Hinweis: Dieses Interview fand im Juni 2008 während der Entwicklungsphase von "Jam with the Band" in Japan statt.
Wenn ich darf, würde ich erst gerne eine Frage stellen.
Natürlich, nur zu.
Ich habe mich gefragt, warum wir diese 'Iwata fragt'-Sitzung überhaupt machen, weil "Jam with the Band" ja ein Spiel für den Nintendo DS* ist. *Hinweis: 'Iwata fragt: Jam with the Band' war das erste 'Iwata fragt'-Interview, das auf der japanischen Nintendo-Website veröffentlicht wurde, in dem es um ein Nintendo DS-Spiel geht.
Diese Version von "Jam with the Band" verwendet ein neues System, das es so bei Musik-Spielen bisher noch nicht gab. Ich dachte, dieses neue System lässt sich in einem TV-Spot von 15-30 Sekunden nicht so gut vermitteln, deshalb fand ich die Idee gut, bestimmte Elemente des Systems ausführlich vorzustellen, indem ich direkt mit drei Leuten spreche, die maßgeblich an der Entwicklung beteiligt waren. Das haben wir bei einem Nintendo DS-Titel bisher noch nie gemacht!Außerdem habe ich eine interessante persönliche Verbindung zu dieser Software...Aber stellen Sie sich doch bitte erst noch kurz vor.
Ich bin Ms. Kitamura aus dem 'Software Development & Design Department'. Ich war Art-Director bei "Daigasso! Band Brothers1" und bei diesem Spiel war ich Director. Aber das ist eigentlich nur ein Titel. 1"Daigasso! Band Brothers" ist eine Musik-Software, die zur Veröffentlichung des Nintendo DS im Dezember 2004 in Japan erschienen ist. Der gebräuchliche Titel ist "Band Brothers" und es war der Vorläufer von "Jam with the Band", wurde aber außerhalb von Japan nie veröffentlicht.
Nur ein Titel?
Unser Team war nicht in Gruppen wie 'Designer' oder 'Programmierer' aufgeteilt. Jedes Team-Mitglied hat Ideen beigesteuert, die in die Entwicklung des Spiels eingeflossen sind.
Aber normalerweise sagen die Leute, dass es auf die Art nicht gut geht! (lacht) In der kreativen Arbeitswelt soll das demokratische Mehrheits-Prinzip ja nicht gut funktionieren, und um ein Projekt erfolgreich abzuschließen, soll eine Person mit einer klaren Vorstellung die Führung der Mitarbeiter übernehmen, die dann gemeinsam Unterstützung leisten und den Plan umsetzen können. Warum haben Sie sich für so einen konträren Ansatz entschieden?
Jedes Team-Mitglied hatte eine Vorstellung davon, wie "Jam with the Band" am Ende aussehen sollte. Außerdem entstand diese Vorstellung schon beim ersten Schritt der Entwicklungsphase. Daher dachten wir, dass unsere Software interessanter werden würde, wenn wir uns alle einbringen und Ideen austauschen würden.
Ich hatte den Eindruck, dass im Team ein großer Zusammenhalt herrschte, und vielleicht ist der Grund dafür genau das, was Sie gerade beschrieben haben. Okay, jetzt sind Sie dran, Mr. Kitahara.
Ich bin Mr. Kitahara aus dem 'Software Development & Design Department'. Ich bin zur "Band Brothers"-Projektentwicklung gestoßen, als es in der zweiten Hälfte des gesamten Entwicklungsprozesses noch für Game Boy Advance geplant war. Ich war Programmierer bei "Band Brothers" und bei diesem Titel bin ich der Program-Director. Ich ziehe die Vorgaben in Betracht und denke darüber nach, ob sie sich bei der Software umsetzen lassen. Außerdem teile ich den anderen Programmierern die Vorgaben mit, ich bin also hauptsächlich eine Schnittstelle.
Wir sprechen später noch über die Game Boy-Version. Kommen wir erst zu unserer letzten Vorstellung für heute, Mr. Kyuma.
Ich bin Mr. Kyuma aus dem 'Software Planning & Development Department'. Ich wurde zum Sound-Director des Projekt-Teams ernannt. Zu meinen Hauptaufgaben gehört es, die Musik-Daten zu sammeln und eine Einschätzung darüber abzugeben, wie man das Audio-Element der Software noch benutzerfreundlicher machen kann.
Mr. Kyuma und Mr. Kitahara, Sie sind zur selben Zeit zu Nintendo gekommen, nicht wahr? Mr. Kitahara hat eben schon ganz kurz die Geschichte des Spiels angesprochen, aber die Planung für "Band Brothers" begann eigentlich schon in der Zeit des Game Boy Color2. Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit "Band Brothers", Ms. Kitamura? 2Der Game Boy Color war eine tragbare Spielkonsole mit Farbbildschirm. Er war ein Nachfolger des ersten Game Boy und wurde im Oktober 1998 veröffentlicht.
