2. Wie bei einem Puzzle

Iwata:

Als ich den fertigen Nintendo 3DS XL zum ersten Mal gesehen habe, war ich sehr beeindruckt davon, dass der LCD-Bildschirm eine so große Fläche der ganzen Front des Systems ausfüllt. Um es anders auszudrücken, der "Bilderrahmen" um den LCD-Bildschirm ist äußerst schmal, wenn man ihn mit den bisherigen Hardware-Systemen von Nintendo vergleicht.

Iwata Asks
Murakami:

Ja, das ist ein großer Unterschied zur bisherigen Hardware.

Iwata:

Wenn es um andere elektronische Geräte geht, gibt es viele Produkte mit noch schmaleren Rahmen, aber als Spielsystem, das Nintendos Standards und Ansprüchen genügt, war ich sehr beeindruckt davon, wie schmal der Rahmen ist. Ich wollte Sie heute gerne fragen, wie Sie das geschafft haben.

Koshiishi:

Der Schlüssel dazu waren wahrscheinlich die Lautsprecher.

Fujita:

Ja. Die Größe der Lautsprecher beeinflusst das Rahmen-Design, aber der erste Design-Entwurf, den unser Team bekommen hat, war schon so, dass die Lautsprecher des Nintendo 3DS nicht gepasst hätten. (lacht)

Iwata Asks
Alle:

(lachen)

Fujita:

Wir wollten dem Entwurf mit unserer Arbeit so nahe wie möglich kommen, also haben wir uns nach kleineren Lautsprechern umgesehen und überlegt, ob wir die Lautsprecher in der unteren Hälfte des Geräts unterbringen sollten. Wir haben den Nintendo DSi XL abgeändert und die Lautsprecher bei den Knöpfen platziert, und dann haben wir überprüft, wie es sich anhört, wenn die Titelmelodie von "Dragon Quest" läuft.

Iwata:

Wenn die Lautsprecher kleiner sind oder der Sound aus einer anderen Richtung als vom Bildschirm kommt, kann der Klang unter Umständen eine deutlich geringere Wirkung haben.

Fujita:

Ja. Musik spielt ja eine große Rolle bei Spielen, deshalb haben wir eine Reihe von Lautsprecherherstellern nach verschiedenen Technologien gefragt und so von dünneren und länglichen Lautsprechern gehört.

Iwata:

Ah, anstelle der runden Lautsprecher.

Fujita:

Genau. Als wir zuerst davon erfahren haben, waren sie noch nicht endgültig einsatzfähig, aber zumindest haben sie wirklich Klang erzeugt, also dachten wir, dass es damit klappen könnte. Dann haben wir zusammen mit dem Hersteller die Entwicklung vorangetrieben und haben die Lautsprecher umgesetzt, die wir jetzt auch im endgültigen Produkt verwendet haben.

Iwata:

Sie haben also Lautsprecher in spezieller Form angefertigt, die in ein schmales und längliches Gehäuse passen. Wie klingen die denn?

Fujita:

Wenn man sich ein Schaubild der akustischen Eigenschaften ansieht, klingen sie nicht ganz exakt wie die Lautsprecher des Nintendo 3DS. Die Lautsprecher sind kleiner als die des Nintendo 3DS, da haben sie es also schon mal schwieriger. Aber indem wir die Struktur und die Fähigkeiten der Lautsprecher selber speziell abgestimmt und dann den Klang über die Software optimiert haben, konnten wir erreichen, dass sie sehr ähnlich klingen wie die Lautsprecher des Nintendo 3DS.

Iwata:

Ich verstehe. Da haben Sie also viel Zeit und Mühe investiert.

Fujita:

Davon sieht man zwar nicht viel, aber es steckt wirklich sehr viel Arbeit darin.

Iwata:

Sie hätten aber nicht so viel erreichen können, wenn Sie nicht auch an anderen Elementen gearbeitet hätten, deshalb haben sich wohl alle sehr konzentriert und Ihr Bestes gegeben.

Miyatake:

Was den Rahmen betrifft, haben wir beim Nintendo 3DS als Grundfarbe für alles Schwarz gewählt, um das stereoskopische 3D zu betonen. Aber diesmal sind die Bildschirme groß genug, dass man alleine durch die Größe schon fasziniert ist, deshalb konnten wir diesmal auch andere Farben als Schwarz benutzen.

Iwata Asks
Iwata:

Wenn man wirklich hinsieht, ist ein so großer Bildschirm mehr als genügend, auch ohne die visuelle Unterstützung und den Kontrast des Rahmens.

Murakami:

Richtig. Und um das gesamte System so dünn wie möglich zu machen, kommt es auf den verwendeten Kunststoff an. Bei einem gewöhnlichen Plastik erhält man immer ein dickes Gehäuse, deshalb haben wir diesmal einen dünnen Kunststoff verwendet, der besonders hart und widerstandsfähig ist.

Iwata:

Macht so ein harter Kunststoff es nicht auch schwierig, das Gehäuse zu formen?

