2. Zwei Sensoren im Zusammenspiel

Iwata:

Wir haben also gehört, dass der Gyrosensor über seine Eigenarten verfügt, aber vielleicht können Sie uns etwas genauer erzählen, was die Arbeit mit dem Gerät denn so schwer macht?

Takamoto:

Wie wir bereits erwähnt haben, kann das Gerät Rotationen und Drehungen erfassen. Wenn das Gerät die Reichweite übersteigt, in der diese Erfassung funktioniert, kann man sich manchmal nicht sicher sein, dass die empfangenen Daten zuverlässig sind.

Iwata:

Das heißt also, wenn man die Wii-Fernbedienung in einer großen, ausschweifenden Bewegung schwenkt, könnte das die Reichweite des Sensors, in der dieser die Bewegung erfassen kann, übersteigen. Die Bewegung würde dann nicht im Spiel widergespiegelt werden.

Takamoto:

Genauso ist es.

Iwata:

Dann lassen wir uns mal von Ito-san, der für die elektrischen Schaltkreise verantwortlich war, erklären, wie Sie dieses Problem in den Griff bekommen haben.

Ito:

Sehr gerne. Wir haben die Empfindlichkeit des Gyrosensors für den Wii-Einsatz um das Fünffache eines normalen Werts erhöht. Dazu muss man wissen, dass die Gyrosensoren, die in Videokameras eingebaut werden, nur eine Drehung von circa 300 Grad pro Sekunde erfassen können, was ziemlich lahm ist...

Iwata Asks
Iwata:

Aber, 300 Grad pro Sekunde klingt für mich überhaupt nicht lahm! (lacht)

Ito:

Das mag sein, aber es gibt Personen, die unglaublich schnelle Bewegungen vollführen können, wenn sie Spiele spielen.

Iwata:

Sie meinen also, wenn der Sensor lediglich eine Drehung von 300 Grad pro Sekunde erfasst, könnte es zu Situationen kommen, in denen die Grenzen der Sensoren überschritten und jegliche darüber liegende Bewegungen nicht erfasst würden.

Ito:

Das stimmt. Genau deshalb haben wir den Sensor so entworfen, dass er Bewegungen von 1600 Grad pro Sekunde erfassen kann.

Iwata:

Das sind ja viereinhalb vollständige Drehungen. Wenn jemand seine Hand derartig bewegen will, muss er sich ganz schön anstrengen!

Ito:

Richtig. Dadurch haben wir sicherstellen können, dass schnelle Bewegungen erfasst werden. Dann mussten wir aber auch die Notwendigkeit besprechen, die langsamen Bewegungen genau zu erfassen.

Iwata:

Das klingt nach einem Widerspruch. Wenn man sicherstellen will, dass schnelle Bewegungen erfasst werden, kann man nur vermuten, dass die Empfindlichkeit beim Erfassen von langsamen Bewegungen abnehmen würde.

Ito:

Vermutungen alleine reichen uns eben nicht aus! (lacht) Jetzt aber im Ernst: Wir wollten wirklich nichts unversucht lassen, auch die langsamen Bewegungen hervorragend zu erfassen. Ota-san und ich haben uns immer wieder darüber unterhalten.

Ota:

Ja, man kann wohl sagen, wir haben die eine oder andere Unterhaltung darüber geführt...

Iwata Asks
Iwata:

Und, Ota-san, wie haben Sie das Problem denn gelöst?

Ota:

Wir haben in den Sensor zwei Modi implementiert: Einen für schnelle und einen zweiten für langsame Bewegungen.

Iwata:

Wie sehen diese zwei Modi denn genau aus?

Ota:

Nun, da die Daten vom Sensor aus drahtlos übertragen werden, ist die Auflösung der Daten bereits festgelegt. Stellen wir uns mal vor, es gibt zehn Bandbreiten, auf denen Daten gesendet werden können. In Wirklichkeit gibt es natürlich viel mehr davon, aber wir nehmen diese als Beispiel, da es dann einfacher zu verstehen ist. Wenn Sie also zehn Bandbreiten haben, bedeutet das, Sie können nur Datensignale von null bis neun absenden.

