Wenn ich mir das Serienmodell der Wii-Konsole ansehe, drängt sich mir unweigerlich der Gedanke auf: "Ein solches Gerät wäre niemals entstanden, wenn wir eine neue Spielkonsole mit dem bisherigen Ansatz konzipiert hätten." Was hat zum jetzigen Konzept des Wii-Systems geführt? Welche Denkweise hat Nintendo bei der Entwicklung von Wii zugrunde gelegt? Ich hoffe, dass wir diese Fragen innerhalb dieser Serie von Interviews beantworten können. Zuallererst möchte ich mich an Takeda-san wenden, der für das gesamte Projekt verantwortlich zeichnet. Welches Gefühl hatten Sie, als Sie zum ersten Mal auf die Idee stießen, so etwas zu machen? Und wie sind Ihre Eindrücke, wenn Sie auf das Wii-System in seiner finalen Form schauen?
Unmittelbar nach der Markteinführung des GameCube begannen wir mit der Wii-Entwicklung. Sie wissen ja, sobald wir eine bestimmte Hardware fertig stellen, beginnen wir über die nächste nachzudenken. Selbstverständlich erfinden wir nicht jede verwendete Komponente und Schlüsseltechnologie aufs Neue. Wir müssen auf existierender Technologie aufbauen. Genauer gesagt gibt es in der Technologie-Branche so genannte Road Maps (die Zeitpläne für künftig veröffentlichte Technologien und Produkte auflisten). Jeder Industriezweig erstellt allgemeine Prognosen, um abzuschätzen, in welche Richtung sich die Entwicklung der Halbleitertechnologien bewegt oder wie die Evolution optischer Speicherformate und Drahtlos-Technologie voranschreitet. Ingenieure und Entwickler richten sich in der Regel nach diesen Road Maps, um das Gerät zu konzipieren, das als Nächstes erscheinen soll. Wenn ich das Wii-System noch einmal in seiner Serienreife betrachte, gewinne ich den Eindruck, dass es so gar nichts gemein hat mit den Geräten, die auf den weiterführenden Road Maps mit gewöhnlicher Technologie vorgegeben sind.
Was verschafft Ihnen diesen Eindruck?
Es mag paradox erscheinen, aber wären wir den existierenden Road Maps gefolgt, dann wäre das Ziel gewesen, das Gerät "viel schneller und ansprechender" zu gestalten. Sie wissen schon, so dass es eine hübschere Grafik mit schnellerer Geschwindigkeit errechnen kann. Doch wir kamen nicht um die Frage herum: "Was gewinnen unsere Kunden durch die Fortführung dieses Gedankens?" Während der Entwicklung wurde uns die Ineffizienz bewusst, die diese Richtung mit sich bringt. Wir stellten die technologischen Hürden und Kosten einer solchen Entwicklung dem erfrischenden Eindruck gegenüber, den eine neue Richtung bei den Kunden auslösen könnte.
Wann in etwa bekamen Sie dieses Gefühl?
Das dürfte etwa ein Jahr nach Beginn der Wii-Entwicklung gewesen sein. Während der Diskussionen mit unseren Entwicklungspartnern hatte ich den starken Eindruck, dass das Bedürfnis derjenigen, die stets "nach mehr" verlangen, keine Grenzen kennt. Denn auf eins und zwei folgt nicht drei. Dann wird nach fünf, zehn, dreißig oder sogar einhundert verlangt. Derartige Wünsche werden ständig angetrieben, aber sie führen uns letztendlich nicht weiter, wenn wir sie zu realisieren versuchen. Etwa ein Jahr nach dem Start der Entwicklung beschlich mich das Gefühl, dass etwas falsch läuft.
Ich verstehe. Nun möchte ich Shioda-san, der für die technologischen Aspekte des Wii-Systems zuständig war, einige nähere Fragen stellen. Bitte erklären Sie mir zunächst, woran Sie gearbeitet haben.
