6. Das Kurzzeitgedächtnis des Unterbewusstseins

Iwata:

Übrigens gibt es da doch noch etwas, was man als das „Kurzzeitgedächtnis des Unterbewusstseins” bezeichnen könnte. Wenn Sie zum Beispiel Daten überfliegen, sagt Ihnen Ihr Instinkt manchmal, dass etwas nicht stimmt. Daher nehme ich an, dass im Gehirn gerade ein Art Hintergrundverarbeitung abläuft… Das Gleiche passiert, wenn ein Experte einen Blick auf ein Kunstwerk wirft und sofort beurteilen kann, dass es sich um eine Fälschung handelt. Ich frage mich, ob es sich hierbei um eine Aktionsweise des Kurzzeitgedächtnisses handelt. Dr. Kawashima, was meinen Sie als Hirnspezialist dazu?

Kawashima:

Nun, vom Kurzzeitgedächtnis wird angenommen, dass es genau in der von Ihnen beschriebenen Art und Weise funktioniert. Wir können nur einen ziemlich kleinen Teil des Gehirns bewusst steuern. Im Vergleich dazu ist der Teil, der unterbewusst gesteuert wird, ziemlich groß. Derzeit geht man von der Theorie aus, dass das Gehirn ständig im Hintergrund Informationen verarbeitet, wobei nur die notwendigen Informationen bis ins Bewusstsein vordringen. Da die Hintergrundverarbeitung vom Kurzzeitgedächtnis ausgeführt wird, sollte das Training mit Diabolisches Gehirn-Jogging diese Fähigkeit erweitern. Diese Erfahrung könnten Sie insbesondere beim Diabolischen Zahlenmerken machen.

Iwata:

Das stimmt. Jemand, der Diabolisches Zahlenmerken gespielt hat, berichtete mir, dass ihm die Zahlen beim Spielen einfach so erschienen wären, obwohl er sich nicht bewusst an diese erinnerte.

Kawashima:

Ich habe das Gefühl, dass irgendwann ein Schalter umgelegt wurde, als ich anfing, mit zwei oder drei zurückliegenden Aufgaben problemlos zurechtzukommen und dabei dachte, bald käme ich wahrscheinlich auch mit vier Aufgaben zurecht…

Iwata:

Meinen Sie damit, dass Ihr bewusstes Kurzzeitgedächtnis beim Diabolischen Zahlenmerken auf drei zurückliegende Aufgaben begrenzt ist und Sie zur Lösung der viertletzten Aufgabe Ihr unbewusstes Kurzzeitgedächtnis bemühen müssen?

Kawashima:

Genau. Sie kennen die Lösung, selbst wenn Sie sich dieser nicht bewusst sind. Sie erscheint einfach. Sie müssen etwas herausziehen, das tiefer vergraben ist als die Zahlen in Ihrem Kopf. Da lauert etwas im Schatten hinter Ihrem bewussten Gedächtnis und kommt plötzlich hervor. Selbst ich finde das unglaublich geheimnisvoll. In manchem Momenten dachte ich: „Mein Gehirn hat sich verändert.“

Iwata Asks
Iwata:

Dieser Aspekt und auch der Aspekt, dass durch das Trainieren des Kurzzeitgedächtnisses vielfältige tiefgründige Hirnfunktionen angeregt werden können, muss Ihnen doch großartige Möglichkeiten eröffnen.

Kawashima:

In der Tat. Während ich Diabolisches Gehirn-Jogging als Möglichkeit ansehe, mit der die Leute ihr eigenes Gehirn trainieren können, bin ich persönlich auf die Arten von Veränderungen gespannt, die hierdurch erzielt werden.

Iwata:

Dann nehmen Sie an, dass sich zusätzlich zu der offensichtlichen Verbesserung der Hirnfunktionen, wie einem besseren Gedächtnis, die Gehirne auch noch anderweitig verändern?

Kawashima:

Ich denke, auf der individuellen Ebene wird es eine Reihe von Veränderungen geben, wenngleich sich die Menschen ihrer eigenen Veränderungen nur sehr schwer bewusst werden. Zunächst – und dies ist nur eine Hypothese meinerseits – halte ich es für wahrscheinlicher, dass Familie und Freunde Dinge sagen werden, wie: „Du hast dich aber ein bisschen verändert.“

Iwata:

Die Leute nehmen allmähliche Veränderungen wohl nicht so deutlich wahr. Wir nehmen nur große Veränderungen wahr, können demgegenüber aber Veränderungen bei Leuten sehr gut erkennen, die wir eine Zeitlang nicht gesehen oder nicht beachtet haben.

Kawashima:

Mr. Iwata, ich bin mir sicher, dass auch Sie Vorlesungen halten, bei denen es eine Fragerunde gibt. In der Vergangenheit habe ich bei Fragen, die, sagen wir, in drei Teile untergliedert waren, während der Beantwortung weiter nachgedacht und bin auf jeden Aspekt der Frage eingegangen. Wenn ich heute jedoch mal kurz abschalte, denke ich plötzlich: „Huch, was war der dritte Teile der Frage jetzt noch mal?“ Ein deutlicher Beweis dafür, dass die Kapazität meines Arbeitsgedächtnisses abgenommen hat. (lacht)

Iwata:

Mit dieser Software wurde doch suggeriert, sie könne Leute über einem gewissen Alter helfen, ihre maximale Leistungsfähigkeit wiederzuerlangen, die sie als junge Menschen hatten. Und jüngeren Menschen versprach sie, ihr bisher brachliegendes Potential voll auszuschöpfen.

