Interview
MARTIN FILIPP: ENTWICKLER & PR MANAGER, DEEP SILVER
Martin Filipp ist Entwickler und Public Relations Manager bei Deep Silver – den Entwicklern des Survival-Horrorspiels "Cursed Mountain". Wir haben uns mit Mr. Filipp auf der E3 Expo in Los Angeles getroffen, um alles Wissenswerte über Horror zu besprechen und aufregende Details zum Spiel zu erfahren...
Schildern Sie unseren Lesern bitte grob die Handlung von "Cursed Mountain"?
In "Cursed Mountain" geht es um zwei Brüder, der jüngere Frank wird nach einer Expedition im Himalaya vermisst und sein älterer Bruder Eric wird von Edward Bennett angerufen, dem Mann, dem Organisator der ersten Expedition, um Frank suchen zu helfen. Der ältere Bruder reist also in die Region, über der ein bestimmter Berg namens Chomolonzo ragt, und versucht herauszufinden, was seinem kleinen Bruder zugestoßen ist... so beginnt die Story.
Was war das Ziel von Franks ursprünglichen Expedition?
Der jüngere Bruder wurde auf eine Expedition geschickt, um ein antikes Artefakt zu bergen, das auch in der echten Welt existiert – es heißt das “Terma”. Es ist ganz einfach eine Zeitkapsel, die in dieser Region vor rund 1 500 Jahren vom Gründer des Buddhismus, Siddhartha Gautama, gebaut wurde. All das sind echte Fakten. Die Zeitkapseln enthalten Informationen über Gebete, tägliche Abläufe aber auch eine bestimmte Weisheit, die ans Tageslicht tritt, wenn die Weisheit benötigt wird. Sogar noch heute, werden diese Zeitkapseln alle 100 bis 150 Jahre gefunden. Dank moderner Wissenschaft konnte man belegen, dass dies alles stimmt – die Text in Inneren sind über 1 000 Jahre alt, obwohl sich niemand erklären kann, warum sie auftauchen. Der Buddhismus erklärt uns, dass diese Informationen von buddhistischen Gelehrten vergraben wurden und dass, wenn die Weisheit benötigt wird, Menschen Visionen haben, wonach sie diese Kapseln unbedingt finden müssen.
Im Spiel passiert Folgendes: Eine nicht heilige Person, für die die Kapsel nicht bestimmt war, findet sie und missbraucht sie für die falschen Zwecke. Da unser Spiel "Cursed Mountain" heißt, passiert natürlich etwas Furchtbares und ein Fluch breitet sich aus. Zu Beginn verfügt der Spieler nur über spärliche Informationen, doch nach und nach entwickelt sich die Geschichte und am Ende, wenn er den Gipfel des Berges erreicht hat, erfährt er, was geschehen ist, und sieht hoffentlich auch seinen Bruder lebend wieder.
Das klingt nach einer sehr komplizierten Story und Thematik für ein Horrorspiel. Als was bezeichnen Sie das Spiel selbst?
Wir nennen es ein Survival-Horrorspiel. Ein großer Unterschied zu anderen Horrorspielen besteht darin, dass die Spielwelt hauptsächlich im Freien liegt. Wir haben zwar auch Level, die im Inneren von Gebäuden gespielt werden, aber normalerweise verfügen Horrorspiele über eine klaustrophobische Atmosphäre. Wir spielen im freien Raum. Obwohl unser Spiel auf Levels basiert, ist die gesamte Spielwelt in der Grafik-Engine und im Speicher die gesamte Zeit über abgelegt. Wir versuchen eine Atmosphäre der Weite und des wunderschönen Panoramas des Himalaya über das gesamte Spiel hinweg aufzubauen. Unserer Meinung nach ist es etwas Besonderes, dass diese Landschaft auf der Wii-Konsole ständig zum Greifen nahe ist. So sieht man den Berg von Anfang an vor sich. Das Ziel, die Motivation steht stets vor Ihnen. Gleichzeitig ist es aber auch eine Bedrohung. Als Österreicher kann ich Ihnen nur bestätigen, die Berge, alles, was damit zu tun hat, ist auch eine Gefahr.
Jeder Schritt auf diesem Berg könnte Ihr letzter sein. Sie müssen wirklich vorsichtig sein und wir nutzen diese Spannung entsprechend – es gibt Lawinen und Schneestürme, die Sie wegfegen können. Wenn Sie sich dem Gipfel nähern, ist der Wind so stark und die Kälte so beißend, dass Sie sich Schutz suchen müssen und beispielsweise hinter einem Felsen verstecken müssen, bis der eisige Wind nachlässt. Es könnte Ihnen passieren, dass Sie an manchen Stellen schneeblind werden, sich aber ohne etwas zu sehen trotzdem nach oben kämpfen müssen. Das heißt, neben den Gegnern und Geistern, auf die der Spieler trifft, ist das Klettern eine weitere Gefahr. Das versuchen wir im Spiel zu vermitteln.
