Super Mario Galaxy, das erste 3D-Mario-Jump’n’Run für Wii, wird am 1. November (16. November in Europa) veröffentlicht. Ich kann mir vorstellen, dass eine Menge Leute Zweifel haben, ob ein Spiel wie ein 3D-Mario wirklich zu Wii passt. Darum habe ich mich entschieden, die Entwickler ausführlich dazu zu befragen, was ihnen durch ihren Kopf ging, als sie den neuesten Teil der Mario-Serie erschaffen haben. Übrigens, dieses Mal habe ich (Akinori) Sao-san, den ehemaligen Chefredakteur des Nintendo Dream-Magazins, der jetzt ein selbständiger Journalist ist, gebeten, mir bei diesem Interview zu helfen. Sao-san, vielen Dank, dass Sie heute bei uns sind.
Ich habe zu danken, dass ich heute hier anwesend sein darf. Es sind schließlich schon sechs Jahre vergangen, seit ich von Angesicht zu Angesicht mit Ihnen reden durfte.
Ja, daran erinnere ich mich noch. Das war das Jahr, in dem der GameCube veröffentlicht wurde, und es war der allerletzte Arbeitstag im Jahr.
Ihr Gedächtnis ist wirklich vorzüglich. (lacht) Damals hatte ich Sie gebeten, mir ein ausführliches Interview zu geben. Da ich jetzt aber eine andere Position innehabe, bin ich etwas nervös anlässlich dieser besonderen Gelegenheit. Aber gleichzeitig bin ich auch sehr aufgeregt, weil ich in diesem vierteiligen Interview von den verschiedenen Entwicklern einiges über das neueste 3D-Mario-Jump’n’Run zu hören bekommen werde.
Super Mario Galaxy wurde von unserem EAD (Entertainment Analysis and Development)-Büro in Tokio entwickelt. Zum Zeitpunkt dieses Interviews befand sich das Team gerade an einem kritischen Punkt in der Entwicklung, also habe ich mich entschieden, persönlich nach Tokio zu kommen. Deshalb werden dieses und das nächste Interview, die ersten beiden der vier, unseren Lesern als eine Spezialausgabe dargeboten: „Iwata fragt (auf Geschäftsreise)“. Nun, für Teil 1 dieser Interviews, möchte ich gerne Sie beide befragen, den Producer und den Director dieses Projekts. Bitte stellen Sie sich erst mal vor.
Ich bin Shimizu und arbeite als Producer bei EAD Tokio. Bei Super Mario Galaxy war meine Hauptaufgabe, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der das Team sich ganz auf die Entwicklung des Spiels konzentrieren konnte.
Hallo, ich bin Koizumi, ebenfalls von EAD Tokio, wo ich als Director an diesem Projekt gearbeitet habe. Da Shimizu-san die Aufgabe übernommen hatte, mit den äußeren Kontakten zu kommunizieren, konnte ich mich ganz auf die Entwicklung konzentrieren. Oh, und ich musste außerdem übersetzen, was (Shigeru) Miyamoto-san den Entwicklern mitteilte, damit sie verstehen konnten, was er von ihnen wollte.
Nun erzählen Sie uns doch erst einmal, wie dieses Projekt begonnen hat.
Die Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 2000. Es war während der GameCube-Präsentation1, als wir eine Demo namens Mario 1282 enthüllten. Ich war der Director dieser Demo. Nach der Präsentation habe ich die ganze Zeit über nachgedacht, wie man das System, das wir in Mario 128 benutzten, in ein richtiges Spiel verwandeln könnte. Aber es kam mir unmöglich vor. 1 Die Präsentation des GameCube erfolgte auf der SpaceWorld 2000, einer von Nintendo veranstalteten Videospiel-Fachausstellung, die im August 2000 in der Makuhari-Messe in Chiba, Japan, abgehalten wurde. 2 Mario 128 ist der Name einer Demo-Software, die die grafischen Fähigkeiten des GameCube veranschaulichen sollte. Diese Demo ist auch unter dem Namen „100 Marios“ bekannt.