Nun, ich war verantwortlich für die Halbleiterelemente, die im Wii-System implementiert wurden. Allerdings hat Nintendo diese Halbleiter nicht im Alleingang entwickelt, sondern mit unseren Partnerunternehmen.
Ich weiß, dass die Halbleiterentwicklung zu den wichtigsten Faktoren bei der Festlegung der Funktionen eines neuen Gerätes zählt. Mit welchen Erwartungen begannen Sie die erste Entwicklungsphase und was hat sich letzten Endes geändert?
Es mag etwas zu sehr vereinfacht sein, aber ich sollte vorwegschicken, dass die Grundlagentechnologien im Halbleiterbereich eigentlich gleich bleibend sind. Andererseits hängt die Weise, wie diese grundlegenden Technologien angewendet werden, von dem Gerät ab, in dem sie zum Einsatz kommen. Das Wii-System macht im vollen Umfang von so genannter State-of-the-Art-Technologie Gebrauch, doch wie diese neue Technologie gebraucht wird, macht einen großen Unterschied zu anderen Geräten aus. Betrachtet man also die anfängliche Zielsetzung, neueste Halbleitertechnologien zu verwenden, entspricht das Endresultat eigentlich weitestgehend meinen ursprünglichen Erwartungen. Allerdings haben wir sie auf eine ganz andere Weise genutzt.
Könnten Sie das erläutern?
Wie Takeda-san erwähnte, neigen Entwickler beim Gebrauch neuer Halbleitertechnologie dazu, eine höhere Performance mit einem "hübscheren" Aussehen zu verwirklichen. Im Falle des Hauptprozessors versuchen sie, die Rechenleistung zu verbessern, was in höherem Energieverbrauch und größeren Bauteilen resultiert. Um das zu realisieren, ist hoch entwickelte Halbleitertechnologie erforderlich. Natürlich kann man diese Technologie nutzen, damit ein Gerät eine detailliertere Grafik darstellt, aber es gibt auch andere Optionen. So kann man beispielsweise dieselbe hoch entwickelte Halbleitertechnologie nutzen, die reine Bauteilgröße zu minimieren. Wir haben das genutzt, um den Energieverbrauch des Wii-Systems zu reduzieren. Wenn die Bauteile kleiner werden, wird auch die Konsole kleiner. Und durch die kleineren Bauteile und einen geringeren Stromverbrauch ist es möglich, die Konsole ständig eingeschaltet zu lassen. Das meinte ich damit, als ich sagte, dass das Wii-System State-of-the-Art-Technologie auf ganz andere Weise nutzt, obwohl dieselbe Technologie wie in anderen Geräten zum Einsatz kommt.
Grundsätzlich sind Ingenieure ja nicht einer höheren Performance abgeneigt. Haben Sie nicht eine innere Zerrissenheit gespürt, als entschieden wurde, dass es bei der Wii-Entwicklung nicht um eine reine Leistungssteigerung geht?
Offen gestanden ja. Ich hatte sogar Befürchtungen. Denn einen anderen Weg einzuschlagen, als in den Road Maps beschrieben, erfordert großen Mut. Besonders beunruhigt war ich, als mir noch nicht klar war, was ein solches Gerät leisten könnte. Das Problem des Stromverbrauchs konnte gelöst werden. Wir kamen sogar bereits während der Anfangsphase zur Gewissheit, diese Hürde nehmen zu können. Doch bevor uns klar war, wie sehr dieses Gerät das Spielen selbst ändern könnte, mussten wir uns mit diesen Befürchtungen und dieser Zerrissenheit auseinandersetzen. Als uns dann aber das Wii-Konzept klar wurde, von dem "Gerät, das jeden Tag etwas Neues bietet", gewannen wir an Überzeugung, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Denn nur weil das Gerät rund um die Uhr eingeschaltet bleibt, ist dies möglich.
Wenn Sie all die Abläufe Revue passieren lassen, die das Wii-System zu dem Gerät gemacht haben, was es heute ist, wo sehen Sie die Wendepunkte?
