Im Vergleich zu früher hat sich die Anzahl der Elemente, die man beim Erstellen eines Spiels berücksichtigen muss, enorm erhöht. Aus diesem Grund haben Spiele sich auch so stark entwickelt; aber gleichzeitig hat man irgendwie das Gefühl, das sie etwas verloren haben, das sie einmal hatten.
Ja, ich weiß, was Sie meinen. Der „handwerkliche“ Aspekt fehlt, die damalige Kunstfertigkeit.
Im heutigen Markt kann man nicht bestehen, wenn man sich allein auf handwerkliches Können verlässt. Man muss es auch mit den modernen Prozessen der Branche verbinden.
Vielleicht ist der „Geist“, der dieses handwerkliche Können inspiriert hat, einfach schwächer geworden.
Ich frage mich schon, inwiefern der Geist der handwerklichen Kunstfertigkeit, der die Pioniere der Spielentwicklung beseelt hat, auf die jüngere Generation übertragen wurde. In der Vergangenheit gab es viel Freiraum, die Dinge durch eigene Anstrengungen zu beeinflussen. Daher waren den Leuten, die Spiele machten, alle Aspekte der Spielerstellung bekannt. Somit haben sie eine natürliche Fähigkeit entwickelt, zu erkennen, was wichtig war, sowie die Entschlossenheit und Zähigkeit, dieses auch zu erreichen. Ich glaube, das ist es, was Handwerkskunst eigentlich ausmacht. Aber da sich die Methode zur Erstellung von Spielen geändert hat, kann eine einzelne Person jetzt nicht mehr annähernd so viel tun, und die Art und Weise, wie Entwickler früher dachten, ist ganz klar abgegrenzt von der Art und Weise, wie die neue Generation die Spielerstellung angeht. Ich glaube, diejenigen, die schon lange mit der Spielerstellung zu tun haben, müssen jetzt eine wichtige Rolle übernehmen, sodass die jüngere Generation darauf vertrauen kann, was die älteren Entwickler tun.
Das stimmt. Nur weil man jahrelang mit dem Erstellen von Spielen zu tun hatte, heißt das ja nicht, dass man herausragende technische Fähigkeiten hat. Aber was man in der Regel hat, sind Entschlossenheit und Zähigkeit. Diese können zu dem Klebstoff werden, der ein Team zusammenhält. Und wenn man das mit dem technischen Können der jüngeren Mitglieder verbindet, dann ändern sich auch die Spiele selbst.
Ich hatte wirklich den Eindruck, dass „The Last Story“ und „Xenoblade Chronicles“8 durch reine Entschlossenheit Form angenommen haben. Wir von Nintendo haben diese Spiele gemeinsam mit Ihnen zu Ende gebracht. 8 „Xenoblade Chronicles“ ist ein RPG, das in Japan im Juni 2010 für Wii erschien, in Europa im August 2011. Tetsuya Takahashi war der leitende Direktor des Projekts.
Jetzt, da Sie es sagen – stimmt, die Veröffentlichung beider Titel hat sich verzögert, nicht wahr?
Wir haben oft spekuliert, welches der beiden Spiele als Erstes erscheinen würde. (lacht)
Früher war ich schneller, aber diesmal habe ich einfach den Kürzeren gezogen. (lacht)
In letzter Zeit habe ich immer mehr das Gefühl, dass viele Angehörige unserer Generation die Produzentenrolle übernommen haben und sich damit zu schnell von der eigentlichen Spielentwicklung distanziert haben. Wenn man dagegen den Bereich der Filme oder Animationen ansieht, sind die 50- oder 60-Jährigen weiterhin sehr aktiv. Wenn wir uns aus der Erstellung von Spielen zurückziehen, wird dieser Geist des handwerklichen Könnens nicht an die nächste Generation weitergereicht. Daher halte ich es für sinnvoller, wenn wir auch weiterhin eine praktische Rolle im Entwicklungsprozess einnehmen.
Ja, ich hatte auch wirklich das Gefühl, mich wieder an der Front zu befinden! Durch die Beteiligung am alltäglichen kreativen Schaffen kamen meine Entschlossenheit und Zähigkeit wieder zum Vorschein. Vielleicht haben diese sich ja wirklich auf die Zusammenarbeit des Teams ausgewirkt.
Auf jeden Fall wären diese Spiele nicht zu dem geworden, was sie sind, wenn Mr. Sakaguchi nicht der Direktor gewesen wäre oder wenn Mr. Takahashi Distanz zwischen sich und dem Entwicklerteam geschaffen hätte. Die jüngeren Teammitglieder haben wirklich von Ihrer beider Entschlossenheit und Handwerkskunst profitiert.
Bei der Vorstellung von „Last Story“ erwähnte Mr. Fujisaka9, dass er einmal spät abends noch im Büro war, als Mr. Sakaguchi nach einer abendlichen Unternehmung zurückkam, Anweisungen zum Design des Logos gab und wieder nach Hause ging. Ich konnte diese Szene buchstäblich vor meinem inneren Auge sehen. So war Mr. Sakaguchi schon immer, nicht wahr? (lacht) Wenn er jemandem sagt, was zu tun ist, hat derjenige keine Wahl. Er muss die Sache erledigen. Aber ich glaube, das ist auch wirklich wichtig. 9 Kimihiko Fujisaka war für das Charakterdesign von „The Last Story“ verantwortlich.
