Nintendo Classic Mini: SNES – Entwicklerinterview Teil 4: „Super Mario Kart“
02.10.2017
Hallo zusammen! Ich bin Akinori Sao, Schriftsteller aus Kyoto.
Diese Interview-Serie findet anlässlich des Erscheinens des Nintendo Classic Mini: Super Nintendo Entertainment Systems statt. Das Thema für dieses vierte Interview ist Super Mario Kart.
Der neueste Teil der „Mario Kart“-Serie, Mario Kart 8 Deluxe, wurde vor Kurzem für Nintendo Switch veröffentlicht – 24 Jahre nach dem ursprünglichen „Super Mario Kart“. Damit wird klar, dass die Serie ein Klassiker unter den Nintendo-Spielen ist.
Wie begann die Entwicklung von „Super Mario Kart“? Wie nahm die einzigartige Atmosphäre des Spiels Gestalt an? Darüber spreche ich mit Tadashi Sugiyama und Hideki Konno, die schon lange Teil des Entwicklerteams der Reihe sind.
Los geht‘s mit den Herren Sugiyama und Konno!
Teil 4: Super Mario Kart
Entwicklung mit zwei Directors
Herzlichen Glückwunsch zum 25. Jubiläum von „Super Mario Kart“!
Danke schön.
Sie waren beide als Director für „Super Mario Kart“ tätig. Lange vorher waren Sie, Herr Sugiyama, in die Entwicklung von Ice Climber1 involviert. Sie sind also auch der Vater von Popo und Nana, richtig?
Ja. Die habe ich entworfen.
1. Ice Climber: Ein vertikal scrollender Action-Platformer für das Nintendo Entertainment System (NES). Das Spiel erschien ursprünglich im Januar 1985 in Japan und im September 1986 in Europa.
Herr Konno, was war Ihre erste Aufgabe?
Ice Hockey2 für das Nintendo Entertainment System. Sportspiele sind außerhalb Japans sehr beliebt. Wenn ich also mit Leuten aus anderen Ländern spreche und ihnen sage, dass ich als Erstes an „Ice Hockey“ gearbeitet habe, sind sie immer sehr überrascht. Davon habe ich auf jeden Fall profitiert. (lacht)
2. Ice Hockey: Ein Sportspiel für NES. Es erschien im Januar 1988 in Japan und im April 1988 in Europa.
Verstehe... (lacht) Was genau waren Ihre Aufgaben bei „Super Mario Kart“?
Ich war für das Design verantwortlich, habe das also geplant und mich um die Hintergründe gekümmert und so weiter.
Und auch die Charaktere waren Ihre Aufgabe, nicht wahr?
Ja.
Und Sie, Herr Konno?
Ich war hauptsächlich für die technologischen Aspekte zuständige, also für Dinge wie die Gameplay-Logik. Wir hatten natürlich Programmierer dafür, aber ich war auch für Dinge zuständig, die mit dem Spielsystem zu tun hatten.
Wie viele Leute haben denn an „Super Mario Kart“ mitgearbeitet?
Nicht viele.
Insgesamt acht Leute.
Ist da auch Shigeru Miyamoto mit eingerechnet, der Produzent?
Ja. Damals war das ganz schön viel! (lacht)
Acht Leute waren ganz schön viel?
„Ice Hockey“ wurde von nur fünf Leuten gemacht!
Oha! Wie lange hat die Entwicklung denn gedauert?
Etwa ein Jahr?
Ja, das denke ich auch.
Sie haben ein so wichtiges Spiel in gerade mal einem Jahr gemacht?
Ja!
„F-ZERO“ für zwei Spieler
Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Sie „Super Mario Kart“ entwickelt haben?
Miyamoto hat uns aufgetragen, ein F-ZERO3 für zwei Spieler zu erschaffen.
„F-ZERO“ war ein Rennspiel für einen Spieler.
3. F-ZERO: Ein Rennspiel für das Nintendo Entertainment System (SNES). Es erschien ursprünglich 1990 in Japan und 1992 in Europa.
Das Super NES hatte zwei Controller, also wollte er wohl, dass wir beide nutzen.
Genau.
Aber wenn es ein „F-ZERO“ für zwei Spieler werden sollte, hatte es ja gar nichts mit Mario zu tun!
Das stimmt. Wir hatten überhaupt kein Konzept für ein Rennspiel mit Mario. Wir haben mit einem Mehrspieler-Titel im Stil von „F-ZERO“ herumexperimentiert. In „F-ZERO“ ist man mit über 400 km/h auf langen, geraden Strecken unterwegs. Wir haben aber schnell gemerkt, dass man das nicht umsetzen konnte, wenn man den Bildschirm in zwei Teile teilte.
