1. Ausprobieren geht über alles!

 

(Anmerkung der Redaktion: Die Video-Screenshots in diesem Interview stammen aus der japanischen Version des Spiels.)

Iwata:

Heute treffe ich mich mit Mitarbeitern von GAME FREAK1, die uns etwas über die Entwicklung von HarmoKnight erzählen werden, ein Spiel, das jetzt im Nintendo eShop zum Download bereit steht. Ich werde sie fragen, woher die Idee für das Spiel kam und was sie ihren Fans mitteilen möchten. Vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit für mich genommen haben.1. GAME FREAK inc.: Ein 1989 gegründetes Videospielunternehmen. Am bekanntesten ist das Unternehmen für die Entwicklung der Pokémon-Spiele.

Alle:

Danke.

Iwata:

Dürfte ich Sie einleitend bitten, sich und Ihre Rolle bei dem Projekt kurz vorzustellen? Beginnen wir mit Ihnen, Ohmori-san.

Ohmori:

Ich heiße Shigeru Ohmori und war für die Planung von HarmoKnight verantwortlich.

Iwata Asks
Iwata:

Waren Sie als Planer derjenige, der den Ball ins Rollen gebracht und die Richtung für das Spiel vorgegeben hat?

Ohmori:

Nein, die ursprüngliche Idee für das Spiel stammt von James. Ich bin erst später zum Projekt dazu gestoßen. Wir haben uns zusammengesetzt und überlegt, wie wir das Spiel so unterhaltsam wie möglich gestalten konnten, und die Entwicklung hat von da an ihren Lauf genommen.

Iwata:

Verstehe. Kommen wir jetzt zu James, dem Schöpfer des ursprünglichen Konzepts für das Projekt.

Turner:

Ich heiße James Turner, und ich habe das Projekt geleitet. Die Idee zu dem Spiel kam mir vor circa anderthalb Jahren.

Iwata Asks
Iwata:

Sie stammen ursprünglich aus England, nicht wahr?

Turner:

Stimmt.

Iwata:

Wie lange leben Sie schon in Japan?

Turner:

Ich bin schon eine ganze Weile hier. In diesem Jahr sind es zehn Jahre.

Iwata:

Und seit wann arbeiten Sie bei GAME FREAK?

Turner:

Bei GAME FREAK arbeite ich seit drei Jahren.

Iwata:

Sie sprechen wirklich ausgezeichnet Japanisch! Ich wünschte, mein Englisch wäre genau so gut! (lacht)

Alle:

(lachen)

Turner:

Ich glaube, ich habe noch einen weiten Weg vor mir! (lacht)

Iwata:

Für die Leitung eines Projekts muss man in der Lage sein, seinen Mitarbeitern auch nuancierte Aspekte mitzuteilen. Hatten Sie manchmal Schwierigkeiten, sich auszudrücken, wenn Sie nicht in Ihrer Muttersprache kommuniziert haben?

Turner:

Doch, schon. Ursprünglich habe ich jedoch als Designer gearbeitet ...

Iwata:

Ach so, da konnten Sie dann einfach Zeichnungen anfertigen, um Dinge zu erläutern?

Turner:

Genau. Wenn ich Schwierigkeiten hatte, eine Idee sprachlich auszudrücken, habe ich oft Skizzen angefertigt, um Dinge visuell zu erklären.

Iwata:

Ich muss sagen, ich bin ziemlich neidisch auf Ihre Fähigkeit, die Sprachbarriere bildlich zu überwinden. Machen wir nun mit Ihnen weiter, Masuda-san.

Masuda:

Ich heiße Junichi Masuda und habe als Produzent an diesem Projekt mitgewirkt. Dieses Spiel stammt aus einem recht besonderen Umfeld. Wir mussten dabei anders vorgehen, als wir es bei GAME FREAK gewohnt waren.

Iwata Asks
Iwata:

Würden Sie mir das vielleicht etwas näher erläutern?

Masuda:

Wir hatten bei GAME FREAK durchaus schon Originalspiele wie Drill Dozer2 entwickelt, doch in der Vergangenheit hatten wir ziemliche Probleme, neue Projekte zum Laufen zu bringen.2. Drill Dozer: Ein Action-Jump 'n' Run-Spiel, das von GAME FREAK entwickelt und von Nintendo für Game Boy Advance herausgebracht wurde. Im September 2005 kam es in Japan auf den Markt und im Februar 2006 in den USA. In Europa ist es jedoch nie erschienen.

Iwata:

Na ja, außerdem sind Sie dem Erwartungsdruck durch die Pokémon-Fans ausgesetzt, die von Ihnen weitere Spiele aus dieser Serie erwarten.

Masuda:

Ja, und es ist uns auch extrem wichtig, die Erwartungen unserer Fans zu erfüllen. Wir können Pokémon nicht wirklich in der Ecke verstauben lassen, während wir an anderen Spielen arbeiten! (lacht)

Iwata:

(lacht)

Masuda:

Deshalb haben wir beschlossen, die interne Struktur des Unternehmens zu ändern, um neue Projekte in Angriff nehmen zu können, ohne Pokémon zu vernachlässigen. Unsere neue Struktur erlaubt es uns, einen Projektantrag zu schreiben, wenn wir eine Idee für ein neues Spiel haben. Wenn man zwei Mitarbeiter findet, die einen unterstützen, bekommt man drei Monate Zeit für die Umsetzung.

Iwata:

Verstehe. Sie haben also bestimmte Regeln aufgestellt, ähnlich des „20 percent time“3-Konzepts von Google? Darf sich jeder Ihrer Mitarbeiter Gedanken über neue Spiele machen?3. „20 percent time“: Google gesteht seinen Entwicklern 20 Prozent ihrer Arbeitszeit als kreativen Spielraum für eigene Projekte zu.