Bei mir ging es vor ungefähr 10 Jahren los, als ich noch jung und wild war. (lacht)
(lacht) "Band Brothers" hat eine lange Entwicklung hinter sich, seit es noch "Game Boy Music" hieß. Seitdem hat es vor der Veröffentlichung noch viele Veränderungen durchgemacht. Können Sie uns ein wenig über die Geschichte von "Band Brothers" erzählen, bevor es erschienen ist?
Es dauert bestimmt ein oder zwei Stunden, wenn ich mit der Geschichte anfange - und dann bin ich wahrscheinlich trotzdem noch nicht fertig! (lacht) Es ist eine wirklich lange Geschichte und sie steckt voller Wendungen, also versuche ich sie mal zusammenzufassen. Es fing alles damit an, dass ich einen neuen Charakter gezeichnet habe.
Sie meinen die Hauptfigur Barbara, oder? Ihre Hauptaufgabe war ja ursprünglich, das Handbuch und die Verpackung zu entwerfen (Artwork-Design), nicht wahr, Ms. Kitamura?
Genau. Ich habe mir Barbara in den Pausen bei der Arbeit ausgedacht. Aber nachdem ich sie entworfen hatte, gab es eine Phase, in der ich mich fragte, ob sie je in einem Spiel verwendet werden würde. Ich musste einfach abwarten, ob jemand deshalb auf mich zukommen würde.
Aber niemand wollte Barbara für ein Spiel benutzen?
Genau, deshalb dachte ich: "Wenn sie sonst keiner für ein Spiel will, dann können wir einfach selber eins machen." Zu der Zeit war gerade ein Sound-Chip entwickelt worden, der die Klänge von echten Instrumenten sehr gut nachahmen konnte, und wir wurden gefragt, ob wir eine Software entwickeln könnten, die den Chip einsetzen würde...
Die Musik in der Zeit des Game Boy Color war ziemlich primitive elektronische Musik, nicht wahr? Und dann haben Sie mit der Entwicklung des "Band Brothers"-Vorgängers "Game Boy Music" angefangen.
Aber während wir dabei langsam Fortschritte machten, wurde der Game Boy Advance3 entwickelt, und uns wurde klar, dass wir damit bessere Sound-Qualität erreichen könnten. 3Der Game Boy Advance war ein Nachfolger des Game Boy Color, mit dem vier Spieler zusammen im Netzwerk spielen konnten. Er erschien im März 2001.
Sie konnten auf einmal natürliche Klänge erzeugen, ohne auf einen speziellen Sound-Chip zuzugreifen. Aber die Entwicklung von "Game Boy Music" musste eingestellt werden, bevor Sie es fertig stellen konnten.
Wir hatten verschiedene Probleme, aber das größte Hindernis war die Tatsache, dass bei den Jam-Sessions (die man zusammen in der Gruppe spielte) jeder Spieler eine eigene Ausgabe der Software kaufen musste.
Es machte viel Spaß, die Jam-Sessions zu spielen, und ich fand es sehr unterhaltsam, mehreren Spielern dabei zuzusehen. Aber weil man keine Jam-Sessions zusammen spielen konnte, wenn nicht jeder eine Ausgabe der Software gekauft hatte, war es ziemlich umständlich. Obwohl die Entwicklung dann eingestellt worden war, haben Sie das Projekt aber nicht aufgegeben, oder?
Nein, hab ich nicht. Ich hatte ja noch immer meine Hauptaufgabe als Designer, und obwohl ich das Projekt einmal unter Tränen aufgegeben hatte, hab ich nie aufgehört daran zu denken, dass ich unbedingt Jam-Sessions für alle ermöglichen wollte.
Und da waren Sie nicht die Einzige. Anfang 2004 - das war das Jahr, in dem der Nintendo DS erschien - hatte ich die Gelegenheit, Einzelgespräche mit Nintendo-Entwicklern zu führen. Dabei merkte ich, wie wichtig es allen Leuten war, die an "Game Boy Music" gearbeitet hatten, die Software noch zu veröffentlichen. Es gab noch eine Sache, die mich vor der Einstellung der Entwicklung tief beeindruckt hatte. Ich erinnere mich, dass ich ein Video der Team-Mitglieder gesehen habe, in dem sie das Spiel während der Entwicklung gespielt haben. Wenn ein Lied zu Ende war, haben sie alle gefeiert und sich abgeklatscht.
Das machen die Leute bei Videospielen normalerweise nicht so häufig, oder?
