2. „Sticker überall”

Iwata:

Paper Mario für den Nintendo 64 war das erste Spiel der Serie mit pergamentartigen 2D-Grafiken. Ich finde, hier hat Mr. Miyamoto wirklich Ausdauervermögen bewiesen, bis er endlich diesen einzigartigen Stil geschaffen hat. Wie war das damals für die Entwickler?

Nakajima:

Das war wirklich eine Herausforderung. Nachdem wir beschlossen hatten, ein zweites Super Mario RPG zu machen, konnten wir uns auf kein Erscheinungsbild einigen, das die Einführung eines anderen Mottos als in der Hauptserie zuließ.

Iwata:

Mr. Tanabe, Sie waren zu dieser Zeit noch nicht so stark in Paper Mario eingebunden, oder?

Tanabe:

Abgesehen davon, dass ich Mr. Kudo am Anfang in das Projekt einführte, hatte ich nicht so viel damit zu tun.

Kudo:

Oh, stimmt das?

Iwata:

Mr. Tanabe war der Ansprechpartner für HAL Laboratory. Er zerbrach sich den Kopf darüber, wie man Spiele für den Nintendo 64 entwickelte, während ich zu dieser Zeit bei HAL Laboratory war. (lacht)

Tanabe:

Oh… taten wir das? (lacht)

Iwata:

So um 1997 herum war HAL Laboratory dann ein bisschen verloren. Der Grund dafür lag auf der Hand: Super Mario 6418 wurde plötzlich zur gleichen Zeit veröffentlicht wie der Nintendo 64. Also zerbrachen wir uns alle den Kopf darüber, welches Produkt wohl mit Super Mario mithalten könnte. Es dauerte eine ganze Weile, bis HAL Laboratory auf die Idee mit Super Smash Bros.19 kam – und ich wette, IS hatte das gleiche Problem.18. Super Mario 64: Das erste 3D-Action-Spiel in der Super Mario-Serie, das gleichzeitig mit dem Nintendo 64-System im Juni 1996 veröffentlicht wurde.19. Super Smash Bros.: Ein Action-Kampfspiel, das für das Nintendo 64-System im Januar 1999 veröffentlicht und von HAL Laboratory, Inc. entwickelt wurde.

Nakajima:

Ja, und ob. Und vor allen Dingen handelte es sich dabei um ein Mario-Spiel! Wir konnten uns nicht für eine Marschrichtung für die Grafik entscheiden. Zunächst teilten wir uns in verschiedene Teams auf und arbeiteten parallel an ungefähr drei verschiedenen Probemodellen.

Iwata Asks
Iwata:

Mr. Aoyama, woran arbeiteten Sie damals?

Aoyama:

Ich war damals immer noch relativ neu in der Firma und beschäftigte mich als Designer mit der Erstellung eines dieser Modelle.

Iwata:

Dann waren Sie also „der Neue“.

Aoyama:

Während man sich noch unschlüssig über das Design war, verbrachte ich viel Zeit damit zu warten. Und während dieser Zeit – und auch nur aus eigenem Interesse und völlig losgelöst von der Richtung des Teams – entwarf ich eine grobe Skizze. Ich hoffte, diese könnte irgendwie als Ausgangspunkt dienen, und reichte sie ein.

Iwata:

Okay…

Aoyama:

Anschließend wurde ich zu einem Planungsmeeting dazu gerufen. Man sagte mir: „Bringen Sie bitte dieses Bild noch mal mit“, und das ist, was ich damals bei dem Meeting eingereicht habe.

Iwata Asks
Iwata:

Oh, das Bild ist schon 15 Jahre alt und stammt vom 5. März 1997!

Aoyama:

Es besteht aus 3D-Polygonen, aber ich habe es so gezeichnet, dass es einem Bilderbuch gleicht, das in ein Videospiel umgewandelt wurde. Nämlich mit einem 2D-Hintergrund und Charakteren, die an Pergament erinnern.