Masuda:

Ja. Jeder, der möchte, kann an der Entwicklung eines neuen Spiels arbeiten, sofern er zwei seiner Kollegen überzeugen kann, bei seinem Projekt mitzumachen. Nach drei Monaten schauen wir uns dann an, wie weit das Spiel gediehen ist.

Iwata:

Sie prüfen also, ob es sich lohnt, das Projekt weiter zu verfolgen?

Masuda:

Genau. Wenn wir finden, dass es sich lohnt, geben wir dem Team noch einmal drei Monate Zeit, an dem Spiel zu arbeiten. Sechs Monate, nachdem die Arbeit an einem Spiel begonnen hat, entscheidet die Geschäftsleitung, ob das Spiel in ein vollwertiges Projekt umgewandelt wird. HarmoKnight ist das erste Ergebnis dieses neuen Systems. Es ermutigt die Mitarbeiter, ihre Ideen zu verfolgen und auszuprobieren.

Iwata:

Verstehe. Als Sie und ich damals in der Spieleentwicklung angefangen haben, hatten wir eine ähnliche Haltung: „Ausprobieren geht über alles!“ So fingen die Projekte damals an.

Iwata Asks
Masuda:

Ganz genau. Damals begannen Spiele noch als winzige Projekte. Oft spielte man einfach mit einer Idee, die sich amüsant anhörte, und dann entschloss man sich, sie weiter zu verfolgen und in ein Spiel zu verwandeln.

Iwata:

Als ich damals in der Spieleentwicklung anfing, wurde erwartet, dass einem alle drei Monate ein neues Spiel einfällt. Heutzutage wäre so etwas undenkbar! (lacht)

Masuda:

Stimmt! (lacht Doch es macht total Spaß, seine eigene Idee mit einer Handvoll von Leuten in ein Spiel zu verwandeln.

Iwata:

Absolut! (lacht)

Masuda:

Aufgrund des enormen Umfangs der Pokémon-Projekte, an denen wir heute arbeiten, kann man bei den Entwicklern die Tendenz beobachten, dass sie sich nur noch auf den Bereich konzentrieren, für den sie zuständig sind. So etwas lässt sich schwer vermeiden. Doch in der guten alten Zeit waren die Teams noch klein, und jeder war an diversen Aspekten des Projekts beteiligt. Es war schwierig, unseren Mitarbeitern die Bedeutung dieses Ansatzes nahezubringen. Daher beschlossen wir, sie sollten es einfach selbst ausprobierten, und haben unser System entsprechend geändert. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter nicht mehr einfach auf Anweisungen warten, sondern proaktiv eigene Ideen beisteuern. Das hat positive Auswirkungen, da sich unsere Mitarbeiter normalerweise stärker auf ihre Arbeit konzentrieren.

Iwata:

Ich nehme also an, dass die Erfahrungen, die Ihre Mitarbeiter im Rahmen ihrer eigenen Projekte sammeln, künftigen Pokémon-Spielen zugute kommen werden?

Masuda:

Ganz genau.

Iwata:

Was war also Ihre erste Idee, James?

Turner:

Also, im Hinblick auf Spieldesign und Spielsystem mag ich es einfach. Daher wollte ich zunächst ein ganz einfaches Action-Jump 'n' Run-Spiel entwickeln. Ich habe überlegt, wie man es so einfach wie möglich halten könnte, und ich fand, dass ein Spiel auch für Leute ohne viel Erfahrung mit Videospielen attraktiv wäre, wenn sich die Steuerung auf eine einzige Taste beschränkt. Das war eine echte Herausforderung.

Iwata:

Ursprünglich hatten Sie also gar nicht vor, ein Rhythmusspiel zu machen?

Turner:

Nein. Je mehr ich jedoch darüber nachdachte, desto interessanter erschien es mir, ein einfaches Jump 'n' Run-Spiel zu entwickeln, das gleichzeitig ein Rhythmusspiel ist. Mein ursprünglicher Plan für das Projekt bestand darin, ein Rhythmus-Jump 'n' Run-Spiel zu machen, bei dem nur der A- und B-Knopf verwendet werden.

Masuda:

Der ursprüngliche Spielentwurf* hatte das Format eines Comics mit Bildern, aus denen hervorging, um was für eine Art Spiel es sich handelte. ( Seite 1 , Seite 2 , Seite 3 , Seite 4 , Seite 5 , Seite 6 ).



*Dies ist ein Entwurfsdokument. Es verweist auf Funktionen, die nicht in die finale Version des Spiels aufgenommen wurden.

Turner:

Stimmt.

Masuda:

Einfach nur eine Beschreibung eines Spiels zu lesen, das mit nur einer Taste gesteuert wird, ist ziemlich verwirrend, doch mit Bildern ließ sich das Konzept viel leichter darstellen. Und jeder, der es sah, fand, es sähe nach einem unterhaltsamen Spiel aus. Die Zeichnungen aus der Entwurfsphase waren zudem sehr eindrucksvoll und sind denen, die sie gesehen haben, im Gedächtnis haften geblieben. Sobald die Mitarbeiter das Konzept verstanden hatten, blieben sie ihm bis zum Ende treu.

Ohmori:

Stimmt. Vom übergeordneten Konzept einer einfachen Steuerung sind wir nie abgewichen.

Turner:

Am Ende haben wir uns jedoch entschieden, dass die Spieler den A-Knopf zum Schlagen und den B-Knopf zum Springen verwenden und gelegentlich auch das Steuerkreuz verwenden sollten.

Iwata:

Die Steuerung ist aber trotzdem noch sehr simpel.

Turner:

Zweifelsohne! (lacht)