Ich glaube, dies war unter den Bedingungen, denen Sie ausgesetzt waren, für Sie ein sehr schwieriges Projekt. Sie waren nicht der Director, wie Sie es noch in Super Mario 64 waren, und obwohl Sie die Leute von EAD Tokio sehr gut kennen, war das Team etwa 400 Kilometer von Kioto entfernt.
Trotzdem hatten wir eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre. Ich denke, als Director wäre ich nicht in der Lage gewesen, dieses Spiel zu machen, wenn ich mich selbst in den Entwicklungsprozess involviert hätte… Das war nur als Producer möglich. Die Entwicklungsumgebung war so viel besser als früher. Der Computer auf meinem Schreibtisch war immer mit Tokio verbunden.
Ich habe gehört, Sie haben auch an freien Tagen früh morgens E-Mails verschickt! (lacht)
Das Team hat mir ständig die neuesten Daten geschickt, also konnte ich ihnen immer direkt antworten. Wenn ich anfangs nach Tokio fuhr, besetzte ich dort einen Raum und ließ die verantwortlichen Entwickler einen nach dem anderen hereinkommen. Wir redeten über das Spiel, während wir es spielten. Aber dann merkte ich, dass ich dafür nicht wirklich jedes Mal extra bis nach Tokio kommen musste. (lacht) Deshalb ließ ich dieselbe Umgebung in einem der Konferenzräume in Kioto aufbauen, wo wir Meetings abhielten, bei denen die Spielbildschirme eingeblendet wurden. Dort redeten wir in Videokonferenzen darüber, wie wir das Spiel ändern sollten. Ich konnte also die meiste Zeit so arbeiten, als ob ich in den Büros in Tokio wäre.
Koizumi-san, der Director, verglich Sie mit einem Vorkoster, der die „Gerichte” probiert, die in Tokio gekocht wurden.
Die Atmosphäre war wirklich seltsam. Alle sahen mir zu, mir war das sehr peinlich! (lacht) Mario ist diese Art von Spiel, bei der man sich sehr konzentrieren muss, um nicht daneben zu treten. Wenn ich aber einen Fehler machte, während alle anderen zusahen, konnte ich ihnen nicht einfach sagen: „Entschuldigung, da habe ich wohl nicht aufgepasst!” (lacht)
(lacht)
Ich machte mir Sorgen, dass das Team Dinge sagt wie „Miyamoto redet viel, aber spielen kann er nicht wirklich gut!” oder „Ich will mir von jemandem, der gar nicht spielen kann, nicht in die Entwicklung reinreden lassen!” Deshalb spielte ich, als ob ich auf glühenden Kohlen gehen würde! (lacht) Aber ich spielte alle Level vor den Entwicklern und sagte zum Beispiel Sachen wie: „Dass man hier so leicht geschlagen wird, ist einfach nicht richtig.” Ich ließ die Entwickler einige Dinge, die ich einfach nicht akzeptieren konnte, systematisch korrigieren.
Sie wollten das „Wesen von Mario” definieren.
Stimmt. Ich schrieb diese Dinge in einer E-Mail und schickte sie an alle Beteiligten. Auch an die, die nicht direkt davon betroffen waren.
Das ist eine sehr interessante Vorgehensweise.
Ich wollte einige fundamentale Elemente, die zu dieser Zeit geschaffen wurden, in die Art integrieren, wie wir dieses Spiel machen. In 2D-Spielen ist es zum Beispiel so, dass Mario immer von links nach rechts geht. In einem von zehn Fällen ist es aber so, dass der Spieler einen kleinen Preis findet, wenn er nach links geht. Normalerweise denkt jeder, er muss nach rechts gehen, aber wir wollten die Spieler belohnen, die sich dafür entschließen, die andere Seite zu erforschen. Also bemühten wir uns, diese fundamentalen Dinge nicht nur in einen, sondern in jeden Level des Spiels zu implementieren. Wenn aber andererseits jeder das macht, verliert das Team seine Balance. Deshalb verwendete ich meine E-Mails, um die Zusammenarbeit im Team zu gewährleisten.
