2. Was ist möglich, und was nicht?

Iwata:

Würden Sie uns vielleicht ein bisschen mehr über Ubisoft erzählen, Yves?

Yves:

Gerne!

Iwata:

Wie viele Mitarbeiter hatte Ubisoft, als die Firma gegründet wurde und Sie das erste „Zombi“-Spiel entwickelt haben?

Yves:

Ubisoft wurde von mir und meinen vier Brüdern gegründet. Zu Beginn hatten wir eine Niederlassung südlich von Paris mit ca. 20 Mitarbeitern, meine Brüder eingerechnet. Heute haben wir 22 Studios mit mehr als 7.000 Mitarbeitern an 26 Standorten weltweit.

Iwata:

Stand der Name Ubisoft bereits, als „Zombi“ veröffentlicht wurde?

Yves:

Ja. Mein Bruder Gerard ist darauf gekommen. Ubisoft kommt von „Ubiquität“, also Allgegenwärtigkeit. Wir wollten, dass Ubisoft irgendwann überall auf der Welt bekannt ist.

Iwata:

Weshalb haben Sie und Ihre Brüder sich damals für die Entwicklung von Computerspielen interessiert?

Yves:

Einerseits haben wir uns selbst für Spiele interessiert, doch wir haben auch beobachtet, dass Kinder nach der Schule gerne Videospiele gespielt haben und sahen eine Geschäftsidee. Wir lebten damals in der Bretagne20 und sahen ein Potenzial, die Spiele nicht nur regional, sondern landesweit oder sogar über die Grenzen Frankreichs hinaus zu verkaufen. Dabei haben wir jeweils unterschiedliche Fähigkeiten mitgebracht: Michel konnte programmieren, und Gerard war der Spezialist für Qualitätsteigerung. Dementsprechend haben wir dann auch die Aufgaben verteilt. 20 Bretagne: Ein Gebiet im Nordwesten Frankreichs.

Iwata Asks
Iwata:

Sie haben sich also zu fünft zusammengetan, Ihre jeweiligen Fähigkeiten eingesetzt und so das Unternehmen gegründet? Das ist wirklich eine einzigartige Geschichte. Wie alt waren Sie damals?

Yves:

Der Jüngste war 21, der Älteste 31. Trotz des Altersunterschieds von 10 Jahren haben wir alle dieselbe Leidenschaft für die Spieleindustrie geteilt.

Iwata:

Ich glaube, wir haben genau so gedacht, nur in einem völlig andren Land. (lacht) Meine Anfänge fanden auch in einem winzigen Softwareentwicklungsunternehmen statt.

Yves:

Die dynamische Atmosphäre in den Anfangszeiten der Spieleindustrie hat uns sehr stark inspiriert uns ambitionierte Ziele zu stecken.

Iwata:

In der Hinsicht ging es uns genau so. Der Name Ubisoft stammt von „Ubiquität“, weil Sie wollten, dass es die ganze Welt erreichen sollte, und „HAL“21 erhielt seinen Namen, weil jeder Buchstabe IBM einen Schritt voraus war! (lacht)21 HAL: Steht für HAL Laboratory, Inc., einen japanischen Entwickler von Videospielen, der unter anderem die Spiele „Kirby“ und „Super Smash Bros.“ herausgebracht hat. Iwata kam ursprünglich als freier Mitarbeiter zum Unternehmen und übernahm später die Geschäftsführung.

Alle:

(lachen)

Yves:

Ich glaube sogar, das ist ziemlich wichtig. Es gibt immer jede Menge Wachstumschancen. Das ist der große Vorteil dieser Branche.

Iwata:

Ich glaube, wir haben gerade das Rätsel gelöst, weshalb ich mich Ihnen so verbunden fühle! Doch lassen Sie uns fortfahren. Xavier, es wurde vorhin erwähnt, dass Sie an „Just Dance“ für die Wii mitgearbeitet haben?

Xavier:

Ja.

Iwata:

Inzwischen haben sich Tanzspiele als Genre fest etabliert, doch ich glaube, damals hat niemand damit gerechnet, dass „Just Dance“ so eine Revolution lostreten würde. Obwohl das heute nicht unser Hauptthema ist, könnten Sie kurz auf die Hintergründe von „Just Dance“ eingehen?

Xavier:

Sehr gerne. Das ursprüngliche Konzept von „Just Dance“ stammte von einem Minispiel in „Rayman Raving Rabbids“, in dem es um Rhythmus ging. Es war ein Minispiel mit Musik, in dem man sich im Takt bewegen musste. Dabei ging es nicht wirklich ums Tanzen, doch wenn man sich beim Spielen im Rhythmus bewegte, kam es einem vor, als würde man tanzen. Also haben wir beschlossen, in dieser Richtung weiterzumachen und Sachen mit der Wii-Fernbedienung ausprobiert.

Iwata:

Aha.