Iwata:

Und sagen wir mal, die Datenauflösung ist auf zehn Bandbreiten ausgelegt... Dann können Sie sie nicht einfach so auf zwanzig erhöhen, nicht wahr?

Ota:

Stimmt genau - das ist nicht möglich. Nehmen wir die Geschwindigkeit eines Autos als Beispiel. Bei einem Auto, das mit einer Geschwindigkeit von bis zu zehn Stundenkilometern fahren kann, würden Daten über seine aktuelle Geschwindigkeit in Einheiten von einem Kilometer pro Stunde gesendet. Damit entspräche jede Bandbreite einem Kilometer pro Stunde. Wenn wir aber die Höchstgeschwindigkeit des Autos auf 100 Stundenkilometer erhöhen, würde jede Einheit zehn Kilometer pro Stunde betragen. Das wiederum würde bedeuten, dass wir nicht mehr in der Lage wären, niedrigere Geschwindigkeiten wie zwei oder drei Stundenkilometer zu erfassen.

Iwata:

Wenn Sie also die Einstellungen zum Messen von hohen Geschwindigkeiten auf 100 Stundenkilometer anpassen, werden die Daten in Abständen von zehn Kilometern pro Stunde gemessen.

Ota:

Korrekt. Deshalb haben wir in den Sensor zwei Modi integriert: Den Modus für niedrigere Geschwindigkeiten, bei dem Daten in zehn Bandbreiten gesendet werden, innerhalb einer Reichweite von bis zu zehn km/h, und den Modus für höhere Geschwindigkeiten, bei dem Daten ebenfalls in zehn Bandbreiten jedoch innerhalb einer Reichweite von 100 km/h gesendet werden.

Iwata:

Mit den zwei Modi haben Sie eine hohe Empfindlichkeit für kleinere Bewegungen sichergestellt, ohne die dynamischeren Bewegungen zu vernachlässigen.

Ota:

Das ist richtig.

Iwata:

So kann der Sensor also auch auf langsamere Bewegungen reagieren. Aber das war doch sicher nicht das einzige Problem, das die Arbeit am Gyrosensor so schwer gemacht hat, nicht wahr?

Iwata Asks
Ota:

Nein, da war noch mehr. Die Empfindlichkeit des Gyrosensors kann durch Änderungen in der Umgebungstemperatur negativ beeinflusst werden.

Takamoto:

Wir erinnern uns, das "M" in MEMS steht für "mechanisch".

Iwata:

Und weil es mechanisch ist, konnte es zu diesem Problem kommen.

Ota:

Wenn sich normalerweise etwas nicht bewegt, müssten die empfangen Daten null lauten. Im Falle des Gyrosensors werden, selbst wenn er perfekt ruhig liegt, nach einer Weile Daten von eins oder zwei erfasst.

Iwata:

Obwohl ihn niemand berührt hat, reagierte der Sensor so, als ob er in Bewegung wäre.

Ota:

Der technische Begriff für dieses Phänomen lautet "Temperaturdrift".

Iwata:

Wenn sich die Temperatur ändert, driftet der Punkt, der die Null definiert, außer Reichweite.

Ota:

Dabei ist Temperatur nicht der einzige Faktor: Feuchtigkeit oder plötzlicher Aufprall haben denselben Effekt. Wir haben daher über Wege diskutiert, wie wir unser Ziel erreichen könnten, dieses Problem zu vermeiden...

Iwata:

Aber ist das nicht...

Ota:

Unmöglich? Nicht ganz, es gibt eine Möglichkeit, das Problem zu umgehen. Sie müssen nur einen ganz separaten Sensor einbauen, der sozusagen den Nullpunkt justiert.

Takamoto:

Wir durften aber die Kosten nicht unnötig in die Höhe schrauben.