Die Hardware ließ einfach nicht zu, dass man zwei Strecken mit langen, geraden Flächen in zwei Fenstern auf dem Bildschirm anzeigte.
Wenn Sie sich heute Strecken aus „Super Mario Kart“ ansehen, verstehen Sie das. Statt Strecken mit langen, geraden Linien sind die Strecken hier kompakt gestaltet, mit vielen Biegungen und Kurven, damit sie gut in einen Kasten passen.
Die Hardware ist also dafür verantwortlich, dass sie enge, gewundene Strecken verwenden mussten?
Genau. Und bei solchen engen Strecken ergaben nur die Karts als Fahrzeuge Sinn.
Verstehe! Aufgrund der Strecken verwendeten Sie diese Karts, die viel langsamer sind.
Genau.
Ich hätte gedacht, Sie haben die Karts verwendet, damit Sie die Charaktere zeigen können, die das Rennen fahren!
Nein, damit hatte das nichts zu tun.
Am Anfang wurden die Karts von jungen Männern in Overalls gelenkt.
Wir haben ihnen Helme in verschiedenen Farben verpasst, damit man sie auseinanderhalten konnte. Aber von hinten konnte man nicht sagen, wer jetzt wo war.
Alle trugen Overalls und hatten daher die gleiche Form.
Und dann ist es noch Pixelkunst, also von daher...
Mit acht fast identischen Rennfahrern wäre es langweilig. Bis dahin hatten wir uns auf das System konzentriert, dann haben wir uns mit dem Design befasst.
Wir haben uns gefragt, was für Charaktere man wohl auch von hinten erkennen würde, also haben wir es mal mit Mario probiert.
Mario war also ein Test.
Und dann sah es aus, als ob es funktionieren könnte!
Spezialauftritt zum 10. Jubiläum?
Haben Sie sich nicht überlegt, komplett neue Charaktere zu erschaffen?
Na ja, es sollte ja jemand sein, den jeder von hinten erkennen würde...
Man konnte sofort erkennen, ob Mario oder Luigi fuhr, wegen der roten und grünen Farbe. Sie sahen visuell gut aus und wir konnten ihre unterschiedlichen Merkmale gut herausstellen. Deshalb hielten wir es für eine gute Entscheidung.
Deswegen haben Sie sich für Mario und Luigi entschieden. Und wie kam es zu den anderen Charakteren?
Da man sie von hinten erkennen musste, haben wir uns noch für Yoshi, Peach, Toad, Koopa, Bowser und Donkey Kong Jr. entschieden.
War das eine schnelle Entscheidung?
Ja, relativ schnell.
Sogar Koopa?
Ich denke, für ihn haben wir uns zuletzt entschieden. (lacht) Am Ende waren wir denke ich nicht mehr sicher, was wir noch machen sollten, also haben wir Koopa mal mit dazugenommen.
Mit Gumba haben wir es erst gar nicht versucht. (lacht)
Na ja, er hat ja keine Hände, da kann er das Lenkrad nicht fassen! (lacht)
Deswegen blieb praktisch nur Koopa übrig! (lacht)
Ich frage mich allerdings, weshalb Sie sich für Donkey Kong Jr. und nicht für Donkey Kong entschieden haben.
Ja, woran lag das noch mal?
Hmmm...
In einem Interview mit Herrn Miyamoto in einem 25 Jahre alten Strategie-Ratgeber für „Super Mario Kart“ meinte dieser, es wäre gerade das 10. Jubiläum des Spiels „Donkey Kong Jr.“ gewesen.
Ach ja? Wirklich? (lacht)
Das Spielhallen-Spiel Donkey Kong Jr.4 erschien 1982, es müsste damals also tatsächlich das 10. Jubiläum stattgefunden haben.
4. Donkey Kong Jr.: Ein Action-Spiel, das 1982 in Spielhallen erschien. Das ursprüngliche Donkey Kong erschien 1981 in Spielhallen.
Ich denke, ein anderer Grund war, dass Donkey Kong Jr. ein Hemd trägt. So ist er einfacher zu designen.
Mario trägt einen Overall, weil sich dieser für die Pixelanimation eignet. Ich denke, der gleiche Gedankengang führte uns auch zu Donkey Kong Jr.
Verstehe.
Also lag es daran UND am 10. Jubiläum! (lacht)
(lacht)
Acht Typen in Overalls
Eine der hervorstechenden Funktionen von „Super Mario Kart“ ist, dass man Items wie Bananen und Panzer werfen und gegen seine Rivalen einsetzen kann. Wie kam es zu diesen Items?