Xavier:

Es gab schon vorher Tanzspiele, bei denen es auf bestimmte Fähigkeiten und ein Rhythmusgefühl ankam, doch dabei ging es nicht wirklich ums Tanzen, sondern mehr um korrekte Bewegungen. Wir beschlossen, ein Spiel zu entwickeln, bei dem man einfach nur den Bewegungen am Bildschirm folgen musste und dadurch richtig tanzen konnte. Das hieß, dass uns selbst ein ungenaueres Trackingsystem ausreichen würde.

Iwata:

Sie meinen, selbst wenn die Bewegungen nicht hundertprozentig korrekt waren, entsprach das dennoch den Spielvorgaben?

Xavier:

Genau. Egal, wie viele Fehler man machte: Man konnte den ganzen Song weiterspielen und einfach Freude am Tanzen haben. Als wir das erste Spiel herausbrachten, haben sich einige Rezensenten negativ über das Tracking geäußert, dabei funktionierte es genau so, wie wir es wollten!

Iwata Asks
Iwata:

Ich kann mir vorstellen, dass einige der ersten Spieler davon abgeschreckt wurden, wie sehr sich das Spiel von bisherigen Tanzspielen unterschied.

Xavier:

Ich glaube, wir haben ein gutes Gleichgewicht hergestellt: Einerseits erhielt der Spieler eine akkurate Bewertung seiner Tanzbewegungen und konnte seine Darbietung dadurch einschätzen und verbessern, andererseits durfte er einfach Spaß am Tanzen haben.

Iwata:

Wenn es das Spiel erfordert hätte, dass man die Bewegungen perfekt imitiert, hätte es meiner Meinung nach nie so eine große Fangemeinde gewonnen.

Xavier:

Auch wenn wir zunächst schlechte Kritiken von den Videospielmedien bekamen, erhielten wir später zunehmend Unterstützung, bis wir dort ankamen, wo wir heute sind.

Iwata:

Ich glaube, Ubisoft hat mehr als jedes andere Unternehmen dank der Wii-Fernbedienung eine neue Vertriebsform erschaffen. Weshalb ist das Unternehmen dabei so erfolgreich? Es würde mich wirklich interessieren, was Sie dazu denken! (lacht)

Xavier:

Ich glaube, wir haben einfach verstanden, was Nintendo mit der Wii erreichen wollte. Ich erinnere mich an Gespräche, die ich zu Beginn der Entwicklung der Wii-Fernbedienung und der Wii Motion Plus22 mit Ihrem Team hatte. Außerdem achten wir auch genau auf das, was die Käufer zu sagen haben. Ich glaube, das hat uns bei unserem Erfolg sehr geholfen. 22 Wii Motion Plus: Zubehör für die Wii-Fernbedienung, das eine präzisere Steuerung ermöglicht. Die aktuell erhältliche Wii-Fernbedienung Plus verfügt über integrierte Wii Motion Plus-Funktionen. Die Bundles der Wii-Konsolen enthalten jetzt nicht mehr nur eine Wii-Fernbedienung, sondern die Wii-Fernbedienung Plus.

Iwata:

Wie sahen die Pläne von Nintendo Ihrer Meinung nach aus?

Xavier:

Es ging von Anfang an nicht etwa um perfektes Tracking, sondern um eine neue Art zu spielen, bei der der ganze Körper eingesetzt wird, oder wenigstens die ganze Hand. Das wurde uns sofort klar, als wir das Tennisspiel in „Wii Sports“23 sahen.23 Wii Sports: Ein Sportspiel, das sich aus fünf verschiedenen Disziplinen zusammensetzt: Tennis, Golf, Bowling, Baseball und Boxen. Es wurde im Dezember 2006 zusammen mit der Wii-Konsole in Europa auf den Markt gebracht.

Iwata:

Stimmt genau. Bei den Vorbereitungen für „Wii Sports“ haben wir klar zwischen dem unterschieden, was mit der Wii-Fernbedienung möglich ist, und was nicht. Ich denke, all die Tests, die Sie bei Ubisoft durchgeführt haben, haben Ihnen geholfen, diesen Unterschied zu erkennen. Und diese Erfahrung hat sich bei „Just Dance“ dann bezahlt gemacht, weil Sie informierte Entscheidungen zu den Möglichkeiten treffen konnten.

Iwata Asks
Xavier:

Ich glaube, das Konzept der Wii bestand darin, dass nicht nur der Spieler, der gerade spielt, Spaß haben sollte. Spiele können auch zu mehreren Spaß machen, und die Zuschauer im Wohnzimmer sollten ebenfalls etwas davon haben. Genau diesen Ansatz haben wir bei „Just Dance“ verfolgt. Manche Leute können gut tanzen, andere sind weniger begabt, einige geben gerne an, andere sind zum Tanzen zu schüchtern. Wir haben einen Ansatz verfolgt, bei dem alle mittanzen und Spaß am Spiel haben konnten.

Iwata:

Rückblickend scheint es mir, als wäre „Just Dance“ ein Spiel, in dem eine ganze Reihe von Aspekten und Ansätzen zu einem funktionierenden Ganzen vereint wurden.