Ota:

Deshalb blieb uns nur die Option übrig, per Software zu versuchen, das Problem zu beheben. Wir haben eine Reihe von Lösungen ausprobiert - es war ein reines Ausschlussverfahren.

Iwata Asks
Iwata:

Das bedeutet: Sie hatten keine andere Wahl als sich eine Möglichkeit auszudenken, wie man erfassen kann, wann die Wii-Fernbedienung nicht bewegt wird.

Ota:

Und das Erste, das uns in den Sinn gekommen ist, war ein Beschleunigungsmesser. Wir glaubten, ihn nutzen zu können, um zu erfassen, ob der Controller bewegt wird oder nicht...

Iwata:

Lassen Sie mich raten: Es hat nicht funktioniert?

Ota:

Leider nein. Der Gyrosensor ist viel empfindlicher als der Beschleunigungsmesser. Das hatte zur Folge, dass es Situationen gab, in denen der Beschleunigungsmesser nichts erfasste, der Gyrosensor sich aber in Bewegung befand.

Iwata:

Das bringt dann nichts, stimmt's?

Ota:

Schließlich konnten wir den Gyrosensor dazu bringen, zu erkennen, wann er sich nicht bewegt.

Iwata:

Trotz Fluktuationen bei Temperatur und Luftfeuchtigkeit kann der Gyrosensor also korrekt funktionieren.

Ota:

Das stimmt. Wir haben dafür Software eingebaut, die das möglich machte.

Iwata:

Ota-san, während Sie sich also mit dem Gyrosensor abgemüht haben, entwickelten Sie noch das SDK - das Paket zur Entwicklung von Software. Welche neuen Möglichkeiten der Spielentwicklung haben sich Ihrer Meinung nach durch die Kombination des Beschleunigungsmessers mit dem Gyrosensor eröffnet? Ich würde gerne Ihre Meinung dazu hören. Schließlich waren Sie an der Entwicklung von zahlreichen Spielen beteiligt.

Iwata Asks
Ota:

Die größte Neuerung besteht meiner Meinung darin, dass Spieleentwickler mit Wii MotionPlus Einblick in die Gefühle eines Spielers bekommen.

Iwata:

Die Gefühle eines Spielers, wie meinen Sie das?

Ota:

Durch die Möglichkeit Drehungen zu erfassen, mussten Bewegungen der Wii-Fernbedienung in der Hand des Spielers und Bewegungen des Objekts auf dem Bildschirm in Echtzeit abgestimmt werden. Das ist etwas, wovon jeder Spielentwickler schon immer geträumt hat.

Iwata:

Das stimmt allerdings.

Ota:

Aber es war keineswegs einfach, das zu erreichen. Die Messungen, von denen wir es hier haben - also beispielsweise die Erweiterung der Reichweite in punkto Geschwindigkeitserfassung oder eine erhöhte Empfindlichkeit von langsamen Bewegungen - das alleine hätte nicht gereicht.

Iwata:

Es gab ja auch das Problem mit der Temperaturdrift.

Ota:

Da die Daten drahtlose übertragen werden, gab es da noch die Möglichkeit, dass manche davon verloren gehen. All das hätte bedeutet, dass die Bewegung der Wii-Fernbedienung nicht mehr mit dem entsprechenden Objekt auf dem Bildschirm abgestimmt wäre.

Iwata:

Wie haben Sie dieses Problem gelöst?

Ota:

Mit dem Gyrosensor alleine kamen wir zu keiner zufriedenstellenden Lösung des Problems. Der Beschleunigungsmesser stellte sich aber als sehr hilfreich heraus.

Iwata:

Es war also etwas, das weder vom Beschleunigungsmesser noch vom Gyrosensor alleine behoben werden konnte. Nur durch die Kombination beider Sensoren waren Sie in der Lage, die gewünschten Resultate zu erzielen – nämlich dem Spieler das Gefühl zu geben, realistische Bewegungen durchzuführen.

Ota:

Das ist genau richtig.