Eine gute Frage. Während wir uns Mühe gaben, den Stromverbrauch zu reduzieren, simulierten wir, wie sehr sich das Verbrauchsniveau unter Berücksichtigung unserer neuesten Technologie verändern würde. Als wir diese Technologie auf den GameCube anwendeten, haben wir festgestellt, dass der Verbrauch der Halbleiter auf etwa ein Drittel bis ein Viertel absinkt. Damals war ich sehr beeindruckt von diesen Ergebnissen. Natürlich waren die Zahlen allein schon überraschend, aber im selben Moment wurde mir die Einzigartigkeit der Firma Nintendo bewusst. Wenn irgendein Hersteller ein neues Gerät entwickelt, dann lautet der Konsens im Wettstreit mit anderen: "Um wie viel schneller ist dieses Gerät im Vergleich mit existierenden Geräten?" Oder: "Um wie viel ist der Speicher größer?" Und: "Wie viel mehr Polygone kann das Gerät darstellen?" Nur Nintendo verfolgte den Ansatz: "Wie sehr können wir den Stromverbrauch senken, um das gleiche Ergebnis zu erzielen oder womöglich sogar noch zu übertreffen?"
Was hat Sie bewogen, diesen Ansatz zu verfolgen?
Zunächst einmal steht Nintendo in der Tradition, stets zu versuchen, etwas Neues zu machen, etwas Anderes. Nintendo vermittelt diese Auffassung nicht nur intern, sondern auch nach außen an Partnerunternehmen. Daher ist es eine logische Konsequenz, dass uns unsere Co-Entwickler stets mit neuen Technologien und Ideen versorgen. Ich denke, dass Wii, konzipiert als ein Gerät, das mit einer gewöhnlichen Herangehensweise niemals hätte realisiert werden können, ein Ergebnis dieser Umstände ist.
Natürlich ging es uns nie darum, die Performance zu reduzieren. Es ist einfach, eine "niedrige Leistung mit niedriger Kraft" zu erzielen. Allen geht es darum, eine "hohe Leistung mit hoher Kraft" zu erreichen. Doch nur Nintendo hat versucht, "hohe Leistung bei niedrigem Verbrauch" zu erzielen. Daher ist die Richtung, in die das Wii-Konzept trotz neuester Technologie und hoher Performance geht, gänzlich anders als die der Anderen. Wenn wir in die Automobilbranche schauen, fällt auf, dass nicht alle Autos denselben Entwicklungsansatz verfolgen. Manche Autos sind schneller, andere erregen Aufmerksamkeit wegen ihres Hybrid-Antriebs. Wenn wir Autos als Metapher nehmen, ging es in unserem Industriezweig stets um die reine PS-Zahl der Motoren. Und das, obwohl nicht alle Autos konzipiert wurden, um in Formel-1-Rennen zu bestehen.
Genau wie Hybrid-Autos einen neuen Schwerpunkt auf "umweltfreundliche Leistung" gesetzt haben, setzt auch das Wii-System auf neue Werte, denke ich. Doch deswegen haben wir uns nicht aus dem technologischen Wettbewerb zurückgezogen - stattdessen haben wir eine Reihe hochtechnischer Komponenten im Wii-System integriert.
Das Beschreiten neuer Wege mit neuen Technologien ist weit komplexer, schwieriger und fordert selbst die besten Ingenieure mehr als die Zielsetzung einer reinen Leistungssteigerung herkömmlicher Geräte. Das Wii-System ist viel komplexer geworden als das des Nintendo 64 oder des GameCube. Darüber hinaus mussten wir mit dem Ziel der Kompatibilität mit GameCube-Titeln einige Funktionen beibehalten und zugleich etwas Neuartiges schaffen. Das war offen gestanden keine leichte Aufgabe. Aber jetzt bin ich sehr stolz auf die Tatsache, dass wir mit dem Wii-System ein Gerät präsentieren können, das voller neuartiger Attraktionen ist.
© 2024 Nintendo.