3. Der Unterschied zwischen Baseball und Fußball

Iwata:

Nach "Best Play Pro Baseball" haben Sie "Derby Stallion"17 herausgebracht. Erzählen Sie mir doch mal, wie es dazu kam.17. Derby Stallion: Eine Pferderennen-Simulation, die in Japan im Dezember 1991 von ASCII Corporation für das Famicom-System veröffentlicht wurde. Weitere Titel dieser Spielreihe erschienen auch für Nintendo DS und Nintendo 64.

Sonobe:

Also, ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehrere "Best Play Pro Baseball"-Spiele veröffentlicht, deshalb dachte ich, dass es mal Zeit für etwas anderes wäre. Damals habe ich auch einen Freund kennengelernt, der sich sehr für Pferderennen begeistert hat ...

Iwata:

Bis zu diesem Moment wussten Sie also noch gar nichts über Pferderennen?

Sonobe:

Nein, überhaupt nichts. Man kann auf jeden Fall sagen, dass es ohne diesen Freund nicht zu "Derby Stallion" gekommen wäre. Durch ihn habe ich von dieser Welt der vollblütigen Pferde erfahren, und da es bis zu diesem Zeitpunkt keine Spiele zu diesen Elementen von Pferderennen gegeben hatte, dachte ich, dass ich es mal probieren will.

Iwata:

Da Sie ja auch bei der Entwicklung der Baseballspiele alle möglichen Statistiken verwendet haben, kann ich mir vorstellen, dass Sie der Gedanke begeistert hat, diesen Ansatz auch bei einem Pferderennspiel anzuwenden.

Sonobe:

Nein, eigentlich war "Derby Stallion" nicht als Spiel geplant, in dem Statistiken eine große Rolle spielen sollten. Im Prinzip gilt das aber für alle meine Spiele, von "Best Play Pro Baseball" bis zu "Nintendo Pocket Football Club", bei denen es immer mein Ziel ist, den Spielern den Spaß daran näherzubringen, sich Spiele anzusehen, die vom Computer gesteuert werden.

Iwata:

Ah, ja. Das stimmt natürlich, in "Derby Stallion" steuert man die Pferde in den Rennen ja nicht selbst.

Sonobe:

Es gibt auf jeden Fall Spiele, bei denen man direkter beteiligt ist, aber bei Pferderennen macht es ja auch Spaß, einfach nur zuzusehen, nicht wahr?

Iwata:

Sie dachten, da es ja auch Spaß macht, sich ein Baseballspiel anzuschauen, würde es auch Spaß machen, Pferde zu trainieren und ihnen beim Wettlaufen zuzuschauen. Dieses Element haben Ihre Spiele also gemeinsam, nicht wahr?

Sonobe:

Ja, das stimmt.

Iwata:

Und dann kamen Sie zu "Nintendo Pocket Football Club" ...

Sonobe:

Genau. Mein ursprünglicher Plan war es, ein Spiel zu entwickeln, bei dem es Spaß macht, einfach nur Zuschauer zu sein und sich anzusehen, wie Fußballspiele stattfinden.

Iwata:

Sie waren also nie wirklich versessen auf die Sportstatistiken und Zahlenvergleiche, sondern die Statistiken waren einfach ein Mittel zum Zweck; ein Hilfsmittel, das Sie einsetzen wollten.

Sonobe:

Ja, genau so ist es. Als ich als Kind die Baseballspiele gemacht und die Statistiken dazu gesammelt habe, z. B. Schlagdurchschnitte und Gewinnprozentzahlen, war mein Ziel dabei nur, sie meinen Freunden zu zeigen und mich über ihre überraschten Gesichter zu freuen.

Iwata Asks
Iwata:

Ich verstehe. Um wieder auf "Derby Stallion" zurückzukommen: Zu dieser Zeit kamen auf einmal viele Pferderennspiele auf den Markt. Was meinen Sie, wodurch sich "Derby Stallion" von diesen anderen Spielen unterschieden hat?

Sonobe:

Da haben Sie recht. Nachdem "Derby Stallion" erschienen war, wurden auch alle möglichen Bücher über Vollblutrennpferde veröffentlicht. Das Thema hatte da wohl gerade einen ziemlichen Boom. Aber mein Ziel bei dem Spiel war es ja nicht, mich zu sehr auf diesen Aspekt der Pferderennen zu konzentrieren; ich denke also, dass ein echter Pferderennsportexperte im Spiel einige Mängel in diesem Bereich sehen würde.