Wir müssen jetzt also keine Zombies im traditionellen Sinne eine Survival-Horrorspiels erwarten?
Nein, und es gibt eine perfekte Erklärung dafür, warum wir traditionelle Zombies nicht im Spiel haben. Der Himalaya befindet sich in einer Höhenlage, in der das ganze Jahr über Dauerfrost herrscht. Man kann also keine Gräber graben. Keine Gräber heißt auch, dass keine Körper oder Zombies aus den Gräbern klettern können. Dies ist eine normale, einfache Erklärung, die auf den Fakten der Realität basiert.
Dann gibt es noch das “Bardo”. Das Spiel heißt nicht umsonst "Cursed Mountain", also geht es auch um einen Fluch, der von einer Göttin auferlegt wird. Der Fluch betrifft alle toten Seelen und versetzt sie in einen Zwischenzustand, der auch als das "Bardo" bezeichnet wird.. Dieses "Bardo" wird auch Schattenwelt genannt und steckt voller böser Seelen. Sie als Spieler müssen bestimmte Tests durchführen. Diese Tests bestimmen, ob eine Seele Erleuchtung erlangt hat und ins Nirvana wandern darf, oder ob sie einen weiteren Lebenszyklus auf der Erde durchleben muss.
Wir nutzen die Schattenwelt als Spielmechanismus, in dem bestimmte Dinge aufgedeckt werden, die dem Spieler normalerweise verborgen sind. Das bringt uns zu einem sehr wichtigen Punkt: Der Protagonist kann durch das "Bardo", die Schattenwelt, blicken. Im ersten Level bringt ein Mönch dem Spieler bei, sein "Drittes Auge" zu öffnen, mit dem er in die Schattenwelt hineinblicken kann. Er betritt sie nicht, er wirft nur einen Blick hinein. Der Spieler erhält dabei ein audiovisuelles Feedback, der Bildschirm verändert sich, dunkle Wolken ziehen auf, seltsame Partikel, die das "Bardo" repräsentieren, fliegen umher. Der Spieler atmet bei dieser für ihn ungewöhnlichen Erfahrung schwer. In diesem Zustand kann er verborgene Gegenstände und Ort erkennen, die ihm normalerweise entgehen würde, wie beispielsweise Türen.
Eric, der Protagonist, beginnt also sein Abenteuer ohne Kenntnisse der tibetischen Kultur und lernt langsam die andere Welt kennen – das "Bardo"?
Genau, wir spielen in diesen zwei Welten. Der Gedanke dahinter ist, wir wollen einen westlichen Typen, der sich mit der östlichen Kultur nicht auskennt und die ihm unheimlich ist. Er ist zwar abergläubisch, aber er ist ein bodenständiger Kerl, dem all diese seltsamen Dinge widerfahren – er sieht Geister und Seelen – und er ist sich nicht sicher, ob all das real ist oder Halluzinationen sind, die man mit Sauerstoffmangel und Höhenkrankheit erklären könnte. Wir spielen damit auch – lassen den Spieler absichtlich länger im Unklaren darüber – damit er sich nicht sicher ist, ob es Teil der echten Story ist oder ob das nur passiert, weil er halluziniert. Als Stilmittel nutzen wir den Monolog, die Figur spricht sehr viel mit sich selbst, und gibt dem Spieler so Information, lässt ihn beispielsweise wissen, was er über seinen Bruder herausgefunden hat.
Im Spiel geht es um die Erforschung der Umgebung und ums Kämpf. Können Sie uns schildern, was den Spieler erwartet, wenn er durch die Level spielt?