Ich erinnere mich, dass Sie während der Entwicklung sehr glücklich waren, als Sie mir sagten, dass Sie das „Wesen von Mario” zum ersten Mal in Worte gefasst hätten.
(mit sehr erleichtertem Gesichtsausdruck) Das stimmt. Es war wirklich zum allerersten Mal!
Ich wollte Sie damals schon fragen: Seit 25 Jahren entwickeln Sie jetzt Mario-Spiele, und es war wirklich zum allerersten Mal? (lacht)
Bis jetzt habe ich immer gesagt: „Ich merke es ganz einfach instinktiv!”, wenn ich eine Entscheidung traf. Deshalb bin ich fast selbst überrascht! (lacht) Zum Beispiel denkt jeder an einen süßen, knuddligen Charakter, wenn man ihn bittet, sich einen Mario-Charakter vorzustellen.
Also einen der süßen Charaktere, die so wirken, als ob sie die Mario-Welt bevölkern.
Weil die Leute glauben, dass die Charaktere so aussehen müssen, haben sie eine Idee im Kopf. Zum Beispiel, dass die Augen immer groß und strahlend sein sollen. Aber so zeichne ich meine Charaktere nicht wirklich. Wenn dann ein neues Mitglied im Team mit einer falschen Vorstellung darüber, wie Mario-Charaktere sein sollen, auf mich zukommt und mir Zeichnungen von neuen Mario-Charakteren zeigt, dann sehen sie nicht so aus wie die Mario-Charaktere, die ich mir vorstelle. Heutzutage haben alle Künstler bessere Techniken als früher, aber ihre Stile gleichen sich immer mehr einander an. Es gibt anscheinend eine Vorlage für ein „gut gezeichnetes Bild”, und die Designs der jüngeren Künstler gleichen sich dieser Vorlage immer mehr an.
Sie beherrschen also die Technik, haben aber keinen Charakter.
Ich denke, Mario darf ruhig auch mal als cooler Charakter dargestellt werden, und damit meine ich nicht, dass er selbst cool dargestellt werden soll, sondern dass das Design einfach nur cool aussieht. Deshalb habe ich in der Vergangenheit immer versucht, nichts so zu entwerfen, dass es kindisch aussieht, und das Design abhängig vom Spiel geändert, aber das alles nie in Worte gefasst. Und während ich darüber nachdachte, wie ich das den Menschen wohl am besten erklären sollte, damit sie es auch richtig verstünden, erinnerte ich mich an eine Erfahrung, die ich bei der Arbeit an Mario Bros. gemacht hatte. (Gunpei) Yokoi-san9 hatte mich gefragt: „Was würde sich nicht mehr bewegen, wenn man es von unten anstößt?”, und ich hatte geantwortet: „Nun, zum Beispiel eine Schildkröte!” Von diesem Punkt an flossen die Ideen nur so aus uns heraus, und wir redeten über Fragen wie die, ob man auf die Schildkröte treten können soll und ob sie aus dem Panzer herauskommen sollte, wenn man auf die Schildkröte tritt. Aber das ist eine lange Geschichte... 9 Gunpei Yokoi ist der verstorbene Manager der Nintendo-Entwicklungsabteilung, der das Game & Watch und den Game Boy erschaffen hat.
Bitte, erzählen Sie weiter! (lacht)
Am Ende war der Spieler nur in der Lage, die Schildkröte von unten anzustoßen, konnte aber nicht mehr auf sie treten. Wenn in Mario Bros. eine Schildkröte umgestoßen wird, dann fängt sie nach einer Weile wieder an, sich zu bewegen. Der Punkt ist, man kann nur sehr schwer erkennen, wann sie wieder aufsteht. Man sieht zwar, wie sie zappelt, aber man weiß nicht, nach wie vielen Zappelbewegungen sie wieder auf ihre Füße kommt. Also beschlossen wir, das Design zu ändern und den Zeitpunkt des Umdrehens deutlicher zu machen. Wenn der Spieler also eine Schildkröte umstößt, wird sie aus ihrem Panzer gedrückt, und sie bewegt sich wieder, wenn sie zurück in den Panzer kriecht. Die Schildkröte, die aus dem Panzer hervorlugt, funktioniert als Zeitmesser. Wir waren sicher, dass jeder diesen Mechanismus würde erkennen können.