Nakajima:

Diesen Stil gab es einfach noch nicht auf dem Weg, der damals üblich war. Auf den Bildern ist jedoch spürbar, wie viel Gefühl Super Mario entgegengebracht wird.

Aoyama:

Ich denke, zu dieser Zeit lag es voll im Trend, bei Heimkonsolen realistisches 3D abzubilden. Mir gefiel jedoch dieser Spleen, mit den 3D-Funktionen ein 2D-Erscheinungsbild zu unterstreichen.

Kudo:

(sieht sich das Memo an) Hey, das ist doch ganz klar meine Zeichnung! (lacht)

Iwata:

Das steht: Love-de-Lic.2020. Love-de-Lic, Inc.: Ein japanischer Videospiel-Entwickler, zu dem Mr. Taro Kudo eine enge Beziehung hatte, nachdem er Square Co., Ltd. verlassen hatte. Als die Team-Mitglieder ihre eigenen Wege gingen, teilte sich das Team in mehrere Firmen auf, darunter auch Vanpool, Inc.

Iwata Asks
Aoyama:

Mr. Kudo war damals auch da.

Iwata:

Im März vor fünfzehn Jahren verwendeten Sie also schließlich etwas, das ein neuer Designer nur so zum Spaß entworfen hatte,

Aoyama:

Ja.

Tanabe:

Ich glaube, Mr. Miyamoto war sehr beeindruckt. Nach Paper Mario für den Nintendo 64 hatte Mr. Aoyama eine Zeitlang Abstand von der Serie genommen. Und plötzlich wurde er zum Projektdirektor dieses Spiels ernannt.

Iwata:

Ah, ich verstehe. Und Mr. Miyamoto wollte, dass die Grafik im Stil der Ideen von Mr. Aoyama entwickelt wurde.

Tanabe:

Ich denke schon. So gesehen begann das Projekt mit einem ganz neuen Team.

Nakajima:

Nur einige wenige Programmierer hielten uns die Stange, um sich frühere Errungenschaften zunutze zu machen. Aber im Bereich Planung und Design waren ungefähr 90% des Teams zum ersten Mal dabei.

Iwata:

In mancherlei Hinsicht bedeutete das eine Rückkehr zu Paper Marios Ursprüngen. Aber gab es einen Grund für diese Neuformierung?

Tanabe:

Der wichtigste Grund war, dass Mr. Miyamoto dieses Mal von uns eine grundlegend veränderte Atmosphäre bei Paper Mario verlangte. Ich hatte davon gehört, dass Mr. Miyamoto wirklich eine ganze Weile über den Umgang mit der Super Mario-Serie nachgedacht und verschiedene Dinge gegeneinander abgewogen hatte.

Iwata:

Schon ganz zu Beginn des Projekts waren wir der Ansicht, dass sich Paper Mario gut für den Nintendo 3DS eigne. Und der Prototyp, der an Papierkunst erinnerte, war gut gelungen.

Tanabe:

Das war ungefähr vor drei Jahren, gegen Ende des Jahres 2009.

Aoyama:

Zu Beginn der Entwicklung brachten wir einfach unsere Ideen ein, um die stereoskopische Display-Funktion auszuschöpfen. Auf der E3 im Jahre 201021 enthüllten wir vor der Veröffentlichung des Nintendo 3DS dann mehrere Bilder von Prototypen.21. E3: Abkürzung der „Electronic Entertainment Expo“. Eine Videospielmesse, die jährlich in Los Angeles in Kalifornien stattfindet.

Iwata:

Warum hat es dann bis jetzt gedauert?

Aoyama:

Nach der E3 spielte Mr. Miyamoto den Prototyp und sagte, es handele sich hierbei nur um eine Portierung der GC-Version.2222. GC-Version: Ein Querverweis auf Paper Mario: The Thousand-Year Door, das zweite Spiel in der Paper Mario-Serie, das im Juli 2004 für das Nintendo GameCube (GC)-System veröffentlicht wurde.

