5. Höchste Qualität

Iwata:

Mr. Minami, zu Beginn haben Sie Arbeiten erwähnt, die nur einem unabhängigen Entwickler möglich sind.

Minami:

Ja, stimmt.

Iwata:

Und welche Arbeiten sind das Ihrer Meinung nach? PlatinumGames hat eine ganz eigene Philosophie und ist – im positiven Sinne – kompromisslos. Man merkt wirklich, dass Sie ein Unternehmen ganz anderer Couleur sind.

Minami:

Das Modell, an dem wir uns orientieren, ist die Beziehung zwischen westlichen Entwicklerstudios und Publishern.

Iwata:

Aha.

Minami:

Entwicklerstudios in Europa und Amerika werden von Publishern finanziert, aber sie machen deshalb nicht kritiklos alles, was ihnen aufgetragen wird.

Iwata:

Alles klar! (lacht)

Minami:

Wir möchten diese gleichberechtigte Beziehung aufrechterhalten und gleichzeitig Spiele erstellen, die uns gefallen. Wenn wir es verbocken, geht das Unternehmen zugrunde; aber wenn wir es schaffen, können wir auch wirklich stolz auf uns sein. Ich halte diese Art der Beziehung für optimal. Schließlich sind es die Spielersteller, die am meisten über die Spieler nachdenken und sich bemühen, etwas zu schaffen, das diesen gefällt.

Iwata Asks
Iwata:

Die tatsächlichen Entwickler.

Minami:

Wenn ein großes Unternehmen Videospiele macht, fließen alle möglichen Faktoren ein, z. B., wann Gewinne gemacht und wann Dinge veröffentlicht werden müssen.

Iwata:

„Es muss zu diesem Zeitpunkt fertig sein und basta.“

Minami:

Und je nach Umständen fängt man dann an, an allen Ecken zu sparen, und die Qualität leidet. Das finde ich furchtbar und deshalb wollte ich als unabhängiger Entwickler auch Forderungen stellen können. Wir wollen ein Unternehmen sein, das etwas erstellt.

Inaba:

Und wir stellen in der Tat Forderungen, aber deswegen ist es umso wichtiger, dass wir auch Ergebnisse liefern. Und obwohl wir natürlich eine andere Position einnehmen (schließlich bezahlt uns der Publisher dafür, dass wir Spiele entwickeln), möchten wir die Gleichberechtigung unserer Beziehung erhalten.

Iwata Asks
Iwata:

Das ist jetzt vielleicht nicht die beste Zusammenfassung – aber Sie sagen also, Sie wollen ein unabhängiges Entwicklerunternehmen sein, das nicht nur selbstbewusst daherkommt, sondern auch Ergebnisse liefert und überzeugt. Und das möglichst ohne finanzielle Unterstützung, richtig?

Minami:

Ja, stimmt.

Iwata:

Oder um es anders auszudrücken: Indem Sie das Spiel erstellen, übernehmen Sie die endgültige Entscheidung darüber, was den Spielern geboten wird.

Minami:

Genau. Diese Verantwortung möchten wir übernehmen.

Iwata:

Da legen Sie sich aber fest, wenn Sie so entschieden Stellung beziehen.

Minami:

Ja. Wir bringen uns gerne in schwierige Situationen! (lacht)

Inaba:

Ach, verstehe! (lacht)

Minami:

Wenn man nicht immer wieder gute Dinge erschafft, wenden die Spieler sich ab und das Unternehmen selbst wird untergehen.

Iwata:

Sie suchen das Risiko also geradezu proaktiv.

Minami:

Ja.

Iwata:

In der Regel versuchen Unternehmen, Wege zur Risikominimierung zu finden, aber wenn man sich PlatinumGames anschaut, scheinen die Risiken aus jeder Pore der Firma zu quellen. (lacht)

Iwata Asks
Inaba:

(lacht)

Minami:

Für die Unternehmensführung ist das natürlich nicht angebracht. Als professioneller Geschäftsleiter würde ich sagen: „Erst mal Gewinne sichern.“ Wenn wir jetzt Gewinne machen, nutzen wir diese …

Iwata:

… um es beim nächsten Mal noch besser zu machen!

