5. Mario ist wie ein Musikinstrument

Iwata:

Mr. Miyamoto hat mir gesagt, er habe etwas Wichtiges bemerkt, als er mit Ihnen sprach, und das hätte ihn sehr erleichtert.

Koizumi:

Ja. Das war auch für mich eine Erleichterung. Ich weiß nicht, was Ihnen Mr. Miyamoto bei Ihrem letzten Gespräch für “Iwata fragt” gesagt hat, aber das Motto, das Schlüsselwort, war dieses Mal “Resonanz”.

Iwata:

Mr. Miyamoto hat genau das gleiche gesagt.

Koizumi:

Oh, stimmt das? Seit Mario 64 habe ich immer mit Mr. Miyamoto zusammengearbeitet, und er hat immer gesagt, dass man bei dieser Art von Arbeit etwas schaffen muss, das sowohl Resonanz findet als auch ein bisschen ungewöhnlich ist. Ist dieses Gleichgewicht nicht mehr gegeben, dann funktioniert das Spiel nicht.

Iwata:

Wenn nichts ungewöhnlich daran ist, dann fällt es nicht auf. Und wenn es keine Resonanz findet, dann bleibt niemand daran hängen.

Koizumi:

Das stimmt. Wir kamen bei dieser Unterhaltung zu dem Schluss, dass man das Ungewöhnliche tendenziell betonen muss, um die Spieler zu überraschen, und dass die Resonanz zu Beginn des Spiels sehr wichtig ist, während es im Verlauf des Spiels wichtig wird, allmählich das Element des Ungewöhnlichen zu verstärken. Mr. Miyamoto und ich haben etwas Zeit miteinander verbracht und sind dabei zu solchen Schlüssen gekommen.

Iwata:

Und das zeigt sich auch im Spiel?

Koizumi:

Ich glaube schon. Mir ist bei meinem Gespräch mit Mr. Miyamoto noch etwas anderes aufgefallen. Ich habe vor kurzem angefangen, Gitarre zu spielen, und der Grund, warum ich hiermit angefangen habe, hängt eng mit dieser Erkenntnis zusammen. Wenn ich ein Spiel als ein Paket entwickeln möchte, dann flechte ich immer eine Geschichte ein. Aber dieses Mal, nachdem ich auf verschiedene Arten darüber nachgedacht hatte, kam ich zu dem Schluss, dass ein Mario-Spiel eine Art Musikinstrument ist.

Iwata:

Ein Musikinstrument?

Koizumi:

Wenn Ihnen zum Beispiel jemand ein Mario-Spiel gibt, können Sie es auf jede der verschiedenen Arten spielen. Ein Erstspieler wird aber einfach nur herumlaufen und vielleicht ein einziges Mal springen. Das ist so, als würde man nur auf einer einzigen Saite der Gitarre spielen. Nachdem Sie ein paar Fortschritte gemacht haben, versuchen Sie einen Wandsprung, so als würden Sie auf zwei Saiten spielen. Sie spielen das gleiche Lied wieder und wieder, werden immer besser, können schließlich alle sechs Saiten einsetzen und haben zunehmend Spaß daran. Ich glaube, das ist wie bei Mario. Unsere Aufgabe besteht darin, ein Lied zu schreiben, an dem man schon Freude hat, während man sich verbessert.

Iwata Asks
Iwata:

Das machen Sie, wenn Sie ein Spiel entwerfen und Karten und so weiter entwickeln.

Koizumi:

Ja. Letzten Endes erreichen Sie Ihr Ziel und das Lied ist zu Ende. Es ist ein besonders leicht zugängliches Musikinstrument, das so gemacht ist, das jeder darauf spielen kann.

Iwata:

Die Freude, die man dabei empfindet, wenn man ein Musikinstrument gut spielen kann und das Gefühl, das man hat, wenn Mario läuft, springt und Wandsprünge macht, so wie man es ihm vorgibt, sind sich wohl ziemlich ähnlich.