Nein, eher nicht. Nachdem ich das gesehen hatte, dachte ich: "Diese Software ist irgendwie etwas Besonderes." Ungefähr zu der Zeit fingen wir auch mit der Entwicklung von Software für den Nintendo DS an. Dann wurde uns klar, dass man über die Drahtlose DS-Datenübertragung zusammen Jam-Sessions spielen könnte, auch wenn man nur eine Ausgabe der Software hat. Plötzlich hatte die Veröffentlichung des Nintendo DS das Problem gelöst, das auf dem Game Boy Advance noch wie eine unüberwindbare Hürde gewirkt hatte. Also haben wir das Entwicklungsteam schnell wieder zusammengerufen.
Sie haben unser Projekt-Team zwar wieder versammelt, Mr. Iwata, aber gleichzeitig haben Sie uns auch ganz schön schwierige Aufgaben gestellt. Sie sagten: "Wenn Sie die Software nicht zur Veröffentlichung des Nintendo DS fertig stellen können, löse ich das Team wieder auf."
Das Projekt war ja seit seiner Entstehung in der Zeit des Game Boy Color mehrfach aus der Bahn geraten. Ich habe diese Bedingung gestellt, weil ich nicht zulassen wollte, dass das wieder passiert. Zuerst waren alle sehr besorgt wegen der zeitlichen Einschränkung, aber als dann das Jam-Session-Feature funktionierte, änderte sich die Stimmung im Team komplett. Ich erinnere mich, dass alle in jeder freien Minute Jam-Sessions spielten.
Wir wollten immer Jam-Sessions spielen, aber wir hatten ja eigentlich auch kaum noch Zeit für die Entwicklung. Wir waren hin und her gerissen, aber schließlich haben wir uns jeden Abend getroffen und natürlich zusammen gespielt.
Und obwohl die Zeit für die Entwicklung ablief, habe ich dann noch ein paar neue Anforderungen an den Funktionsumfang der Software gestellt, nicht wahr?
Das war ein ziemlicher Schock!
Auf einmal ging die Tür zum Entwicklungs-Raum auf und…
Wir sagten: "Mr. Iwata ist gerade hereinmarschiert." (lacht) "Und er will, dass wir einen Studio-Modus hinzufügen…"
Manche Leute sagten zu mir: "Ich kann gar keine Noten lesen, mir bringt das also gar nichts, wenn wir so einen Modus umsetzen."
Leute wie ich zum Beispiel.
(lachen)
Mr. Iwata hat uns überzeugt. Er sagte: "Selbst wenn nur eine Person in einer Schulklasse selber Musik machen kann, freuen sich die anderen Mitschüler doch, wenn sie so ein selbst geschriebenes Lied zu hören bekommen."
Aber als wir eine Prototyp-Version fertig hatten und sie Ihnen zeigten, Mr. Iwata, sagten Sie: "So geht das nicht." Das war ziemlich niederschmetternd.
Während wir verschiedene Dinge ausprobierten, setzte Mr. Iwata schon selber eine Liste von Anforderungen auf.
Das war die einzige Anforderungsliste, die geschrieben habe, seit ich Firmenpräsident geworden bin. Ich habe mich auch sehr verantwortlich gefühlt, nachdem ich schon angekündigt hatte: "Ich stelle die Entwicklung ein, wenn der Titel nicht zur Veröffentlichung des Nintendo DS fertig wird." So war ich auf einmal selber in die Entwicklung involviert.
Da haben Sie uns aber wirklich geholfen. Ihre Anforderungen waren einfach zu verstehen und wir haben sie bis in die aktuelle Software "Jam with the Band" weiter übernommen.
Ich bin wirklich froh, dass wir den Studio-Modus umgesetzt haben.
Sie sagten ja, dass Sie keine Noten lesen können, Ms. Kitamura, aber in den späten Phasen der Entwicklung kauften Sie Notenblätter und schrieben ohne Probleme eigene Lieder.
Nach dem Erscheinen der Software tauchten bald einige "Band Brothers"-Musiker auf, und manche Leute schrieben in ihren Blogs: "Ich habe dieses Lied gemacht - hört euch das mal an!".
Aber es wurden auch ein paar Probleme deutlich.
Man konnte nur acht Lieder speichern, die man im Studio-Modus erstellt hatte. Es gab also viele Anfragen, ob wir es nicht so machen konnten, dass man mehr Songs speichern konnte.
Wir haben auch ein "Extra-Song-Spielmodul"4 veröffentlicht, aber uns wurde schnell klar, dass der Musikgeschmack der Spieler sehr unterschiedlich war. Manche Leute dachten, dass zu viele Lieder aus bestimmten Genres dabei waren. Als wir dann über die Entwicklung des nächsten Spiels sprachen, dachte ich: "Diesmal sollten wir etwas umsetzen, das alle zufrieden stellt." Dieser Gedanke hat mich wirklich angetrieben. 4Das "Extra-Song-Spielmodul"war ein Software-Modul für Game Boy Advance, das neue Lieder für "Daigasso! Band Brothers" enthielt. Die Song-Liste wurde nach einer Spielerumfrage zusammengestellt und das Modul wurde online verkauft.
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