Es gibt ein Gleichgewicht zwischen der Erforschung – Dinge suchen, Rätsel lösen und Gegenstände aufsammeln, um in den Levels voranzukommen – und den Kampfszenen. Das Kämpfen wird in Nahkampf und Kampf auf Distanz unterteilt. Wir sind aber sehr vorsichtig mit dem Umgang mit dem Wort Angriff, weil wir sehr stolz darauf sind, dass wir keine traditionelle Waffe im Spiel haben. Der Spieler ist nicht der typische Zombieschlächter, der sich durch Blut und Eingeweide kämpft. In unserem Fall basieren die Hauptangriffe Gebeten, oder "Mandalas", die mit Handgesten ausgeführt werden. Das ist auch der Grund, warum wir uns für die Wii-Konsole konzentrieren. Als wir nämlich vor über zwei Jahren die Arbeit an dem Spiel aufgenommen haben, stellte Nintendo der Industrie gerade seinen neuen Controller vor. Wir hatten dieses Konzept und als wir den Buddhismus recherchiert haben, dachten wir uns, das wäre die perfekte Lösung für ein neues Spiel ohne Kettensäge oder Schrotflinte. Man führt also Gesten mit beiden Armen aus, in denen man die Controller der Wii-Konsole hält. Es ist etwas ganz Besonderes.
Wenn man ein Horrorspiel mit einem herkömmlichen Controller spielt, sitzt man nur vor dem Fernseher und hat, im Idealfall, Angst. Aber mit dem Controller in der Hand ist alles sehr statisch. In "Cursed Mountain" dagegen müssen Sie Gesten mit beiden Armen ausführen, Sie müssen der Angst also direkt entgegentreten. Wir hoffen, dass wir damit den Spielen noch näher ans Spielgeschehen ziehen. Das war eine der ersten Ideen, auf die sich unser Producer bei diesem Titel konzentriert hat.
Die Level selbst sind ziemlich groß. Sie beginnen Ihr Abenteuer zum Beispiel in einer Stadt in einem Tal, von wo aus ein Pfad auf den Berg führt. Wenn Sie das Spiel noch nicht gespielt haben, benötigen Sie eine oder zwei Stunden, um diesen Level durchzuspielen. Selbst, wenn Sie es schon kennen und schnell durchkommen wollen, benötigen Sie etwa 40 Minuten. Wir haben also diese riesigen Levels, und in der Stadt müssen Sie zum Beispiel einen bestimmten Gegenstand finden, um eine Tür zu öffnen, die mit einem magischen Siegel verschlossen ist... Sie müssen also erst herausfinden, wo sich der Schlüssel befindet, ihn holen und zu dieser Tür bringen.
Welche anderen besonderen Anwendungsmöglichkeiten haben Sie für die Wii-Fernbedienung und das Nunchuk gefunden? Können Sie uns ein paar Beispiele nennen?
Da hätten wir zum Bespiel die Taschenlampe. Wenn man sein "Drittes Auge" öffnet, sucht man den Bildschirm wie mit einer Taschenlampe ab. Eine Anwendungsmöglichkeit ist also, die Erforschung und das Suchen nach Gegenständen. Sie verwenden den Controller in diesem Modus aber auch, um auf Gegner zu zielen. Wenn Sie die Gesundheit eines Gegners auf einen bestimmten Punkt reduzieren, können Sie eine Art Finishing-Move einsetzen. Eigentlich mögen wir diesen Ausdruck nicht, denn es handelt sich um ein Gebet, bei dem die Seele befreit wird, Sie haben dann also etwas Gutes getan. Sie befreien Seele von ihrem Zustand im "Bardo", damit sie ihren Weg fortführen können, das ist sicher positiv. Und Sie gehören zu den Guten, Sie töten niemanden.
Es gibt aber auch eine Szene, in der Sie ein Walkie-Talkie finden, aber es ist kaputt und funktioniert nur in eine Richtung. Dieser Level findet in einer riesigen Gletscherspalte statt, die eigentlich ein Labyrinth darstellt, und wo Sie von einem Level-Boss hineingeworfen werden. Sie kommen dort zu sich und müssen einen Weg heraus finden. Dann stoßen Sie auf einen toten Bergsteiger, der ein Funkgerät bei sich hat, also schnappen Sie es sich und hören eine Stimme daraus, der Sie über den Lautsprecher der Wii-Fernbedienung aus dem Labyrinth führt. Er gibt Ihnen den Weg durch: Gegen Sie links, rechts usw. Nur, Sie wissen nicht, wer das ist. Es ist also ein Teil des Rätsels. Wir unterstützten also den Lautsprecher der Wii-Fernbedienung . Da dieses Spiel exklusiv für die Wii-Konsole erscheint, versuchen wir das Beste aus dem zu machen, was uns die Wii-Konsole bietet – Balancespiele, Laufen, Klettern mit Eispickeln...
Eine weitere Coole Komponente ist das Meditieren, bei dem Sie sich sehr entspannen müssen, um tranceartig das "Bardo" zu betreten. Wir haben hierfür so ein Rhythmusspiel entwickelt, das mit der Wii-Fernbedienung und dem Nunchuk gespielt wird, bei dem Sie Trommeln und eine Glocke hören und diese Rhythmen mit den Controllern nachspielen müssen. Das ist richtig cool.