Koizumi:

Ich denke, jeder möchte ein Musikinstrument und Mario gut spielen. Aber es gelingt einem nicht von Anfang an. Trotzdem ist das Gefühl, es gut machen zu wollen, dasselbe. Manchen Leuten mag Super Mario Galaxy 2 schwieriger erscheinen als New Super Mario Bros. Wii15, aber im Grunde genommen ist es dasselbe – das Musikinstrument ist Mario. Während es da noch ein paar mehr Saiten gibt, spielen Sie weiter, bis Ihre Hände daran gewöhnt sind. Sie können so spielen, wie Sie wollen. 15New Super Mario Bros. Wii: Ein Jump'n'Run-Spiel, das in Europa im November 2009 für die Wii-Konsole erschien.

Iwata:

Ich verstehe.

Koizumi:

Bei jedem Mario-Spiel geht es darum, das Ziel zu erreichen, und jeder Kurs ist, um in der Sprache der Musik zu sprechen, wie ein oder zwei Takte. Bei diesem Spiel ist mir zum ersten Mal klar geworden, dass wir die Mario-Spiele so entwickeln, dass es den Spielern überlassen bleibt, wie sie sich selbst arrangieren und ihre “Musik” auf ihrem Weg zum Ziel spielen. Und abgesehen von Tätigkeiten, für die Gegenstände erforderlich sind, kann der Charakter Mario eigentlich von Anfang an das tun, was ihm beliebt.

Iwata:

Sie können gleich zu Beginn Wandsprünge, Bodenschläge und Rückwärtsrollen machen.

Koizumi:

Genau. Bei den Zelda-Spielen sammelt Link einen Gegenstand nach dem anderen, um seine Kraft zu erhöhen, während Mario von Anfang an schon alles machen kann. Das ist wie bei einem Musikinstrument. Auf einem Musikinstrument können zwar von Anfang an die kompliziertesten Musikstücke gespielt werden, aber man stellt sich mit seinem eigenen Tempo auf das Instrument ein und macht ganz allmählich Fortschritte.

Iwata:

Der Wert der Erfahrung liegt in den Händen der Spieler.

Iwata Asks
Koizumi:

Das stimmt. Mir ist klar geworden, dass unser Ziel nicht darin besteht, eine Geschichte zu erzählen, sondern ein Werkzeug zu entwickeln.

Iwata:

Ich verstehe. Mr. Koizumi sagte, Mario Galaxy 2 hätte ein paar mehr Saiten als New Super Mario Bros. Wii. Was denken die anderen von Ihnen darüber?

Motokura:

Das ist nur mein ganz persönlicher Eindruck, aber ich denke, New Super Mario Bros. Wii ist ein schwierigeres Spiel. Ich denke, bei Mario Galaxy 2 gibt es viele Level, die von Leuten, die nur ein oder zwei Saiten spielen können, ziemlich einfach gelöst werden können. Es gibt wirklich nicht viele Steuerknöpfe. Und letzten Endes handelt es sich um ein Mario-Spiel, das so wie die anderen ist. Ich glaube, dass Leute, die die 2D-Spiele gespielt haben, auch an der 3D-Mariowelt Gefallen finden und schon bald tief einsteigen werden.

Iwata:

New Super Mario Bros. Wii ist bestimmt kein einfaches Spiel, aber wenn die Leute eine Runde verlieren, dann akzeptieren sie das und haben Lust, es noch einmal zu probieren. Und wenn sie das tun, werden ihre Finger geschickter. Bald finden sie heraus, dass sie alle möglichen Bewegungen machen und weiterspielen können. Wenngleich die Mario Galaxy-Serie ein ganz anderes System verwendet, das Gravität beinhaltet, so wurden die Hürden, die solche Elemente mit sich bringen, herunter geschraubt. Nur die Anzahl der Saiten hat sich verändert. Im Grunde handelt es sich um dieselbe Art von Mario-Spiel.

Motokura:

Ich glaube, das stimmt.