Ich glaube kaum, dass irgendjemand sonst auf die Idee einer Schildkröte gekommen wäre, die aus ihrem Panzer hervorschaut! (lacht)
Aber dann erkannte ich, dass ich etwas Wichtiges übersehen hatte. Der Panzer der Schildkröte ist ein Teil ihres Knochengerüsts, also erzählten wir den Kindern Dinge, die gar nicht stimmten…
In der Tat, der Panzer einer Schildkröte löst sich nicht so einfach! (lacht)
Später, in Super Mario, konnte der Spieler auf die Schildkröten springen. Aber da Mario jetzt ohne Probleme auf Schildkröten springen konnte, führten wir eine neue Spezies ein, auf die er nicht springen konnte. Um die Schildkröten voneinander zu unterscheiden, empfanden wir Stacheln auf dem Panzer als die einfachste Lösung…
Motokura-san, unser Designer, hat bei einem anderen Interview gesagt: „Im Zweifelsfall einfach Stacheln verwenden!” (lacht)
Da hat er sich wohl daran erinnert, was ich dem Team gesagt habe! (lacht) Sehen Sie sich zum Beispiel die Buu Huus und ihr Versteckspiel an, wenn der Spieler in die andere Richtung sieht. Weil sie so schüchtern sind, werden dabei ihre Wangen rot. Ich denke, Aspekte wie dieser zeigen, wie wichtig es ist, dass die Funktion leicht erkannt werden kann. Wenn einem Designer nur vage gesagt wird, er soll etwas Einmaliges machen, weiß er nicht, was er tun soll. Deshalb ist es bei Mario so wichtig, einmalige Ideen zu schaffen, die der fundamentalen Regel „Form folgt Funktion” folgen. Sie stimmen doch sicher zu, dass das eine sehr vorwärts gewandte Methode ist.
Auf jeden Fall. Jetzt, da Sie es mir erklärt haben, verstehe ich auch, wie das Design die Funktion ausdrückt.
Ehrlich gesagt, mir geht es genauso. Ich habe das alles verstanden, als ich es in Worte gefasst hatte. Bei DS und Wii ist es im Grunde nicht anders.
Ich verstehe!
Bei den Aufnahmen der Bilder des DS fand ich es unabdingbar, den Touchpen mit auf den Bildern zu zeigen. Wir wollten sicher sein, dass Menschen, die sich die Bilder zum ersten Mal ansahen, verstehen würden, wie das Gerät funktioniert.
Das erklärt auch, warum bei Bildern der Wii-Fernbedienung auch die Hand gezeigt wird, die die Fernbedienung hält.
Ich habe sehr deutlich gemacht, dass ich keine Bilder sehen wollte, die die Wii-Fernbedienung allein zeigen würden. Dass mein eigenes Design die Funktion darstellt, ist mir allerdings erst vor etwa einem Jahr aufgefallen. Es hat also wirklich lange gedauert, an diesem Punkt anzukommen! (lacht) Moment, vielleicht ist es noch nicht einmal ein ganzes Jahr her! (lacht)
Es ist schon 26 Jahre her, dass Mario in Donkey Kong10 sein Debüt hatte! (lacht) Und jetzt endlich, nach dieser langen Zeit, ist das „Wesen von Mario” in Worte gefasst worden! 10 Donkey Kong, ein Spielhallen-Spiel aus dem Jahr 1981, war die erste Arbeit Miyamotos als Videospiel-Designer.
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