6. Es tut mir so leid!

Iwata:

Mr. Nakano, wenn Sie jetzt auf die Projektentwicklung zurückblicken, was können Sie mir dann zum Endspurt sagen, bis das Produkt letztendlich fertig war?

Yamagami:

Erzählen Sie ihm doch davon, wie Sie damals sagten: „Ich schaffe das in zwei Monaten.“

Nakano:

Ach, ja. (lacht) Nun, bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich immer an die Fristen gehalten. Und wenn etwas bereits zusammengesetzt ist, dann hasse ich es, dies erneut auseinander zu nehmen, um es wieder neu zusammenzusetzen. Darum versuche ich, soweit wie möglich, Anpassungen innerhalb der bestehenden Struktur vorzunehmen. Und so sagte ich zu Mr. Yamagami: „Ich schaffe das in zwei Monaten.“ Daraufhin antwortete er: „Warum setzen Sie sich bloß solche Ziele? Wenn Sie meinen, es gibt etwas zu erledigen, dann müssen Sie dafür so viel Zeit aufwenden, bis die Aufgabe erledigt ist. Ich werde mit Mr. Iwata über das Budget sprechen und ihn um eine Fristverlängerung bitten.“

Iwata:

Genau! (lacht)

Nakano:

Da wurde mir plötzlich klar, dass ich versucht hatte, alle Änderungen auf das Nötigste zu beschränken. Mir wurde bewusst, dass dieses Spiel den Spieler emotional nicht zu fesseln vermochte. Wenn wir das Spiel in diesem Stadium beließen, würden das auch die Spieler merken. Mir war bewusst, dass wir an diesem Aspekt des Spiels noch weiter feilen mussten.

Iwata Asks
Yamagami:

In diesem Stadium wollte ich das Projekt nicht abschließen. Am Anfang hatte Mr. Nakano ja behauptet, er würde das in zwei Monaten schaffen, und ließ sich da auch auf keinen Kompromiss ein. Wir diskutierten laufend darüber, und dabei sagte ich immer: „Denken Sie wirklich, wir können das Spiel einfach so lassen? Kommen Sie schon, sagen Sie mir, was Sie wirklich denken?“

Yamakura:

Die Situation war schon etwas angeheizt, oder?

Yamagami:

Ja, wirklich.

Nakano:

Wir hatten bereits die Aussicht auf einige andere Spiele. Es tut mir heute leid, dass ich damals dachte, wir sollten das Spiel im Hinblick auf den Abgabetermin schnell zum Abschluss bringen.

Iwata:

Aber die emotionale Bindung zu Helena bildet doch das Herzstück des Spiels. Auch ich bat Mr. Yamagami, dieses Problem dringend zu lösen.

Yamagami:

Das stimmt. Sie sagten mir damals die gleichen Dinge, Mr. Iwata. Direkt nachdem wir die Testläufe durchgeführt hatten und das Feedback zusammenstellten, fragten Sie mich: „Mr. Yamagami, ist das Spiel wirklich so geworden, wie Sie es sich ursprünglich vorgestellt haben?“ Und mit dieser Frage trafen Sie voll ins Schwarze.

Iwata:

Das war schon ziemlich drastisch ausgedrückt von mir. Hätten wir das Spiel aber in diesem Stadium belassen, ohne das zu verfolgen, was uns eigentlich vorschwebte, hätte das Spiel den Spieler keinesfalls emotional gefesselt.

Yamagami

Das war genau an dem Punkt, als wir uns erfolglos den Kopf darüber zerbrachen, wie wir beim Spieler Zuneigung für Helena entfachen konnten. Das war eine äußerst schwierige Zeit. Aber kurz danach bekamen wir dann ja einige Tipps, wie wir den Spieler emotional an Helena binden konnten. Und dann fügte sich alles sehr schnell zusammen. Am Ende war ich froh, dass wir so engagiert nach einer Lösung gesucht hatten.

Nakano:

Ja, das stimmt. Als wir diesen Rat bekamen, dachte ich, wir hätten jetzt alles, um die Aufgabe zu erledigen. Mit dem Einverständnis von Ganbarion löschten wir die gesamten Sprachaufzeichnungen für Helena, überarbeiteten ihre Texte und nahmen diese neu auf.

Yamakura:

Ja, danach waren wir praktisch an das Büro gefesselt. Wir überarbeiteten Helenas Text und ihre Szenen dahingehend, dass der Spieler Mitgefühl für ihre wirklich herzzerreißende Situation entwickelt und zu ihr zurückkehren möchte. Das war genau ein Jahr, bevor das Mastering stattfinden sollte. Ich schloss mich im Büro ein und kam überhaupt nicht mehr heraus. Am Ende nahm ich noch zehn Kilo ab und wollte mich nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen. So schlimm war es damals. Aber ich wiederholte für mich immer wieder das, was Sie mir bei meiner Präsentation am Anfang gesagt hatten, Mr. Iwata: „Vergessen Sie nie, was Sie ursprünglich erreichen wollten.“ Ich hätte mich sonst immer wieder gefragt, warum wir das nicht erreicht hatten, was wir uns ursprünglich zum Ziel gesetzt hatten.

Iwata Asks
Iwata:

Und so wurde Pandora schließlich fertiggestellt.