Wir sind es gewohnt, dass viele Spielhelden Amerikaner sind, haben aber festgestellt, dass Sie sich in "Cursed Mountain" für einen schottischen Protagonisten entschieden haben. Gibt es dafür einen besonderen Grund?
Nun ja, als Entwicklungsstudio glauben wir absolut an neue Settings und Themen. Wir wollen zwar das Rad nicht neu erfinden, aber wir wollen den Spielern dennoch neue Themen und Bereiche vorstellen. Der Himalaya, Bergsteigen, Buddhismus und die altertümliche religiöse Thematik waren so etwas, außerdem wollten wir für unsere Figuren neue Stimmen haben. Das ist einer der Gründe, warum wir uns für den schottischen Schauspieler entschieden haben, insbesondere hier in den Staaten. Es gibt über zwei- oder dreihundert professionelle Spreche in der Industrie und sie kommen bei vielen Spielen zum Einsatz. Wir wollten das aber überhaupt nicht. Die ganze Arbeit fand in London, im Studio, statt und es waren englische und schottische Schauspieler am Spiel beteiligt. Es ist ein etwas anderer Ansatz und eine frisches Setting, einzigartig und nicht das Übliche.
Trifft man auf viele andere Figuren oder ist es eine sehr einsame Spielerfahrung?
Es gibt eine Reihe von menschlichen Figuren, auf die Sie treffen, die für die Story wichtig sind. Leute aus dem Westen und aus der Region, wie etwa Mönche oder der Abt des Klosters. Diese Figuren tragen zur Story bei. Sie begegnen aber auch Geistern und Seelen.
Eine andere wichtige Sache ist: Das Abenteuer findet in den 80ern statt. Wenn man im heutigen Bergsteigen auf einem 6 000er stecken bleibt, ist das zwar immer noch eine furchteinflößende Erfahrung. In den 80ern, als man nur ein Funkgerät bei sich hatte, war das viel wilder und beängstigender. Selbst wenn man viel Geld hatte, konnte man das nicht einfach so tun. Und um nochmal auf die schottischen Figuren zu sprechen zu kommen: In den 80ern gehörten Schotten unter anderem zu den besten Bergsteigern. Ich glaube, das trägt zur Spielatmosphäre bei. Es gibt kein Sicherheitsnetz, keine Satellitentelefone, kein GPS. Die Leute wollten nur die Natur, die Umwelt, das Bergsteigen erleben... Heute kannst du ein Gesamtpaket bei einem Veranstalter buchen. Wenn Sie genug Geld haben, trägt man Sie den ganzen Weg auf den Mount Everest hoch.
Sie haben offensichtlich sehr viel Recherche betrieben, damit der Spieler auch wirklich eine authentische Spielerfahrung erlebt. Wodurch wurden Sie inspiriert, als Sie die Idee für diese Geschichte hatten?
Wenn man sich den antiken und religiösen Hintergrund ansieht, wird schnell klar, dass viele japanische Spiele eine Inspiration waren. Einen Weg zu finden, westliche Spieler an dieses Thema heranzuführen, kann eine große Herausforderung sein. Es gibt natürlich einige große Fans von japanischen Spielen, aber wir hatten vor, das Thema einem breiten westlichen Publikum schmackhaft zu machen. Dann gibt es da noch viele Filme über Buddhisten und den Dalai Lama. Der deutsche Regisseur Wim Wenders hat einige hervorragende Dokumentarfilme über das Thema gedreht. Die Dokumentation über das Bergsteigen "Sturz ins Leere" war ebenfalls eine große Inspiration. Auch Reinhold Messner, der italienische Bergsteiger, der als erster den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff bestiegen hat, hat uns inspiriert. Er hat seinen Bruder vor 15 Jahren bei einer Expedition verloren, Sie sehen also, die Bruderthematik war uns sehr wichtig.
Wie bereits erwähnt basiert der buddhistische Hintergrund auf echten Fakten, wenn also jemand mehr darüber erfahren möchte, kann er das gerne tun – das haben wir auch getan. Die Philosophie unseres Studios lautet: Das echte Leben liefert so viele Themen für Spielideen, wir müssen uns nichts aus den Fingern saugen. Zusätzlich wird das Spiel authentischer und glaubwürdiger, wenn man weiß, es basiert auf Fakten und nicht auf Fiktion.
Vielen Dank, dass Sie sich für das Gespräch Zeit genommen haben!