6. Made in Japan

Iwata:

Was benötigt das Team, um weiterhin hochwertige Actionspiele herstellen zu können?

Inaba:

Ich denke mal – begabte Programmierer und Mitarbeiter, die viel über Actionspiele wissen. Ich finde, der Unterhaltungsfaktor von Actionspielen besteht in dem, was Spieler in ihren Händen fühlen. Ich kann das nicht so richtig ausdrücken.

Iwata:

Dieses Gefühl, wie sich das Gameplay in den eigenen Händen anfühlt, wird durch die bis zu diesem Punkt gesammelte Erfahrung und allerhand Know-how erreicht.

Inaba:

Ja. Mr. Kamiya hat beispielsweise weltweit den Ruf, unglaubliche Actionspiele zu erstellen; aber wenn man ihn jetzt in ein Unternehmen verpflanzen würde, in dem noch nie Actionspiele erstellt wurden – könnte er dann dasselbe leisten? Ich glaube nicht. Es hängt vom Team ab – von den in Actionspielen erfahrenen Mitarbeitern. Nur deshalb können wir hochwertige Actionspiele erstellen.

Iwata:

PlatinumGames begann mit einer Gruppe, die das von Anfang an draufhatte.

Minami:

Stimmt. Wir begannen mit etwa 60 Leuten. Inzwischen sind wir auf ca. 150 angewachsen. Wenn wir das gesamte Betriebspersonal mit einrechnen, sind es etwa 200 Leute. Aber von denen, die am Anfang dabei waren, ist nur noch ungefähr die Hälfte übrig.

Inaba:

Ja, das sind nur noch etwa 30.

Minami:

Aber diese 30 bilden das Rückgrat. Sie weisen die Neuzugänge in die Philosophie von PlatinumGames ein und geben ihr Know-how weiter. Und auf diese Weise expandieren wir.

Iwata:

Klappt die Weitergabe des Know-hows problemlos?

Minami:

Na ja, wenn man ein Spieleunternehmen aufbaut und plötzlich die Anzahl der Mitarbeiter erhöht, kann das Wissen nicht von jetzt auf gleich vermittelt werden. Aber wir halten es für wichtig, neue Hochschulabsolventen einzustellen. Daher stellen wir in der Regel jedes Jahr ganz bewusst etwa zehn neue Absolventen ein. Es gibt bestimmt viele Firmen, die ausschließlich erfahrene Kräfte suchen, aber ich glaube, die „Neuen“ haben ein größeres Potenzial, PlatinumGames in die Zukunft zu führen.

Iwata:

Soll heißen, Sie erhalten sofortige „Feuerkraft“, können den Stil von PlatinumGames dabei aber auf unbeschriebene Blätter prägen?

Minami:

Genau. Es ist wie eine Sonderausbildung für Hochbegabte. Natürlich schaffen das auch Leute, die schon eine gewisse Karriere hinter sich haben; aber wir möchten die Leute, die die Spielebranche in die Zukunft führen werden, gerne mit eigenen Händen formen.

Iwata Asks
Inaba:

Beim Heranziehen neuer Talente kann nicht alles verbal vermittelt werden. Vieles wird nur durch den direkten Kontakt offenbar. Aus diesem Grund werden die Neuen Teams zugeteilt und können den erfahrenen Mitarbeitern dort über die Schulter sehen. Manches muss ihnen dabei wie Magie vorkommen und ich bin sicher, dass sie sich oft fragen, wie um alles in der Welt das möglich ist. Früher war es üblich, seinen Beruf auf diese Weise zu erlernen.

Iwata:

In dieser Hinsicht ist es wie bei Handwerkern, die andere in ihrem Beruf ausbilden.

Inaba:

Ja, es ist ganz ähnlich.

Minami:

Stimmt.

Iwata:

Sie fordern sie auf, den Älteren über die Schulter zu sehen.

Inaba:

Manchen liegt die Arbeitsweise von PlatinumGames – anderen nicht.

Iwata:

Wodurch wird das beeinflusst?

Inaba:

Es kommt darauf an, wie viel Enthusiasmus man für Medieninhalte aufbringt – und wie sehr man sich dafür begeistern kann. Ich glaube, die Qualität der Inhalte hängt stark davon ab, ob man bis zum bitteren Ende mit Herzblut dabei sein kann. Selbst wenn man 80 oder 90 Prozent erreicht – von 90 auf 91 und von dort auf 92 zu klettern ist …

Iwata:

Alles über 90 geht nur noch im Schneckentempo vor sich.

Inaba:

Genau. Deshalb braucht man riesige Energiereserven. Ich glaube, Personen, die angesichts dieser Anstrengung, ein Spiel einen Prozentpunkt höher zu heben, nicht mal mit der Wimper zucken, sind genau die Leute, die wir bei PlatinumGames brauchen. Aber wenn wir mit einer bestimmten Zielsetzung beginnen und dann merken, dass eine Änderung zu noch besseren Ergebnissen führen würde, stöhnt der ein oder andere auch schon mal: „Jetzt ist es aber mal gut!“ (lacht)

Iwata:

Sie beschweren sich dann, dass das ursprüngliche Ziel einfach über Bord geworfen wird? (lacht)

Inaba:

Ja.