Als die Typen in Overalls noch hinter dem Lenkrad saßen, konnte sie Ölkännchen werfen. Dann verteilte sich das Öl und die Karts sind darauf herumgerutscht. Ölkännchen passten zu den Overall-Trägern. (lacht)
Aha! (lacht)
Und es machte Spaß, so mit den Typen in Overalls zu spielen. Wenn es funktioniert hat, riefen wir: „Juhuu! Es hat geklappt!“ (lacht) Aber dann kam Mario ins Spiel und...
Ölkännchen wurden zu Bananenschalen. Aber wieso Bananen?
Wegen Donkey Kong Jr.! Er mag Bananen. Und die Schalen sind rutschig, also hat das gepasst.
Im ursprünglichen Spiel warf von den computergesteuerten Charakteren nur Donkey Kong Jr. mit Bananenschalen. So haben wir den Charakteren ihren Charakter verpasst.
Man konnte also Bananenschalen verwenden und dann haben Sie über weitere Items nachgedacht.
Genau. Wir wollten etwas, mit dem man die Karts vor sich abschießen konnte, und da haben wir uns gefragt, was wohl zur Mario-Welt passt – und das waren die Panzer. (lacht)
Wir wollten etwas Zielsuchendes, und das sind die roten Panzer.
Es gibt auch Blitze.
Die haben wir am Ende der Entwicklung noch eingebaut.
Wir wollten ein Item, das ganz schnell alles durcheinanderbringen konnte.
Deshalb ist der Blitz ein Item, das am ehesten für den Spieler auf dem letzten Platz erscheint.
Genau. Als es dazu kam, haben wir uns angestrengt, die richtige Balance zu finden. Es war zu der Zeit ganz unglaublich, wie viel Gameplay noch dazugekommen ist, um es richtig auszuloten.
Ich habe gehört, dass Sie nicht nur das Spiel entwickelt haben, sondern sich auch mit richtigen Karts beschäftigt haben.
Ja. Wir sind nach Nemu no Sato gereist, eine Ferienanlage in der Präfektur Mie. Offenbar heißt sie jetzt anders und hat sich sehr verändert.
Und was haben Sie dort erforscht?
Bei Karts denkt man ja gleich an Go-Karts, aber wir hatten richtige Karts für Kartrennen vor Augen. Wir wollten, dass die Programmierer mal so was fahren, damit sie ein Gefühl für die Physik und die Bewegung bekommen. Das sollten sie dann beim Programmieren einsetzen.
Verstehe.
Und wir hatten ja nur sieben Entwickler, deswegen war das auch logistisch nicht weiter problematisch. Aber als ich Herrn Miyamoto um Erlaubnis bat, habe ich ganz schön was von ihm zu hören bekommen. „Wieso? Können Sie denen nicht sagen, wie es ist, so was zu fahren?“ (lacht) Aber irgendwann hat er doch zugestimmt.
Und es hat auch geholfen, oder?
Auf jeden Fall!
Das Fahrzeug explodiert!
Was genau haben sie auf dieser Ferienanlage gelernt?
Als wir in den Karts gefahren sind, haben wir die Beschleunigungskräfte stark gefühlt. Auch der niedrige Blickwinkel ist uns aufgefallen.
Unser Ziel war es auch, den Drift zu spüren.
Wenn man so ein Kart fährt, merkt man erst, dass jeder kleine Fehler es zum Drehen bringen kann. Es ist ein schwieriger Sport. Egal, wie wir das den Programmierern erklärt hätten, das hätten sie ohne Ausprobieren nicht richtig verstanden. Deswegen wollten wir, dass sie richtige Karts fahren, allerdings...
Ja?
Die waren so frisiert, dass sie nicht weiter rutschen konnten. (lacht)
Und sie waren nicht schnell genug, als dass sie sich von selbst drehen konnten.
Und was haben Sie dann gemacht?
Wir sind über die Rennstrecke gefahren und haben gesagt: „Na, das hat jetzt Spaß gemacht!“ (lacht)
(lacht)
Aber wir haben schon gemerkt, dass Karts generell Spaß machen.
Das war eigentlich der größte Gewinn. (lacht)
Ja. (lacht) „Super Mario Kart“ sieht witzig aus, aber wir haben uns reingehängt, damit es sich realistisch anfühlt. Das haben wir so hart probiert, dass wir richtige Karts dazu gefahren haben!
Genau.
Wir haben auch ihre interne Bauweise berücksichtigt, deshalb haben wir ein ferngesteuertes Kart gebaut.
Stimmt ja! (lacht)
Wirklich? (lacht)
Das war ein tolles Teil, mit einem richtigen Motor statt nur einem Elektromotor.
Es war groß! Über 50 cm, glaube ich.