Minami:

Ja, so sind wir eben. Und die Entwickler sind wild entschlossen, den Spielern die besten nur möglichen Spiele zu bieten. Das Risiko kommt in ihren Köpfen überhaupt nicht vor.

Iwata:

Es braucht Geld und Zeit, etwas noch Besseres zu erstellen.

Minami:

Wenn ich diesen Aspekt vor Mr. (Hideki) Kamiya21, Mr. Inaba oder derartigen Leuten erwähne, kommt nur: „Hm? Stimmt was nicht?“21. Hideki Kamiya: Ein Videospiel-Designer, der früher für Capcom tätig war und jetzt bei PlatinumGames arbeitet. Zu seinen bekanntesten Arbeiten gehören „Resident Evil 2“, „Devil May Cry“, „Viewtiful Joe“, „Ōkami“ und „Bayonetta“.

Iwata:

Als wollten sie sagen: „Was wollen Sie denn? Sie stören – wir wollen hier etwas Großartiges schaffen.“ (lacht)

Minami:

So in etwa! (lacht)

Inaba:

Aber Mr. Kamiya ist schon ein bisschen abgehoben. Ich bin da eher …

Minami:

Auf meiner Seite. (lacht)

Iwata:

(lacht)

Minami:

Im Moment sind die Dinge einigermaßen ausgewogen. Aber wenn wir diese Balance nicht halten können, hat PlatinumGames keine Zukunft.

Iwata:

Was steht eigentlich hinter dem Namen PlatinumGames?

Minami:

Das soll bedeuten, dass unser Unternehmen so wertvoll und strahlend ist wie Platin, von höchster Qualität. In Übereinstimmung mit diesem Namen müssen wir hochwertigste Titel erstellen – und deswegen habe ich diesen Namen für das Unternehmen gewählt. Manchmal habe ich allerdings das Gefühl, dass ein weniger gewaltiger Namen es auch getan hätte! (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Auch dadurch beziehen Sie wieder Stellung.

Minami:

In der Tat! (lacht)

Iwata:

Als Sie sich also eben als Unternehmen beschrieben haben, das sich selbst in schwierige Situationen bringt, haben Sie wahrscheinlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich habe den Eindruck, dass Sie dadurch Ihr eigenes Verantwortungsgefühl stärken.

Minami:

Ja. Dieser Unternehmensname duldet keine Ausreden.

Inaba:

Vor ca. drei Jahren haben wir „Bayonetta“22 gemacht. Dieses Spiel hatte große Symbolkraft für uns. Man hatte uns gesagt, wir könnten machen, was wir wollten.22. Bayonetta: Ein Action-Spiel, das SEGA im Januar 2010 veröffentlichte. PlatinumGames entwickelt derzeit „Bayonetta 2“ für Wii U.

Iwata:

Niemand hat Ihnen vorgeschrieben, was für eine Art von Spiel es sein sollte. Stattdessen wurde die Sache einfach in Ihre Hände gelegt. Und das war der Anfang von „Bayonetta“.

Inaba:

Genau. Aber wir haben nicht sofort damit angefangen. Erst mal sprudelten die Ideen.

Minami:

Jeder hatte eigene Ideen dazu, was gemacht werden sollte.

Inaba:

Manche der Mitarbeiter wollten einen vertikal scrollenden Shooter machen. Wenn wir das als Unternehmen wirklich forciert hätten, wäre das möglich gewesen; aber die meisten anderen fanden, dass unsere natürlichen Fähigkeiten auf anderem Gebiet lagen und dass wir diese nutzen sollten, um etwas wirklich Hochwertiges zu erschaffen. Und so entstand „Bayonetta“.

Iwata Asks
Minami:

Es entspricht nicht so ganz Mr. Inabas Stil. Ich habe das durchgesetzt.

Inaba:

Andernfalls hätte das Unternehmen wahrscheinlich eine andere Richtung eingeschlagen. Wenn wir ein RPG gemacht hätten, hätte das Unternehmen meiner Meinung nach ein anderes Image bekommen. Dieses Spiel hat viel zu den Erwartungen beigetragen, die an PlatinumGames gestellt werden.