Iwata:

Das Spiel war aber nie wirklich für Pferderennsportprofis gedacht, oder?

Sonobe:

Nein, allerdings nicht. Ich hatte nie das Ziel, professionelle Hilfsmittel für das Züchten von Pferden und so weiter anzubieten. Ich wollte ein Spiel entwickeln; meine Priorität war es also, die Komplexität der Rennsportwelt etwas zu vereinfachen und geradliniger zu präsentieren.

Iwata:

In der echten Welt ist es unglaublich kompliziert, wenn man versuchen würde, das detailliert nachzubilden, und eine Simulation daraus machen würde, die übermäßig komplex wäre. Dann würden nicht viele Leute den Inhalten wirklich folgen können, und das Spiel wäre kein Unterhaltungsprodukt mehr.

Sonobe:

Ja, das stimmt.

Iwata:

Wenn man ein Spiel entwickelt, ist das ein fortwährender Prozess, bei dem man Elemente aus der echten Welt nimmt und für das Spiel vereinfacht. Diese Elemente werden dann im Kopf der Spieler ausgeschmückt und erweitert. So können die Spieler mit den Spielen Spaß haben, als ob es die Realität wäre.

Sonobe:

Genau.

Iwata:

Man könnte es auch anders ausdrücken, indem man sagt, dass es bei der Entwicklung von Spielen nicht darum geht, immer mehr Elemente hinzuzufügen, bis am Ende etwas Großartiges dabei herauskommt. Stattdessen ist das Ziel, so viel wie möglich wegzulassen, während man darauf achtet, dass alles immer noch funktioniert.

Sonobe:

Das stimmt. Man kann viele Dinge ausklammern und hat trotzdem immer noch ein vollständiges Spiel.

Iwata:

Ich würde sagen, dass die Basis Ihres Spielentwicklungsansatzes in Ihrem Bedürfnis zu finden ist, die Kernelemente zu identifizieren, die dafür sorgen, dass etwas Spaß macht. Ich denke, das trifft in jedem Fall zu; ob Sie ein Baseballspiel, ein Pferderennspiel oder, wie diesmal, ein Fußballspiel gestalten.

Iwata Asks
Sonobe:

Ja, ich würde sagen, da haben Sie wohl recht. Mein Ziel ist es nicht wirklich, vollständige Simulationen umzusetzen.

Iwata:

Das sagen Sie zwar so, aber trotzdem wirkt es aus der Perspektive der Spieler so, dass sie eine wirklich gut gemachte Simulation erleben.

Sonobe:

Ich denke, das liegt daran, dass wir erfolgreich alle verschiedenen Elemente des Spiels ausgewertet und diejenigen behalten haben, die am wichtigsten sind. Während die Spielkonsolen immer weiterentwickelt worden sind, wurden auch die Grafik und die anderen Elemente immer realistischer, und das ist zwar an sich nicht schlecht, aber ich habe trotzdem den Eindruck, dass das nicht wirklich mit meinen Zielen übereinstimmt.

Iwata:

Die Spiele sehen vielleicht immer realistischer aus, aber das ergänzt sich nicht immer ideal mit den Spielelementen, die genau deshalb so gut funktioniert haben, weil sie so einfach waren.

Sonobe:

Ja, das finde ich auch.

Iwata:

Wenn das Spiel auf einem Vorgang der Vereinfachung beruht, und die Grafik zu aufsehenerregend ist, dann geht das Element verloren, bei dem die Spieler die Dinge, die nur angedeutet worden sind, in ihrer Vorstellung ausschmücken.

Sonobe:

Ja, ich denke, damit liegen Sie richtig. Wie Sie gesagt haben: Wenn die Fantasie der Spieler miteinbezogen wird, können sie dasselbe Spiel immer und immer wieder spielen, ohne dass es ihnen langweilig wird. Und die Fantasie ist ja auch etwas, was sich anhand unterschiedlicher Umstände verändert und entwickelt.

Iwata:

Und nachdem wir diese Punkte jetzt angeführt haben, möchte ich aber auch sagen, dass ich es toll finde, dass es Spiele gibt, die in Hinsicht auf die Grafik versuchen, möglichst nah an die Realität heranzukommen.