Iwata:

Na ja, das ist ja auch irgendwie, als würde man einem Marathonläufer kurz vor dem Ziel sagen, dass die Strecke doch noch etwas länger ist und man die Ziellinie gerade verschoben hat. Der wäre auch ganz schön sauer und würde einen für verrückt erklären!

Inaba:

Ja – „Das war so nicht abgemacht“ (lacht)

Iwata:

Aber manche freuen sich auch – „Super, dann kann ich noch ein Stückchen weiterlaufen! Toll!“ Und das sind ideale Kandidaten für PlatinumGames.

Inaba:

Allerdings. Wir sind alle ständig in Bewegung.

Minami:

Wer rastet, der rostet.

Inaba:

Die, die mithalten können und zu uns passen, bleiben am Ende, und das Unternehmen wird stärker. Aber vielleicht tut es dem Unternehmen gar nicht gut, sich so zu „verdichten“.

Iwata:

Immer reineres Platin! (lacht) Okay, zum Schluss möchte ich Sie als führende Köpfe des unablässig weiterlaufenden Unternehmens PlatinumGames bitten, eine Botschaft an die Fans zu richten.

Inaba:

Ich glaube nicht, dass es mir angesichts meiner Persönlichkeit möglich sein wird, irgendwann einmal aufzuhören, Neues auszuprobieren oder das noch nie Dagewesene zu verfolgen. Die hohe Qualität ist schon im Firmennamen von PlatinumGames verankert. Aber ich möchte auch die Spannung bewahren, die sich daraus ergibt, dass man nie weiß, was passieren könnte. Ich werde mich weiterhin reinhängen, um den Spielern neue Überraschungen zu bieten. Und ich werde mich anstrengen, die Erwartungen zu erfüllen, die in den nächsten Titel und alle nachfolgenden gesetzt werden.

Iwata Asks
Iwata:

Vielen Dank. Mr. Minami?

Minami:

Man hört oft, dass die japanische Industrie dieser Tage lustlos wirkt.

Iwata:

Stimmt.

Minami:

Aber das finde ich gar nicht. Mit unseren Produkten will ich der Welt zeigen, was das Gütesiegel „Made in Japan“ bedeutet. Das hat meiner Meinung nach auch große Bedeutung dabei, PlatinumGames weltweit auszubauen. Einer der Anlässe für meine Gründung von PlatinumGames war, dass ich Leute sagen hören wollte, wie fantastisch japanische Spiele sind. Und diese Motivation treibt mich nach wie vor an, dieses Ziel zu erreichen.

Iwata Asks
Iwata:

Sie erwähnten gerade schon, dass viele Leute schon den Untergang der japanischen Industrien voraussagen oder sich sehr negativ über reine Spielgeräte äußern, aber dem stimmte ich überhaupt nicht zu. Die Veränderung des Umfeldes im Laufe der Zeit und ein pessimistischer Ausblick auf unsere eigene Zukunft sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Wenn wir den Geist der Zeit erkennen und die richtige Umgebung finden, werden wir auf jeden Fall blühen und gedeihen.

Minami:

Das glaube ich auch. Alles auf „die Zeiten“ zu schieben, ist nur eine Ausrede. Wir wollen ein Studio sein, das mit in Japan erstellten Spielen Erfolg hat.

Iwata:

Wenn Sie in der Zukunft neue Titel fertiggestellt haben, lade ich Sie bestimmt noch zu weiteren „Iwata fragt“-Gesprächen ein. Ich glaube, Sie befinden sich gerade auf dem Höhepunkt der Entwicklung. (lacht)

Minami:

Wir werden unser Bestes geben, um die Erwartungen nicht zu enttäuschen und mit unseren Produkten zu überzeugen.

Inaba:

Vielleicht kommt nächstes Mal Mr. Kamiya.

Iwata:

Ja, im Moment sieht es so aus, als würde ich mich bald mit Mr. Kamiya über „The Wonderful 101“23 unterhalten.23. The Wonderful 101: Ein völlig neues Actionspiel von Spieledesigner Hideki Kamiya, das derzeit für Wii U entwickelt wird. Das Erscheinungsdatum steht noch nicht fest.

Minami:

Da bin ich ja mal gespannt, was er zu sagen hat ... (lacht)

Inaba:

Vielleicht beschwert er sich hinterher ausgiebig. (lacht)

Iwata:

Wie das?

Inaba:

Er twittert viel. (lacht)

Iwata:

(lacht) Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Iwata Asks
Minami und Inaba:

Es war uns ein Vergnügen.