3. Ein neues Ziel: Die perfekte Perspektive

Iwata:

Die ursprüngliche Version des "Nintendo 3DS Guide: Louvre" kann man also seit April im Museum ausleihen, und er steht jetzt auch exklusiv als kostenpflichtige Download-Software zur Verfügung. Gibt es dabei erweiterte oder zusätzliche Funktionen?

Miyamoto:

Wir konnten bei der Kaufversion einige Dinge wieder hinzufügen, die aus der Museums-Version des Guides gestrichen worden waren. Wir hatten viele verschiedene Funktionen für die Originalversion des Guides umgesetzt, aber da die Besucher des Museums das Gerät nur für ein paar Stunden haben, fanden wir, dass es einfach zu viele Informationen für so eine kurze Zeitspanne waren.

Iwata:

Das wurde auch während der Entwicklung erwähnt, und es hatte im Lauf der Arbeit deshalb auch eine Richtungsänderung gegeben, um die Software ausschließlich auf einen Guide für die Benutzung vor Ort zu reduzieren. In der Kaufversion gibt es also Funktionen, die nicht in die Version integriert wurden, die im Louvre eingesetzt wird.

Miyamoto:

Das stimmt. In der Download-Version gibt es Funktionen, mit denen man sich z. B. eine eigene Tour erstellen lassen kann, und man kann sie als elektronischen Bilderrahmen mit Uhr benutzen, so dass zufällige Fotos von den Ausstellungsstücken und Kunstwerken angezeigt werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit, automatisch alle Informationen zu allen Objekten abzuspielen, und alle auswählen und anschauen zu können, die man möchte. Es gibt also auch bei dem eigenständigen Produkt eine Menge Funktionen, die einfach Spaß machen.

Iwata:

Um es nochmal zu betonen: Sie haben überhaupt nichts gestrichen.

Miyamoto:

Genau. Wenn man diese Software ins Museum mitbringt, kann man auch die Ortserkennungsfunktion verwenden, die im Louvre eingerichtet ist. Wir haben auch alle Elemente für die Kinder dabei, wie z. B. eine Tour mit Quizfragen. Für Leute, die im Rollstuhl sitzen, kann der Guide auch alle Wege anzeigen, bei denen man Aufzüge und bewegte Plattformen nutzen kann. So kann man wirklich tagelang Spaß im Louvre haben! (lacht)

Iwata:

Wenn man dem Guide zuhört und die ganzen Informationen erfährt, macht das so viel Spaß, dass man dann sogar noch mehr wissen möchte.

Miyamoto:

So ist es. Die ursprünglichen Erklärungen im Audio-Guide wurden in Frankreich erstellt, sie haben also auch ein gewisses französisches Flair.

Iwata:

Ja, richtig.

Miyamoto:

Es geht z. B. los mit: "Bitte hören Sie aufmerksam zu. Passen Sie Ihren Laufrhythmus dem Klang meiner Schritte an." Dann hört man Schritte, die einen Gang runterlaufen, und wenn man im selben Tempo geht, kommt man genau in dem Moment am Ziel an, in dem auch die Schritte aufhören. Jeder hat natürlich ein anderes Schritttempo, aber man hat uns gesagt: "Das dürfen Sie auf keinen Fall rausnehmen." (lacht)

Iwata:

Ah, dieses Element war also sehr wichtig.

Miyamoto:

Die Übersetzung in der japanischen Version war darauf ausgerichtet, die ursprünglichen akademischen Beschreibungen zu respektieren und genau wiederzugeben, es gibt also Passagen, die sich etwas steifer anhören. Wir hatten eigentlich den Wunsch, einige dieser Übersetzungen anzupassen, so dass sie auf Japanisch leichter zu verstehen sind, aber wir haben die ursprünglichen Übersetzungen mit ihrem akademischen Ansatz in Ehren gehalten und vor unsere Änderungswünsche gestellt, weil man uns auch gesagt hatte: "Man kann da nicht einfach so etwas ändern!" (lacht)

Iwata:

Ich verstehe.

Miyamoto:

Da die Erklärungen wissenschaftlich aufgebaut waren, hätten wir immer Experten in den jeweiligen Gebieten zu Rate ziehen müssen, um alle Änderungen, die wir machen wollten, noch einmal zu überprüfen. Aber für die Download-Version, die wir in Japan kostenpflichtig anbieten, haben wir die Freigabe erhalten, einige der japanischen Erklärungen anzupassen, die nur in der Download-Version auftauchen.

Iwata:

Übrigens: Wie haben Sie denn die 3D-Scans durchgeführt, die für die 3D-Fotos der Statuen verwendet worden sind?