Tanabe:

Ich hatte gehört, dass Mr. Miyamoto zunächst gesagt hatte, so etwas, wie ein RPG, sei schon in Ordnung. Daher nahm ich an, wir könnten etwas in der Art des vorigen Spiels erstellen.

Iwata:

Das muss bedeutet haben, dass Sie bis dahin gar nicht viel Neues gemacht hatten.

Tanabe:

Genau. Und so fragten wir uns, was wir tun sollten. Dann kam die Idee auf, Sticker einzusetzen. Ursprünglich war geplant, hier und da ein paar Sticker zum Lösen von Rätseln auf der Landkarte zu verwenden. Dann dachten wir aber, wenn wir das machen, können wir die Sticker genauso gut für das gesamte Spiel, einschließlich der Kämpfe, verwenden. Und so fingen wir an, die Spielmechanismen zu überdenken.

Iwata Asks
Iwata:

Und in diesem Moment trat dann diese Vorgehensweise, die Sticker überall einzusetzen, in den Vordergrund?

Tanabe:

Ja. Aber zunächst war dies nicht so einfach umzusetzen.

Iwata:

Sie arbeiteten gerade an Donkey Kong Country Returns23 für die Wii, und ich hatte Sie gebeten, sich nicht zusätzlich auch noch in andere Projekte zu vertiefen.23. Donkey Kong Country Returns: Ein Action-Spiel, das im Dezember 2010 für die Wii erschien.

Tanabe:

Doch dann war Donkey Kong Country Returns fertig, und das neue Jahr begann. Und zu Beginn des Jahres 2011 durfte ich dann richtig in die Entwicklung einsteigen. Als Erstes bat ich Mr. Kudo um seine Mitarbeit bei diesem Projekt.

Kudo:

Ja, das war so zu dieser Zeit.

Tanabe:

Das war schon irgendwie schicksalsträchtig. Etwa Anfang Februar kam Mr. Kudo zur Besprechung eines anderen Projekts nach Kyoto. Er saß genau vor mir und bedauerte dabei ganz beiläufig, dass er leider als Präsident immer zu sehr mit anderem beschäftigt sei, um noch einmal richtig bei der Entwicklung mitwirken zu können.

Iwata:

Oh ja, das kommt mir bekannt vor! (lacht)

Alle:

(lachen)

Tanabe:

Zu dieser Zeit suchte ich auch nach jemandem, der gute Texte schreiben konnte. Ich konnte ja nicht immer selbst vor Ort sein. Daher suchte ich jemanden, der präsent war und schwierige Entscheidungen treffen konnte. Hierfür eignete sich Mr. Kudo hervorragend. Außerdem konnten wir wegen IS auf eine gemeinsame Verbindung zurückblicken. Also fragte ich ihn, ob er uns bei der Entwicklung helfen könne. Meines Erachtens ging das zu weit, den Präsidenten einer anderen Firma um seine Mitarbeit bei einem Projekt zu bitten, für das ich zuständig war. Aber Mr. Kudo willigte ein. Und im Frühling des Jahres 2011 konnten wir Mr. Miyamoto dann einen Prototyp präsentieren.

Iwata:

Okay. Und wie fand er ihn?

Tanabe:

Ich persönlich fand ihn besser als den vorigen, aber er wurde für nicht so gut befunden.

Aoyama:

Er fand ihn langweilig. Daran kann ich mich noch genau erinnern.

Iwata Asks
Iwata:

Wenn ich Ihnen so zuhöre, dann meine ich herauszuhören, dass Mr. Miyamoto vom Team schon gefürchtet war.

Aoyama:

Ja, und ob! (lacht)

Tanabe:

Hier mangelt es uns wirklich nicht an Anekdoten. Leider können wir heute hier nur einen Bruchteil davon preisgeben!

Alle:

(lachen)