Murakami:

Ja, und es ist auch schwierig, eine gute Färbung zu erzielen.

Iwata:

Ach ja?

Miyatake:

Das Oberflächenmaterial der Oberseite eines aufgeklappten Nintendo 3DS XL-Systems besteht aus einem neuartigen Kunststoff namens GF55.

Iwata:

GF steht für Glasfaser, nicht wahr?

Murakami:

Ja. Das ist ein Plastik, das mit feinen Glasfasern verstärkt ist.

Iwata:

Bedeutet der Name GF55, dass der Kunststoff zu 55% aus Glasfasern besteht?

Miyatake:

Genau richtig. Normalerweise arbeitet man die Farbe eines Kunststoffs heraus und lackiert ihn dann, um besonders schöne Farben zu erreichen, aber bei GF-Kunststoff wirkt die ursprüngliche Farbe nicht so gut.

Iwata:

Bei 55% Glasfasern ist die Verarbeitung und Dekoration doch bestimmt auch schwieriger, oder?

Miyatake:

Ja, stimmt. Da kann man die normalen Bearbeitungsmethoden nämlich nicht verwenden! (lacht) Deshalb haben wir mit einem Sprühlack eine schöne Grundfarbe erzeugt und dann eine zweite Lackschicht für die Dekoration aufgesprüht.

Iwata:

Aha, das wusste ich noch gar nicht.

Murakami:

Das bedeutet, dass die Bemalung relativ aufwändig ist, aber ohne das verwendete Material hätten wir nicht die Balance zwischen geringer Dicke und hoher Widerstandsfähigkeit erreichen können. Und was das Scharnier betrifft ...

Fujita:

Ja, das ist an seiner dünnsten Stelle nicht mal einen Millimeter dick.

Murakami:

Wir mussten ganz neue Ansätze für bestimmte Elemente finden, wie zum Beispiel die Abstände beim Zusammenbau der einzelnen Teile, und deshalb haben wir unglaublich detaillierte Simulation für die Toleranzanalysen durchgeführt.

Iwata:

Im heutigen "Iwata fragt"-Interview kommen wahrscheinlich die schwierigsten Fachbegriffe vor! (lacht)

Iwata Asks
Alle:

(lachen)

Iwata:

Also, mit den Abständen ist erstmal ganz einfach Freiraum gemeint - in diesem Fall der Freiraum, den die Einzelteile für Bewegungen zur Verfügung haben. Abstand bedeutet hier also, dass es genügend Platz gibt und sich zwei Bauteile nicht berühren. Das ist doch richtig, oder?

Murakami:

Ja, das stimmt.

Iwata:

Und Toleranz ... weil es bei der Massenproduktion von Einzelteilen so gut wie unmöglich ist, dass jedes gefertigte Teil exakt die gleichen Maße hat, wie im Entwurf vorgesehen ist, gibt es festgelegte Abweichungswerte, die noch akzeptabel sind. Das sind die Toleranzen. Wenn man mehrere Einzelteile zusammensetzt, können sich diese Abweichungen auf die gesamte Produktion auswirken, so dass man im Vorfeld eine Toleranzanalyse berechnet, um diese Schwierigkeiten zu verhindern

Murakami:

Stimmt genau. Danke für die Erklärung! (lacht)

Iwata:

Wenn jedes Bauteil eine Toleranz hat, dann können alle geringen Abweichungen zusammen einen großen Unterschied machen.

Alle:

(nicken zustimmend)

Murakami:

Wir haben stundenlang über solche Dinge gesprochen. Wir sagten zum Beispiel: "Können wir dieses Teil 0,1 Millimeter kleiner machen?" (lacht)

Iwata:

Wirklich stundenlang?

Koshiishi:

Wir haben sehr viel Zeit damit verbracht. Wenn man zum Beispiel einen Abstand von 0,3 Millimeter hat, und man spart an einer Stelle 0,1 Millimeter ein und an einer anderen Stelle auch, dann ist man schon bei 0,5. Und dann dachten wir: "Jetzt können wir da sogar ein FPC durchbekommen."

Iwata Asks
Iwata:

Ich habe auch schon bei den Gesprächen über den Nintendo 3DS von FPCs (Flexible Printed Circuits / Bewegliche Leiterplatten) gehört. Das sind dünne Kabel, die verschiedene elektrische Schaltplatinen miteinander verbinden.

Murakami:

So etwas hier. (zeigt auf das Bauteil im transparenten Hardware-Modell) Nahaufnahme: Transparentes Modell

Iwata Asks
Iwata:

Um zum Beispiel die obere und untere Hälfte über dieses Gelenk zu verbinden, wurde an dieser Stelle ein FPC verwendet. Für mich sieht es so aus, als ob da drei FPCs drin wären. Ist das richtig?

Koshiishi:

Ja, genau. Das sind drei.

Iwata:

Sie sagen das einfach so, aber das ist ja eigentlich eine sehr komplizierte Geschichte! (lacht) Solche Geräte sind wirklich wie ein Puzzle, wo es auf präzise Kalkulationen ankommt.