Mr. Minami, Sie kamen als Designer zu Capcom, aber ein Jahr später waren Sie in der Planung tätig. Waren Sie als „Plan Man“ bekannt?
Ach du liebe Zeit – woher wissen Sie das? (lacht)
Er wird sogar jetzt bei PlatinumGames noch „Plan Man“ genannt.
Ein „Plan Man“ oder Planer braucht zwei Dinge – eine große Leidenschaft für das, was er erschaffen möchte, und einen kühlen Kopf, um auch zu berücksichtigen, wie andere das Ergebnis betrachten werden.
Genau.
Und – das war dann sofort Ihr Ding?
Nein. Am Anfang überhaupt nicht.
Na ja, denjenigen, der das auf Anhieb kann, würde ich auch gerne mal sehen! (lacht)
Am Anfang lief das so ab: Ich dachte über ein Projekt nach, um dann sofort in Selbstzweifeln zu versinken, ob das denn auch gut genug wäre. Ich habe mir bis spät nachts den Kopf zerbrochen, aber am Ende wusste ich einfach nicht, welche Richtung ich einschlagen sollte. Und wenn ich dann einen Projektvorschlag zu einem leitenden Programmierer brachte, bekam ich unweigerlich zu hören, das sei langweilig. Und das Ganze wurde dann in die Tonne getreten. Buchstäblich – es wurde vor meinen Augen im Mülleimer versenkt. Plonk!
Autsch!
Ja, das war hart. Aber so war das eben damals.
Sie konnten erst dann etwas kreieren, wenn ein Programmierer sein Okay dazu gab.
Genau. Andernfalls hätte niemand auch nur die Grafiken erstellt. Als ich meine Arbeit als Planer antrat, dachte ich, dass die Kollegen mit mir zusammenarbeiten würden, um meine Ideen umzusetzen. Aber weit gefehlt!
Na ja – wenn man seine nächste Umgebung nicht überzeugen kann, wird es einem vermutlich auch nicht gelingen, die Verbraucher auf seine Seite zu ziehen.
Genau das ist es: „Warum sollte es den Verbrauchern Spaß machen, wenn wir es öde finden?“
Ihre Fähigkeiten als Planer wurden durch diese Leute gestärkt.
Ja. Es war ein sehr wettbewerbsbetontes Unternehmen, in dem die Atmosphäre eines sportlichen Wettkampfes herrschte. Aber selbst jetzt … (wirft Mr. Inaba einen Blick zu) mache ich eigentlich noch etwas sehr Ähnliches! (lacht)
Stimmt! (lacht)
(lacht) Die Tradition lebt! Aber obwohl es damals hart für Sie war, war das doch sicher immer noch besser, als wenn Sie etwas erstellt hätten, was dem Publikum dann nicht gefallen hätte?
Allerdings. Aber damals war ich jung und habe das nicht so einfach verstanden. (lacht)
Stimmt, wenn man jung ist, versteht man so etwas nicht gleich. (lacht)
Ich fand das jedenfalls damals alles total unfair.
Wie haben Sie das denn ausgehalten?
Ich habe öfter darüber nachgedacht, alles hinzuwerfen. Aber dann habe ich überlegt, was ich denn stattdessen tun sollte und kam auch nicht weiter. An solchen Tagen habe ich mich total erschöpft nach Hause geschleppt und Videospiele gespielt!
Videospiele haben Ihnen das Leben zur Hölle gemacht, aber dann sind Sie nach Hause gegangen und haben Videospiele gespielt.
Darüber habe ich mich selber oft gewundert. Aber Videospiele machen einfach Spaß; sie boten mir die Art von Unterhaltung, die ich wollte. Eines Tages ging mir dann auf, dass nur wenige Leute das Glück haben, als Entwickler an etwas beteiligt zu sein, das mich völlig in seinen Bann zog – ich spielte Videospiele, selbst wenn ich völlig k. o. war.
Ja, wir können uns wirklich glücklich schätzen.
Eben. Also beschloss ich, noch ein wenig länger durchzuhalten.
Viele Leute nehmen Videospiele in der Tat ungeheuer ernst und spielen mit großer Leidenschaft. Und wir haben das Glück, Ihnen diese Möglichkeit geben zu können.