Und da wir uns schon die Mühe gemacht hatten, so was zu bauen, sollte es auch schnell sein. Deswegen haben wir Teile ausgetauscht und so weiter und haben es ordentlich frisiert und es sogar bunt angemalt. Wir haben uns schon immer für Mechanik interessiert. Wir haben es im Büro mal ausprobiert und es war echt schnell!
Und sehr laut! (lacht)
Das war ein ordentlicher Motor, was? (lacht)
Wir wollten, dass die Programmierer es steuern und den Drift spüren und wir dachten, es würde beim Designen helfen. Wir haben es ihnen also gezeigt und es dann dem Hauptprogrammierer gegeben.
Aha.
Und fünf Sekunden später ist es mit einer Wand kollidiert. (lacht)
Bitte?!
(hebt beide Hände in die Luft) Bumm! Dann war es nur noch Schrott! So ging es damit zu Ende. (lacht)
(lacht)
Das konnten wir nicht mehr reparieren. (lacht)
Aus und vorbei. (lacht)
Es hat also am Ende nicht viel gebracht. (lacht)
Nun ja, wir hatten es gebaut, also wussten wir zumindest, wie man so ein Kart baut. Aber wie es sich steuern lässt, haben wir kaum gelernt, bevor wir es wegschmeißen mussten!
Ein kleines Wunder
Jetzt würde ich gerne das Thema wechseln. Herr Sugiyama, wie war das Super NES für Sie?
Ein großer Vorteil dieser Konsole war, dass man die Grafiken vergrößern, verkleinern und rotieren konnte. Es war schwierig, herauszufinden, wie man das im Spiel nutzen konnte.
Aber verglichen mit dem NES konnte man mehr machen, das war doch sicher auch lustig, oder?
Ja. Wir konnten viel mehr Farben verwenden als mit dem NES, also konnte man sehr viel mehr machen.
Das war sicher wie ein tolles neue Spielzeug.
Ja, auf jeden Fall.
Und bei Ihnen, Herr Konno?
Ich hatte schon immer NES-Spiele gemacht, seit ich in die Firma kam, und das Super NES war dann das erste Mal, dass ich den Wechsel von einer Hardware-Generation zur nächsten erlebt habe. Ich weiß noch, dass ich das sehr aufregend fand.
„Super Mario Kart“erschien innerhalb von zwei Jahren, nachdem das Super Famicom5 auf den Markt kam, also hat es mich überrascht, dass die Entwicklung nur ein Jahr gedauert hat. Und dass es als „F-ZERO“ für zwei Spieler begann!
5. Super Famicom: Eine Version des Super NES, die am 21. November 1990 in Japan erschien.
Genau. Wenn die Hardware des Super NES es möglich gemacht hätte, lange gerade Linien auf einem geteilten Bildschirm anzuzeigen, hätten wir vielleicht „F-ZERO 2“ gemacht.
Dann hätte es „Super Mario Kart“ nie gegeben!
Das stimmt. Wir konnten nur kurvige Strecken machen und wir haben die Karts entwickelt, damit es Spaß machte. Und dann hat etwas gefehlt, wenn man nur mit acht Karts herumfuhr, also haben wir die Ölkännchen eingesetzt und waren davon richtig begeistert. „Uii, die rutschen ja!“ Tja, und so hat sich das ergeben!
Und das Öl wurde zu Bananenschalen und all das in einem einzigen Jahr.
Ganz genau.
Und dann waren Sie in der Ferienanlage und haben sogar ein ferngesteuertes Auto pulverisiert. (lacht)
Ja! (lacht)
Und nach all dem wurde „Super Mario Kart“ dann das bestverkaufte Spiel für Super Famicom in Japan. Es ist verblüffend, dass es eine Serie mit vielen Teilen wurde.
Ja, insofern war es ein sehr positives Projekt. Anfangs wollten wir gar nicht in diese Richtung gehen, aber da wir so viele Einschränkungen hatten, wurde es aus reiner Notwendigkeit zu dem, was es geworden ist. Das ist ein kleines Wunder.
Außerdem hat Herr Miyamoto nicht mal „das Kaffeetischchen umgeworfen“!
Das ist auch ein Wunder! (lacht)
Herr Miyamoto war mit der Entwicklung des Projekts also zufrieden?
Ich denke schon! (lacht)
Teil 5 dieser Interview-Reihe wird demnächst erscheinen: Super Mario World und „Super Mario World 2: Yoshi’s Island“!
Erfahre in unseren Interviews mit den Entwicklern mehr über die Spieleklassiker, die auf dem Nintendo Classic Mini: Super Nintendo Entertainment System enthalten sind!
Teil 1: „Star Fox“ und „Star Fox 2“
Das Nintendo Classic Mini: Super Nintendo Entertainment System ist jetzt erhältlich. Informationen zur derzeitigen Verfügbarkeit erhältst du im Einzelhandel.