige waren der Meinung, dass wir aufpassen sollten, dass nicht der Eindruck entstünde, dass wir bereits existierende Software wiederverwenden und den Verbrauchern verkaufen wollten.

Iwata:

Zu Beginn des Projekts spürte sogar ich unter den Mitarbeitern eine gewisse Unstimmigkeit, oder zumindest einen gewissen Mangel an Verständnis.

Miyamoto:

Aus diesem Grund schlug ich vor, einen funktionsfähigen Prototyp zu produzieren und ihn von unseren Testspielern beurteilen zu lassen. Bei einer schlechten Beurteilung würden wir die Entwicklung sofort stoppen.

Iwata:

Und wie war die Reaktion der Testspieler?

Miyamoto:

Einfach großartig. Nintendo of America brachte eine Gruppe zusammen, zu der auch einige eingefleischte „Zelda“-Fans gehörten, und keiner der Testspieler sagte: „Was? Das ist nicht Zelda!?“ Sie hatten viel Spaß an dem Spiel und wir wussten, dass wir grünes Licht hatten. Danach erhielten wir tägliche Berichte über das Produkt, die es uns ermöglichten, während der Entwicklung bestimmte Aspekte zu optimieren.

Iwata:

Ich war es, der auf einer Geschäftsreise den Leuten von Nintendo of America die Idee zu „Link’s Crossbow Training“ offenbarte, und sie sagten mir, dass ihnen dieses Projekt ziemliche Sorgen bereite. Sie fragten sich, ob es okay sei, an einem so beliebten und bedeutendem Produkt wie „Zelda“ herumzupfuschen, aber nach Erhalt des Prototyps waren diese Sorgen scheinbar wie weggeblasen, da sie seither keine weiteren Bedenken geäußert haben.

Iwata Asks
Miyamoto:

Nun, jeder mag Videospiele. Selbst wenn jemand schon bestimmte Erwartungen an ein Spiel hat – wenn das Spiel unterhaltsam ist, macht das im Endeffekt kaum einen Unterschied. Daher habe ich unserem Team einige Auflagen für die Entwicklung des Spiels erteilt.

Iwata:

Auflagen?

Miyamoto:

Zum Beispiel, dass das Spiel nichts Unnötiges enthalten darf oder dass wir keinen Film drehen dürfen, oder dass der Spieler eine Stufe innerhalb von drei Minuten abschließen können sollte.

Iwata:

Interessant (lacht).

Miyamoto:

Um es zu verdeutlichen: Wenn beispielsweise für den Abschluss einer Aufgabe im Spiel 10 Minuten benötigt werden, hat ein Spieler, der gescheitert ist, möglicherweise keine Lust mehr, es noch einmal zu versuchen. Je länger man spielt, desto mehr sollte man reinkommen. Wenn der Abschluss einer Aufgabe nur drei Minuten in Anspruch nimmt, dann ist man bereit, es noch einmal zu versuchen, wenn man gescheitert ist.

Iwata:

Genau, wenn der Spieler denkt, dass er sich weiter verbessern wird, möchte er weiterspielen.

Miyamoto:

Es gibt viele Gründe für das Spielen von Videospielen, z. B. weil man den nächsten Level erreichen möchte oder weil man wissen möchte, wie der nächste Boss, den man zu besiegen hat, aussieht. Ständig sagt man mir, dass diese „Belohnungen“ den Spielern wirklich wichtig sind. Aber meiner Meinung nach muss das nicht unbedingt wahr sein. Was ich immer sage – nicht nur in Hinsicht auf „Link’s Crossbow Training“, sondern im Allgemeinen – ist, dass der Weg zum Ziel den Spielern Spaß machen muss, damit sie das Spiel richtig genießen können.

Iwata:

Sie meinen also, dass der Weg das Ziel ist, und dass das Ergebnis keine Rolle spielt, wenn der „Weg“ Spaß macht?

Miyamoto:

Ja. Der Weg ist die eigentliche Belohnung. Manchmal nutzen Spieleentwickler gute „Belohnungen“ als Ausrede. Wenn jemand beispielsweise ein Ende erfindet, auf das er wirklich stolz ist, das er fantastisch findet, wird er sich möglicherweise mit einem Weg begnügen, der keinesfalls brillant ist. Die Prioritäten werden da völlig falsch gesetzt. Bei „Link’s Crossbow Training“ habe ich es als meine Verantwortung angesehen, sicherzustellen, dass sich die Entwickler nicht zu sehr auf das Ende konzentrierten, sondern darauf, den Weg als den unterhaltsamen Teil zu gestalten. Ich habe sie sogar gebeten, keine Bosse zu machen.

Iwata Asks
Iwata:

Keine Bosse? Ist das Ihr Ernst?

Miyamoto:

Ich wollte, dass sie einen guten Weg erfanden und ihre Energie nicht auf die Schaffung fabelhafter Bosse verschwendeten. Und dennoch hatten wir am Ende einen Boss – ich habe schließlich nachgegeben, weil sie mir damit in den Ohren gelegen haben, sie drei Bosse machen zu lassen (lacht). Da es nur einen Boss gab, konnten sie ihre Zeit und Energie nur auf ihn statt auf drei Bosse verwenden.

Iwata:

Ich habe den Eindruck, dass Sie mit dem aktuellen Projekt klarmachen möchten, dass nicht das Ziel, sondern der Weg zählt.

Miyamoto:

Ja, ich versuche, mich an dieses Sprichwort zu halten (lacht).

Iwata:

Was genau haben Sie unternommen, um den Weg durch das Spiel unterhaltsam zu gestalten?

Miyamoto:

Unser Hauptziel war, die Spieler dazu zu bringen, die Software mit dem Wii Zapper zu verwenden und eine Reaktion wie „Wow, die Verwendung des Wii Zappers ist echt einfach und macht einen Heidenspaß“ zu bewirken. Einfach auf ein Ziel zu zielen und zu schießen ist okay, aber wir haben auch ein paar Tricks in den Demobildschirmen eingebaut. Auf diese Weise lernt der Spieler jedes Mal, wenn er spielt, etwas Neues über das Spiel, und ist dann motiviert, weiterzuspielen. Und ob der Spieler hohe Punktestände erreicht oder nicht, hängt davon ab, wie er mit einigen der verborgenen Herausforderungen zurechtkommt.

Iwata:

Weil man einen hohen Punktestand nicht einfach durch willkürliches Schießen erreichen kann, oder?

Miyamoto:

Ja, man muss herausfinden, wie man seinen Punktestand am besten erhöhen kann.

Iwata:

Dieser Spielaspekt klingt ganz nach „Zelda“.

Miyamoto:

Die Mitarbeiter wollten nicht nur einen einfachen Shooter, sondern ein wirklich einzigartiges Spiel machen. An Abzweigungen, an denen man den Pfad auswählen kann, haben sie möglicherweise bestimmte Objekte eingebracht...

Iwata:

Ich nehme an, dass ich das Spiel kaufen muss, wenn ich weitere Einzelheiten wissen möchte (lacht). Okay, sprechen wir über den Wii Zapper.