Ja, irgendwann ging mir das auch auf und ich habe ausgeharrt. Aber sogar dann ging ich noch oft genug frustriert nach Hause. (lacht)
Wie kam es denn dann zu Ihrem Sprung von der ursprünglichen Frustration zum erfolgreichen „Plan Man“?
Das muss ich dem Spiel „Super Ghouls’n Ghosts“5 anrechnen. Das Super NES kam heraus und der erste Titel, den Capcom veröffentlichte, war „Final Fight“6, auch dies die Portierung eines Arcade-Spiels, weshalb ich daran beteiligt war. Wir haben uns schier aufgerieben, das Spiel in extrem kurzer Zeit fertigzustellen. Und dann hat mein Chef mir angeboten, zwei Wochen Urlaub zu nehmen. Das war geradezu unerhört!5. Super Ghouls’n Ghosts: Ein Action-Spiel, das im Dezember 1992 von Capcom für das Super-NES-System herausgebracht wurde.6. Final Fight: Ein seitlich scrollendes Action-Spiel, das 1989 in die Spielhallen kam. Die Super-NES-Version wurde im Dezember 1992 veröffentlicht.
So etwas hörte man in der Regel nicht aus dem Mund Ihres Chefs?
Gelegentlich ließ er einen übers Wochenende mal zwei Tage freinehmen! (lacht)
Und dann fanden Sie das nicht verdächtig? (lacht) Ich habe mal gehört, dass es bei Capcom die Tradition gibt, dass der Chef das Team zum Essen ausführt, wenn er ein schwieriges Projekt plant.
Na, ich habe dann jedenfalls zwei Wochen freigenommen. Als ich ins Büro zurückkam, eröffnete er mir: „Wir arbeiten an "Super Ghouls’n Ghosts", aber Sie wissen ja, dass wir da nicht so richtig vorankommen, oder?“
Die Entwicklung steckte fest.
Ja. Das erste Level wirkte eigentlich komplett, aber als Spiel insgesamt hatte das Ganze noch keine Form angenommen. Das war dann meine nächste Aufgabe. In den nächsten zwei Jahren bin ich kaum mehr nach Hause gegangen ...
Nach einer Belohnung von zwei freien Wochen warteten also zwei Jahre unablässiger Probleme auf Sie.
Genau! (lacht) Und selbst als die Frist allmählich ablief, waren wir immer noch damit beschäftigt, das Master-ROM wieder und wieder neu zu erstellen.
Ah – der sogenannte Lot Check, bei dem geprüft wird, dass die Software aller Chargen ordnungsgemäß auf der Spielkonsole läuft. Und das ist mehrmals fehlgeschlagen? Das habe ich auch schon erlebt; das ist furchtbar! (lacht)
Das können Sie laut sagen! Wir haben auch Nintendo einige Probleme bereitet, aber am Ende haben wir es direkt in die Fabrik gebracht und es irgendwie auch geschafft, das Ganze auf die Welt loszulassen. „Super Ghouls’n Ghosts“ hat uns wirklich geschlaucht, aber nach der Veröffentlichung gab es fantastische Kritiken.
Ihre harte Arbeit hat sich ausgezahlt.
Ja. Wir waren völlig begeistert. Als ich das Projekt auf halber Strecke der Entwicklung übernahm, hatte ich den Eindruck, dass man mir da ein wirklich dickes Ei gelegt hatte. Aber nach der Veröffentlichung und den positiven Rezensionen war ich meinem Chef wirklich dankbar, dass er es mir übergeben hatte. So glücklich war ich!
Ihr Boss hat sich auf Sie verlassen und Ihnen vertraut, als es Probleme mit dem Projekt gab. Nach dem Abschluss der Entwicklung ging Ihnen zum ersten Mal auf, dass er Ihnen eine schwierige Aufgabe im wahrsten Sinne des Wortes anvertraut hatte.
Ja. Es war ein großer Wendepunkt für mich, dass Spieler meine Arbeit bewerteten. Seitdem bin ich überzeugt, dass ich dieser Arbeit für den Rest meines Lebens nachgehen werde.
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