Warum hielten Sie es für unmöglich?
Aus technischen Gründen. In Mario 128 wurde die Plattform in Form einer fliegenden Untertasse kreiert. Um der Plattform eine kugelförmige Gestalt zu verleihen, auf der sich Mario frei bewegen konnte, wäre ein hohes Maß an technischem Fachwissen erforderlich gewesen. Ich war auch der Meinung, dass das Team sehr motiviert sein müsste, um dieses Hindernis zu überwinden.
Übrigens hat mir Miyamoto-san vor über fünf Jahren von den kugelförmigen Plattformen erzählt. Als ich das erste Mal davon hörte, verstand ich nicht so recht, was so revolutionär sein sollte an einer kugelförmigen Plattform. Als Super Mario Galaxy jedoch begann, Form anzunehmen, verstand ich schließlich, was er gemeint hatte.
Zu diesem Zeitpunkt ging es mir genauso. Es klingt interessant, aber ich war nicht sicher, ob es den Aufwand wert war. Wahrscheinlich teilten alle im Team diese Auffassung. Aber Miyamoto-san sagte immer wieder, dass er dieses Projekt realisieren wollte.
Vor etwa zweieinhalb Jahren, nachdem wir Donkey Kong Jungle Beat3 für den GameCube fertig gestellt hatten, hatten wir etwas Zeit zu planen, was unser nächstes Spiel sein sollte. Wir schlugen ein neues Spiel mit neuen Figuren vor, aber Miyamoto-san sagte in einem etwas traurigen Ton: „Ich wünschte, Sie könnten ein Spiel mit etablierten Nintendo-Figuren machen...“ (lacht) 3 Donkey Kong Jungle Beat ist ein seitwärts scrollendes Jump’n’Run für den Nintendo GameCube, das mit einem optionalen Bongo-Controller gesteuert wird. Veröffentlicht im Februar 2005.
Das EAD-Büro in Tokio hatte gerade erst 2003 geöffnet, und wir dachten damals nicht, dass wir ein Spiel von einer derartigen Größenordnung machen könnten. Deswegen hatte ich ein kleineres, kompakteres Spiel vorgeschlagen. Aber dann fragte Miyamoto-san mich: „Möchten Sie nicht an etwas Größerem arbeiten?“ Also habe ich die Team-Mitglieder nach ihrer Meinung gefragt und einer sagte, er wolle unsere Fähigkeiten nutzen, um das nächste Mario-Spiel zu machen. Da wir an Jungle Beat zusammen gearbeitet hatten, kannte ich das Team gut genug, und ich dachte mir, mit diesem Team könnten wir das schwierige Problem lösen, die kugelförmigen Plattformen umzusetzen.
Aber die Entwicklung verlief nicht glatt.
Natürlich tat sie das nicht. Ich kam mir bei diesem Projekt wie ein Koch vor. Ich habe allen das Rezept gezeigt und gesagt: „So eine Art von Gericht möchte ich für Wii zubereiten“, aber keiner im Team konnte sich das fertige Gericht vorstellen.
Wenn man nur das Rezept sieht, kann man noch nicht einschätzen, ob das fertige Gericht gut oder schlecht schmecken wird.
Miyamoto-san pflichtete mir bei, dass es gut schmecken würde. Aber fast jeder im Team sagte, dass wir so ein fantastisches Gericht nicht zubereiten könnten. Als ich das hörte, spürte ich die Notwendigkeit, eine Kostprobe herzustellen. Wir versammelten einige Team-Mitglieder und stellten einen Prototyp her, was uns etwa drei Monate Zeit kostete. Eine kugelförmige Plattform ließ sich am besten als ein Planet vorstellen, den wir im Weltall ansiedelten und dem wir Schwerkraft hinzufügten. Es sah aus wie eine Minimalversion des jetzigen Super Mario Galaxy. Das war der Punkt, an dem die Entwicklung richtig losging.