Sonobe:

Das stimmt natürlich auch. Aber ich glaube wirklich, dass der Hauptgrund dafür, dass man ein Spiel immer wieder spielen kann, genau darin zu finden ist, dass die Fantasie das Spielgeschehen auf dem Bildschirm ausschmückt und erweitert. Und genau das wollte ich mit "Nintendo Pocket Football Club" erreichen.

Iwata:

Was war denn der Auslöser dafür, dass Sie ein Fußballspiel entwickeln wollten?

Sonobe:

Nachdem ich Baseball- und Pferderennspiele entwickelt hatte, war ich auf der Suche nach Ideen, was ich als Nächstes machen könnte. Und genau zu diesem Zeitpunkt ging es in Japan mit der J. League los, und die Leute waren auf einmal richtig begeistert vom Fußball. Ich habe auch angefangen, mir Fußballspiele anzuschauen, und die Leute haben wohl plötzlich von mir erwartet, dass ich eine Fußball-Version von "Best Play Pro Baseball" machen sollte. Aber irgendwie hatte ich nicht das richtige Gefühl dazu ...

Iwata:

Woran lag das?

Sonobe:

Fußball und Baseball sind zwei Sportarten, die aus völlig verschiedenen Gründen Spaß machen. Beim Baseball kann man die Einzelergebnisse eines Spielers z. B. auf alle möglichen Arten analysieren.

Iwata:

Ja, da haben Sie recht. Selbst wenn man sich nur einen einzigen Schlagmann anschaut, kann man da schon den Schlagdurchschnitt, die 'On-Base'-Rate, und alle möglichen anderen individuellen Statistiken berechnen. Beim Baseball geht es oft nur um diese detaillierten Zahlen.

Sonobe:

Das stimmt, und ich habe alle diese Zahlenwerte auch in "Best Play Pro Baseball" verwendet. Aber beim Fußball ist dieses Konzept von individuellen Einzelstatistiken für jeden Spieler nicht so ausgeprägt.

Iwata:

Man zählt die Tore, die Vorlagen ...

Sonobe:

Ja, bei diesen Statistiken geht es hauptsächlich um die geschossenen Tore.

Iwata:

Und weil es beim Fußball nicht so viele Statistiken gibt, kann man dabei auch nicht an genau denselben Elementen Spaß haben wie beim Baseball.

Sonobe:

Richtig. Und an diesem Punkt habe ich wirklich damit angefangen, darüber nachzudenken, was genau an Fußball Spaß macht. Baseball ist aber schon immer ein Sport, an dem man auch Spaß haben kann, während man etwas anderes macht.

Iwata Asks
Iwata:

Ja, das ist wahr. Man kann einfach den Fernseher einschalten und es im Hintergrund laufen lassen. Es ist auch nebenbei unterhaltsam, während man sich noch mit anderen Dingen beschäftigt.

Sonobe:

Ja, es reicht schon, wenn man das Spiel nur hört. Aber beim Fußball muss man das rasante Geschehen mit eigenen Augen sehen. Oft schießt jemand ausgerechnet dann ein Tor, wenn man gerade kurz wegschaut. Das ist echt das Schlimmste.

Iwata:

Ich weiß genau was Sie meinen! (lacht)

Sonobe:

Es ist ja auch nicht ungewöhnlich, dass in einem 90-minütigen Spiel nur wenige Tore fallen.

Iwata:

Ja, und weil es nicht so häufig Tore gibt, ist die Bedeutung der gefallenen Tore natürlich auch entsprechend höher.

Sonobe:

Und genau deshalb ist es auch so schlimm, wenn man mal für einen Moment nicht hinschaut und ein Tor verpasst. Und wenn man Pech hat, war es dann auch noch das einzige Tor; es gibt ja viele Spiele, die mit einem Endstand von 1:0 ausgehen. Und so wurde mir klar, dass Fußball ein Spiel ist, das genau deshalb Spaß macht, weil Tore eher selten sind. Das bedeutet, dass es zu den spannendsten Momenten gehört, wenn der Ball z. B. mal den Pfosten trifft.

Iwata:

Ah, ja! (lacht)

Sonobe:

Dann schlagen alle Zuschauer die Hände vors Gesicht und stöhnen. Das ist sogar oft noch spannender, als wenn wirklich ein Tor fällt.

Iwata:

Ah, da könnten Sie sogar recht haben. (lacht)

Sonobe:

Deshalb bin ich auf solche Ideen gekommen, wie z. B. die Zielpfosten noch breiter zu machen.

Beide:

(lachen)