Iwata Asks
Kawashima:

Das stimmt.

Iwata:

Übrigens hat es doch vom ersten Vorschlag zu Diabolisches Gehirn-Jogging, also von der Entwicklung bis hin zur Veröffentlichung, drei Jahre gedauert … Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Spiel so schwer ist, dass wir jedes Mal beim Lösen der Aufgaben aufgeben möchten!

Kawashima:

Ja, ich weiß, was Sie meinen! (lacht)

Iwata:

Ich kann mir vorstellen, dass das Produktionsteam unter einem erheblichen Druck stand, die Spieler motiviert zu halten. Das Team muss sich viele Gedanken gemacht haben, wie es Leute mit starker Willenskraft konzentriert bei der Stange halten oder diese nach einer Pause zum Weiterspielen bringen konnte. Ich hoffe, dass jeder diese jahrelange harte Arbeit des Teams zu schätzen weiß.

Kawashima:

Unser Vorschlag enthielt ein paar sehr wichtige Hürden, die zunächst überwunden werden mussten. Ich bin wirklich gespannt darauf, wie die Welt diesen neuen Titel aufnehmen wird. „Wettbewerb“ ist dieses Mal ein Schlüsselelement. Ich erhoffe mir auch viel von der StreetPass16-Funktion. Ich kann es gar nicht erwarten, in der Stadt mit meinen Trainingsergebnissen anzugeben!16 StreetPass™ ist ein Feature, mit dem man, wenn es aktiviert ist, bestimmte Spieldaten mit anderen Nintendo 3DS-Nutzern austauschen kann, einfach nur indem man mit dem eingeschalteten Nintendo 3DS unterwegs ist. Verwendet man das StreetPass-Feature in Kombination mit Diabolisches Gehirn-Jogging, können sich die Spieler mit anderen über ihre Trainingsergebnisse austauschen, die erzielten Punkte vergleichen und versuchen, sich gegenseitig zu übertreffen.

Iwata:

Ja. Ein anderes neues Feature ist SpotPass17, das aufgrund von Diskussionen zwischen Ihnen und unserem Entwicklungsteam entstanden ist. Verwenden die Spieler SpotPass auf ihren Nintendo 3DS-Systemen und haben diese zugestimmt und werden keine vertraulichen Informationen gesendet, dann werden die Trainingsergebnisse des ersten Monats an Dr. Kawashima und andere Experten weitergeleitet. Hiervon erhoffe ich mir die unverzichtbaren wissenschaftlichen Probedaten, um die Veränderungen durch Diabolisches Gehirn-Jogging in den Gehirnen der Spieler zu erfassen.17 SpotPass™ ist ein Feature des Nintendo 3DS-Systems, das, wenn es aktiviert ist und sich in der Nähe eines drahtlosen LAN-Zugangspunkts befindet, verschiedene Informationen und Inhalte übermittelt.

Hinweis: Ab dem 9. August 2019 können keine Trainingdaten mehr geteilt werden.

Kawashima:

Ja. Da wir auf diese Weise in der Lage sind, Hunderttausende an Fallbeispielen zu sammeln, möchte ich die Daten gern zusammen mit einigen Professoren der Informationswissenschaften auswerten. Es wäre sehr interessant, wenn dabei etwas Neues ans Licht käme.

Iwata:

Dies könnte Ihre Forschungen einen Schritt voranbringen oder neue Verbindungen aufdecken. Vielleicht können Sie damit auch einige Ihrer Hypothesen beweisen.

Kawashima:

Ja. Diabolisches Gehirn-Jogging enthält mannigfaltige Trainingsaufgaben, bei denen jeder seine ganz persönlichen Stärken und Schwächen haben wird. Um jetzt noch einen Terminus Technicus anzubringen, wäre hierbei die Mustererkennung interessant. Hierbei werden die Leute in Gruppen eingeteilt, um zu untersuchen, welche speziellen Veränderungen sich bei den Leuten vollziehen, die besonders gut bei bestimmten Aufgaben abgeschnitten haben.

Iwata Asks
Iwata:

Natürlich waren auch bei den vorigen Gehirn-Jogging-Spielen schon bestimmte Muster erkennbar. So gab es zum Beispiel Leute, die außerordentlich gut rechnen konnten, dafür aber bei den Gedächtnisübungen nicht so gut abgeschnitten haben. Ich kann mir vorstellen, dass auch die Leute beim Trainieren ihres Kurzzeitgedächtnisses selbst spüren, dass sie in bestimmten Dingen gut und in anderen nicht so gut sind. In dieser Hinsicht finde ich es sehr interessant, wenn unser Produkt neue Forschungsergebnisse anstoßen würde.

Kawashima:

Wenn ich mir sowohl die Schlussfolgerungen als auch die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit ansehe, dann empfinde ich beides als sehr anspruchsvoll und sehr aufregend.

Iwata:

Das hört sich so an, als sähen wir beide der Veröffentlichung mit Spannung entgegen! Ich hoffe, dass wir auch in der Zukunft weiterhin zusammenarbeiten. Vielen Dank, Dr. Kawashima.

Kawashima:

Ja, darauf bin ich auch gespannt. Vielen Dank.