Iwata Asks
Miyamoto:

Es gibt verschiedene Arten von Scannern. Die einfachste Möglichkeit, die die neueste verfügbare Technologie nutzt, war die Verwendung eines tragbaren Scanners, den man in den Händen halten und zum Scannen benutzen kann. Bei den größeren Statuen haben wir Trittleitern benutzt und die Statuen direkt von oben gescannt. Dann haben wir die 3D-Modelle mit unseren Texturen versehen, so dass sie genauso aussehen wie die Originale. Die 3D-Designer hatten die Aufgabe, die 3D-Modelle exakt so aussehen zu lassen wie die Fotos der realen Statuen.

Iwata:

Aber es gab mit Sicherheit auch einige Werke, die schwierig zu fotografieren waren, oder? Wenn man Dinge z. B. nicht bewegen oder aus ihren Glaskästen entfernen konnte ...

Miyamoto:

Das ist richtig. Wir konnten die Objekte in Glaskästen nur fotografieren, wenn wir die Kästen auch öffnen konnten, aber das ist oft gar nicht so einfach, weil die Glaskästen z. B. auch die Luftfeuchtigkeit regulieren, um die Werke darin zu erhalten und zu schützen.

Iwata:

Und man will ja auch nicht aus Versehen irgendeinen Schaden anrichten.

Miyamoto:

Dasselbe gilt für die größeren Statuen - man will auf jeden Fall vermeiden, dass dabei Unfälle passieren. Also haben wir in diesen Fällen eine lebensgroße Replik gescannt, die von dem Original abgegossen worden war, und die Details dann dem Original entsprechend nachbearbeitet.

Iwata:

Ah, ich verstehe.

Miyamoto:

Ja. Die Daten sind für die Verwendung in unserer Software gedacht, aber da es 3D-Modelle sind, könnten wir mit der richtigen Software-Anwendung auch andere Dinge umsetzen, wie z. B. die Statue eines Kriegers ihr Schwert schwingen lassen.

Iwata:

Wie? Die kann jetzt ihr Schwert schwingen?

Miyamoto:

Nein, das geht in unserer Software nicht. Ich hätte das natürlich gerne integriert, aber das hat man verständlicherweise abgelehnt. (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Wir hätten also sogar die Nike von Samothrake mit ihren Flügeln schlagen lassen können. Wir haben auch immer noch die Daten, um so etwas umzusetzen; wenn wir also doch irgendwann die Zustimmung des Louvre erhalten würden ...

Iwata:

Wenn man so weit gehen würde, wäre das ja schon wie in einem Hollywood-Film.

Miyamoto:

Ich würde sehr gerne irgendwann an solchen Animationen arbeiten.

Iwata:

Das ist also Ihr neues Ziel! (lacht)

Miyamoto:

Ich habe aber wirklich viele. Es gibt z. B. auch viele Theorien über die fehlenden Arme der Venus von Milo23, nicht wahr? Ich habe gesagt: "Die sollten wir alle umsetzen", aber man antwortete mir: "Nein, das geht nicht, weil wir keine schlüssigen Beweise dafür haben, wie die Arme wirklich ausgesehen haben." Ich hätte es wirklich gerne so gemacht, dass man einen Knopf drücken kann, und dann die Arme dazu angezeigt werden.23. Venus von Milo: Eine Frauenstatue aus der griechischen Antike. Es gibt viele Theorien über ihre fehlenden Arme. Eine bekannte Theorie besagt, dass sie einen Apfel in der Hand gehalten hat, und eine entsprechende Rekonstruktion hat große Verbreitung gefunden. Andere Theorien besagen, dass sie eine Krone, einen Schild oder einen Spiegel gehalten hat.

Iwata:

"Es gibt da diese Theorie, und die, und auch noch eine andere." (lacht)

Miyamoto:

Es gibt viele solche Dinge, die ich wirklich lustig finden würde, aber es war ein Balanceakt zwischen der Bewahrung und Erhaltung der Kultur, und den Unterhaltungselementen; am Ende hat der Louvre dann einfach nicht zugestimmt. Aber ich hätte mir schon gewünscht, das Ganze auf die nächste Stufe zu bringen, und das ist mein nächstes Ziel. Ich möchte, dass wir bei den Leuten Interesse wecken, die die Chance auf einen Louvre-Besuch haben.

Iwata:

Ich persönlich würde auch gerne all diese Dinge sehen, die Sie gerade erwähnt haben.

Miyamoto:

Ja, nicht wahr? Wenn ich vor dem Krieger stehen würde, würde ich es toll finden, wenn er seinen Blick auf mich richten würde. Ich würde es fantastisch finden, wenn er sich bewegen könnte. Aber solange wir die Daten haben, können wir das ja einfach noch machen.

Iwata:

Ähm, nein, das geht wirklich nicht so einfach! (lacht)

Miyamoto:

Ich mache ja nur Spaß! (lacht)