Also ist es egal, wie wunderbar das Rezept auch sein mag, es hat nicht die Wirkung einer fertig zubereiteten Kostprobe, mag sie noch so klein sein. Erst durch die Kostprobe kann man sich ein Bild vom Geschmack des fertigen Gerichts machen.
Jawohl. Es kommt mir vor, als hätte ich einen Gemüsegarten von Miyamoto-san geborgt. Es war, als hätte ich ihn gefragt: „Bitte leihen Sie mir Ihren geheimen Garten. Bestimmt werden prächtige Früchte und herrliches Gemüse darin wachsen.“ Dann begann ich mit meinen Team-Mitgliedern die Samen zu säen, und nachdem wir die Früchte geerntet und das Gericht zubereitet hatten, waren wir bereit, Miyamoto-san als Erstem eine Kostprobe vorzusetzen. Er ist schließlich der Besitzer des Gartens. Wir schickten jede Portion nach Kyoto und ließen ihn viele Male kosten, woraufhin er Kommentare abgab wie: „Das ist ein bisschen zu scharf“ oder „das schmeckt besser“. Gegen Ende der Entwicklung ließen wir ihn in unser „Restaurant“ nach Tokio kommen. Als er hier war, setzten wir ihm eine unfassbar große Menge an Gerichten vor. Am Ende war er pappsatt.
Er aß jede Portion, die wir ihm vorsetzten. Es muss für Miyamoto-san eine regelrechte Tortur gewesen sein! (lacht)
Als wir also den Besitzer, Miyamoto-san, mit unseren Gerichten bis zu einem gewissen Grad zufrieden gestellt hatten, kam der Zeitpunkt, an dem wir sie der Allgemeinheit vorsetzen konnten. Wir luden eine große Menge an Leuten ein, sie zu probieren, und investierten eine Menge Zeit. Auf diesem Wege haben wir den Geschmack angepasst, während wir uns die Meinungen der Gäste anhörten, und das Gericht fertiggestellt.
Trotzdem haben Sie Miyamoto-sans Dienste wirklich bis zum Äußersten in Anspruch genommen! (lacht)
Für uns als Köche war es eine große Hilfe, dass er die Gerichte gekostet hat! (lacht)
Für dieses Spiel habe ich Miyamoto-san darum gebeten, zu tun, was nur er kann. Es ist lange her, dass ein 3D-Mario-Spiel erschienen ist, und ich wollte, dass er es zu einem Spiel machen würde, das Wii repräsentieren kann.
Sogar an freien Tagen bekam ich E-Mails von ihm, in denen er mich bat: „Lass uns das so verändern." Noch dazu früh am Morgen! (lacht) Wir arbeiteten an weit entfernten Orten, aber es kam mir gar nicht so vor, als seien wir weit entfernt voneinander. Zum Beispiel richteten wir es so ein, dass das Spiel, das wir in Tokio fertigten, gleichzeitig in Kyoto spielbar war. Auch waren wir sehr dankbar, dass er gegen Ende der Entwicklung regelmäßig nach Tokio kam.
Aber sicher gab es ab und an Meinungsverschiedenheiten mit Miyamoto-san, oder?
Die gab es natürlich. Jedoch erklärte er mir immer, warum sein Vorschlag besser sei, und manchmal ging er auch auf meine Sichtweise ein und gab nach. Da fällt mir ein, es ist schon eine lange Zeit her, aber einmal, als ich partout nicht nachgeben wollte, überredete er mich mit den Worten: „Vertrauen Sie auf die Erfahrung eines älteren Herrn!“ (lacht)
Also so überzeugt er die Leute. Mich hat er so aber noch nie überzeugt! (lacht)
Als Director bin ich verantwortlich dafür, nach den Team-Mitgliedern zu sehen, und in letzter Zeit ertappe ich mich manchmal dabei, dass ich ihnen sage, sie sollen doch auf die Meinung des älteren Herrn hören! (lacht)
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