2. Ein Sound, der Mario definiert

Iwata:

Was die Musik von Videospielen angeht, sind meiner Meinung nach die weltweit beliebtesten Melodien die von Mario-Spielen. Kondo-san, Sie als Komponist dieser Musik sprachen davon, „einen Sound zu schaffen, der das ‚Wesen von Mario’ definiert“, als Sie sich vorstellten. Worin genau liegt das „Wesen von Mario“ im Hinblick auf die Musik?

Kondo:

Diese Frage ist tatsächlich schwer zu beantworten. Ich beschäftige mich zwar schon sehr lange mit diesem Thema, aber es fällt mir dennoch schwer, es wirklich in Worte zu fassen. Immer mehr Menschen haben in irgendeiner Weise mit Mario-Spielen zu tun, auch Menschen von außerhalb unserer Firma, und viele von ihnen haben mir diese Frage gestellt. Aber es ist schwer, das mit wenigen Worten auszudrücken.

Iwata:

Es ist schwer in Worte zu fassen, aber ich denke, es gibt auf jeden Fall etwas, das das „Wesen von Mario” definiert. Wir haben im letzten Interview darüber gesprochen, doch als alle darüber diskutierten, was das „Wesen von Zelda“ sei, konnte keiner eine einfache, klare Definition dafür finden. Anscheinend hat jeder seine eigene Meinung darüber, was das „Wesen von Mario“ ist, abhängig von der ganz persönlichen Einstellung.

Iwata Asks
Yokota:

Das „Wesen von Mario“ war etwas, worüber ich mir viele Gedanken machte, als ich erfuhr, dass ich der Komponist für dieses Spiel sein sollte. Meine Schlussfolgerung war ‚Lateinamerikanische Musik’. Percussion-Instrumente aus Lateinamerika wie Steeldrums4, Bongos und Congas5 sind in der Mario-Serie immer wieder zum Einsatz gekommen. Als ich erkannte, dass in Mario-Kompositionen sehr oft lateinamerikanische Instrumente verwendet wurden, fragte ich Kondo-san danach. Aber er meinte nur, dass er diese Instrumente nie bewusst eingesetzt habe. Als ich also die Musik komponierte, bemühte ich mich, nicht den Orchestersound zu produzieren, den ich gewohnt war. Ich versuchte, für Super Mario Galaxy ein Titelthema zu komponieren, das Pop mit einem tropischen Klang und einem Weltraum-Sound vereinte… 4 Steeldrums sind Percussion-Instrumente, ursprünglich aus Trinidad und Tobago, die aus Blechfässern bestehen.5 Bongos und Congas sind kleine Trommeln, die in der lateinamerikanischen Musik verwendet werden.

Iwata:

„Pop mit einem tropischen Klang und einem Weltraum-Sound…” Was für eine Art Musik ist das?!? (lacht)

Alle:

(lachen)

Yokota:

Ich habe in erster Linie lateinamerikanische Instrumente verwendet und den Weltraum-Klang mithilfe eines Synthesizers nachgeahmt, der Sounds produziert, wie man sie aus alten Science-Fiction-Filmen kennt. Der Titel wird im fertigen Spiel nicht verwendet, der Spieler wird ihn also nicht zu hören bekommen. Aber Koizumi-san, der Director, hatte tatsächlich schon sein Okay dafür gegeben. Wissen Sie, meine Liebe für Nintendo-Spiele begann schon sehr früh und ich habe viel Zeit damit verbracht, sämtliche Mario-Spiele intensiv durchzuspielen. Ich war wirklich überzeugt von dem Titel, als ich ihn Kondo-san präsentierte. Aber als ich ihn fragte: „So sollte sich eine Mario-Komposition anhören, oder?“ – da antwortete er ganz einfach: „Das passt nicht.“

Iwata Asks
Iwata:

War das ein großer Schock für Sie?

Yokota:

So groß, dass ich fast meinen Job aufgeben wollte! (lacht)

Kawamura:

Ich erinnere mich, wie ich Yokota-san zu dieser Zeit beobachtete. Er wirkte wirklich so niedergeschlagen, dass er mir leid tat. Und er sagte wirklich: „Wenn das nicht funktioniert, dann gebe ich meinen Job hier auf.” (lacht)

Alle:

(lachen)

Yokota:

Als der Titel abgelehnt wurde, da hatten Kondo-sans Worte wirklich schweren Eindruck auf mich gemacht. Er hatte gesagt: „Yokota-san, wenn Sie irgendwo in Ihrem Kopf den Eindruck haben, dass Mario putzig sein sollte, dann vergessen Sie diesen Eindruck!”

Iwata:

Ich verstehe.

Yokota:

Als ich das hörte, wurde mir klar, dass ich mir Mario immer als eine Figur für Kinder vorgestellt hatte, und ohne es zu merken, hatte ich ‚putzige’ Musik komponiert, von der ich dachte, dass Kinder sie mögen würden. Ich fragte Kondo-san also: „Welche Art von Musik würde zu Mario passen?“ und Kondo-san antwortete: „Mario ist cool.“

Iwata:

Sie haben sich wahrscheinlich gedacht: „Das hätten Sie mir doch gleich sagen können!” (lacht)

Alle:

(lachen)

Yokota:

Am Anfang hatte er mir nur gesagt: „Wenn es zum Spiel passt, können Sie machen, was Sie wollen.” (lacht)

Kondo:

Als ich Musikstücke für Mario komponierte, hatte ich nie das Bild eines putzigen Mario vor Augen. Ich hatte immer an Kompositionen gearbeitet, die in ihrer jeweiligen Zeit cool wirken sollten. Wie bei den Mario-Spielen für SNES und Nintendo 64. Da habe ich bei der Komposition immer darüber nachgedacht, welche Musik zu der jeweiligen Zeit gerade modern war und was sich in der Welt gerade ereignete. Ich komponierte Stücke, die in der jeweiligen Zeit cool klingen würden, und ich passte sie dem optischen Bild der Mario-Spiele an. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, wie ich damals diese Stücke komponierte, lässt sich das Ziel dieser Stücke mit den Worten: „Diese Mario-Titel sollten cool klingen.“ wohl am besten beschreiben.

Iwata Asks
Yokota:

Im Grunde sind Mario-Spiele coole Abenteuer. Das gilt besonders für dieses Mario-Spiel, in dem es um Marios dramatische Abenteuer im Weltraum geht. Also verwendeten wir ein Orchester, um diese riesigen Dimensionen auszudrücken. Jetzt haben wir ein Titelthema wie das eben gehörte, das sich dramatisch von dem unterscheidet, was man bisher aus Mario-Spielen kennt. Aber es war wirklich nicht einfach, dieses Titelthema fertigzustellen! (lacht)

Iwata:

Was meinen Sie damit?

Yokota:

Als meine erste Komposition abgelehnt wurde, sagte mir Kondo-san: „Hören Sie, wir haben viel Zeit, warum denken Sie nicht einfach eine Weile darüber nach und produzieren ein besseres Stück?” Dazu kommt noch, das selbst Koizumi-san, der Director, zu mir sagte: „Es war gar nicht so schlecht.“

Iwata:

„Es war gar nicht so schlecht”? Ich bin sicher, das war kein echter Trost! (lacht)

Alle:

(lachen)

Yokota:

Alle sagten mir: „Selbst wenn es jetzt noch nicht passt, eines Tages werden Sie diese Arbeit hinter sich haben.” Und von da an machte ich mir drei Monate lang Gedanken.