Yamagami:

Ja, und es hat wirklich lange gedauert. Das Problem, beim Spieler Verständnis für Helena zu erzeugen, erwies sich als viel komplexer, als wir ursprünglich gedacht hatten. Dabei verloren wir das Endziel aus den Augen. Schließlich verliebt man sich nicht plötzlich so im Alltag. Erst wenn man Zeit miteinander verbracht hat, spürt man, dass man jemanden wirklich mag. Das sollte eigentlich von sich aus schon klar sein – aber man verliert das aus den Augen, wenn man zu sehr von der Entwicklung eines Spiels absorbiert wird.

Iwata:

Nun, im Alltag denkt man einfach nicht über diese Dinge nach, oder?

Yamagami:

Aber seit dem letzten Frühjahr war es richtig schön, mit anzusehen, dass die emotionale Bindung zu Helena viel stärker geworden war. Jetzt konnte ich Mitgefühl für ihre Notlage aufbringen, so als würde ich sie tatsächlich lieben. Als wir die Leute zu dieser Zuneigung zwangen, hatte es nicht funktioniert. Aber als wir das Ruder herumrissen und es uns gelang, für sie Mitgefühl zu erwirken, haben sich die Spieler ganz von selbst in sie verliebt.

Yamakura:

Sie waren den Tränen nahe, nicht wahr, Ms. Yamagami? (lacht)

Yamagami:

Ja, das war ich! (lacht) Während der Testphase sagten die Leute Dinge wie: „Ich glaube nicht, dass ein Mädchen wie Helena so etwas sagen würde.“ Durch die Änderungen, die aufgrund dieser Kommentare durchgeführt wurden, wurde Helena wirklich zu ihrem wahren Selbst.

Iwata:

Bemerkten Sie, dass auch bei Ganbarion die Gefühle für Helena stärker wurden?

Hoga:

Ja, auch dort wurden sie viel stärker. Nachdem wir die von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen vorgenommen hatten, bemerkte das Entwicklungsteam, dass das zuvor etwas unscharfe Bild von Helena jetzt viel schärfer geworden war.

Irie:

Insbesondere als wir das Design für Helenas Zustand nach der Verwandlung änderten, fingen die Leute an zu sagen: „Ach, die arme Helena ...“ Man hegte wirklich den Wunsch, sie zu retten, und wollte dabei keine Zeit verlieren. Diese Bilder passen gut zu dem neu aufgezeichneten Text. Ich war mir sicher, dass es funktionieren würde. Wir hatten die Entwicklung des Spiels von Anfang an begleitet und immer noch konnte es diese starke Reaktion hervorrufen. Daher waren wir uns sicher, dass die auch Spielneulinge anrühren würde.

Yamakura:

Aber andererseits wäre es übertrieben, ausschließlich pathetische Szenen zu haben. Deshalb haben wir auch viele schillernde, optimistische Szenen eingebaut. In diesen Szenen singt Helena unter einem blauen Himmel oder pflückt Blumen. Allein vom Ansehen dieser Szenen bekommt man schon gute Laune. Wir wollten nicht nur Mitgefühl erzeugen, sondern den Spieler auch dazu bringen, für Helena wirkliche Zuneigung zu entwickeln.

Yamagami:

Infolgedessen hat sich Helenas Charakter zu einer starken Persönlichkeit entwickelt, die niemals die Hoffnung verliert, so groß ihr Dilemma auch sein mag. Man möchte sie beschützen und selbst bei der kleinsten Verwandlung fühlt man sich schlecht und möchte sich beim Bildschirm entschuldigen: „Es tut mir leid! Es tut mir so leid! Wäre ich doch nur ein bisschen schneller zurückgekommen, dann wäre das nicht passiert! Es tut mir so leid!“ (lacht)

Iwata:

Ehe man sich versieht, entschuldigt man sich also beim Fernsehbildschirm.

Iwata Asks
Yamagami:

Das stimmt. Am Ende wägt man ganz sorgfältig ab. Auch wenn das Erkunden der Türme Spaß bringt, denkt man: „Vielleicht sollte ich doch lieber zurück gehen.“ Das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Elementen ist ein wesentlicher Spaßfaktor.

Nakano:

Nachdem wir das Problem mit der emotionalen Bindung zu Helena gelöst hatten, probierten sogar Leute vom Mario Club das Spiel aus. Und selbst sie entschuldigten sich, wenn es ihnen nicht gelang, die Verwandlung von Helena in eine Bestie abzuwenden.

Iwata:

Also riefen selbst beim Mario Club die Leute: „Es tut mir so leid!“

Nakano:

Ja, genau. Am Ende wurde Helena von niemandem mehr vernachlässigt. Und keiner empfand es als Last, zu ihr zurückzukehren. Da wurde mir bewusst, dass wir dieses Element im Spiel jetzt gut hinbekommen hatten.

Iwata:

Es ist so lustig, sie so sachlich über all diese Emotionen sprechen zu hören, Mr. Nakano!

Yamagami:

Normalerweise spricht er nicht über diese Art von Emotionen. (lacht)

Nakano:

Ich denke, Sie haben Recht. (lacht)

Iwata:

Haben Sie sich selbst auch entschuldigt, Mr. Nakano?

Nakano:

Ja. Ich fühlte mich emotional so sehr mit der Geschichte verbunden.

Iwata:

Wenn Sie jetzt zurückblicken, waren Sie doch ein bisschen zu optimistisch, als Sie sagten, Sie würden das in zwei Monaten schaffen.

Nakano:

Ich habe versucht, keine großartigen Änderungen mehr vorzunehmen, und schäme mich jetzt zutiefst. (lacht)