Ich schätze, das funktioniert, weil alle Mr. Sakaguchi so sehr vertrauen. Wenn man etwas tut, nur weil der Chef es befohlen hat, dann ist man nicht mit ganzem Herzen bei der Sache. Man muss auch darauf vertrauen, dass die Person, die einem Anweisungen erteilt, die Dinge gründlicher durchdacht hat als man selbst. Selbst wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt, wird man sich dann am Ende anstrengen, sein Möglichstes zu tun, um dabei zu helfen, die Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
Bei diesem Gespräch kommen viele interessante Fakten ans Licht, nicht wahr? (lacht)
Glauben Sie, dass Sie derartige Sachen unbewusst machen?
Also bewusst ganz sicher nicht. Zu Ideen, die ich selbst nicht gehabt hätte,wie z. B. der Magitek-Rüstung, von der wir vorhin gesprochen haben, habe ich nichts zu sagen. Wichtig ist mir, dass die Leute mit mir auf einer Wellenlänge liegen. Wenn ein Puzzleteil die falsche Form hat, kann es ein echtes Problem werden, das zu beheben, wenn das Produkt erst einmal fertig ist. Man muss diese Änderung schon früh vornehmen. Ich glaube, mir fällt sofort auf, wenn ein Element aus dem Rahmen des Gesamtspiels fällt. Und wenn ich so etwas bemerke, habe ich immer das Gefühl, dass ich die Pflicht habe, das auch ganz klar zu sagen. Dann kann ich aus dem Büro rauschen und nach Hause gehen. Also, vielleicht irre ich mich ja, aber das Gefühl habe ich jedenfalls immer. (lacht)
Aber was die Grafik angeht, sind Sie doch für andere Vorschläge immer ganz offen?
Ja, ich denke schon. Ich kann ja selber nicht zeichnen, wenn man das also meiner Fantasie überlassen wollte, wäre die Spielwelt wohl sehr fade und beschränkt. Aber eine bunte Welt voller Leben ist wichtig für die Spiele. Und am besten erreicht man das, indem man die Erstellung der Welt den Experten überlässt.
Und das konnten Sie tun, weil Sie Mr. Takahashi vertraut haben.
Ja, genau. Ich fand das schon immer seltsam, aber es gibt eben Leute, die zeichnen können, und andere, die es nicht können. Und mal ganz abgesehen von individuellen Fähigkeiten – schon eine Änderung im Ansatz derjenigen, die zeichnen können, führt plötzlich zu wirklich dynamischen Grafiken. Ich weiß nicht, wie es zu dieser Kluft kommt. Mr. Takahashi, was meinen Sie, wie es zu dieser Kluft zwischen Leuten kommt, die zeichnen können, und anderen, die es nicht können?
Das ist vielleicht eine Frage der Fantasie. In meiner eigenen Erfahrung beginnt alles oft mit der Handlung, die Mr. Sakaguchi sich ausdenkt. Man versucht dann zu überlegen, worauf man hinarbeiten sollte und was man erreichen will. Dann macht man Vorschläge innerhalb dieses von Mr. Sakaguchi vorgegebenen Rahmens.
Sie meinen, Sie versuchen sich dann Dinge auszudenken, die ausgehend von Mr. Sakaguchis Hinweisen Ihrer Meinung nach gut in der Welt des Spiels funktionieren würden?
Ja. Wenn einem das nicht gelingt, dann erstellt man am Ende etwas anderes als das, was ursprünglich vorgesehen war. Das sage ich in meinem Unternehmen sehr oft, aber es ist wirklich unglaublich wichtig, dass man sich vorstellen kann, was andere denken und erreichen wollen, ganz egal an welchem Element man arbeitet. Das könnte man wohl als Einfühlungsvermögen bezeichnen.
Stimmt, Einfühlungsvermögen ist ein gutes Wort dafür.
Wenn man dieses Einfühlungsvermögen gegenüber dem Endbenutzer nicht hat, wird es einem nicht gelingen, Elemente zu erstellen, die diesen begeistern. Und dieses Einfühlungsvermögen ist nicht nur etwas zwischen Entwicklern und Spielern. Es muss auch zwischen den Kernmitgliedern des Entwicklerteams und den anderen Mitarbeitern bestehen.
Um es anders auszudrücken – wenn man selbst nicht von Anfang an den Willen hat, dieses Einfühlungsvermögen aufzubringen, bekommt man Probleme. Und zu allererst braucht man dieses Einfühlungsvermögen unter den Mitarbeitern. Ich muss schon sagen, Mr. Takahashi, Sie öffnen hier heute wirklich eine Schatzkiste der Weisheiten! (lacht) Wenn die Teammitglieder im Einklang miteinander stehen, können sie ein Spiel erschaffen, das meine ursprünglichen Vorstellungen weit übertrifft. Und genau deshalb sollten wir alle an einem Strang ziehen und die höchstmöglichen Ziele anstreben.
Ja, das glaube ich auch. Wissen Sie noch, wie es in der „guten alten Zeit“ war? Wenn wir das Debugging in unserem Büro gemacht haben, kamen am letzten Tag alle vorbei und haben das Spiel gespielt. Das war doch ein Heidenspaß, oder?
Ja, stimmt, das war toll. Wir machten alles fertig, gingen ein Bier trinken und haben eventuell auch das eine oder andere Tränchen verdrückt.
Mr. Uematsu10 hatte am nächsten am Wasser gebaut, nicht wahr? (lacht) 10 Nobuo Uematsu ist ein Komponist von Spielmusik und war verantwortlich für die Musik von „The Last Story“.
Er hat wirklich einiges an Tränen vergossen! (lacht) Aber die Spiele, die unter diesen Bedingungen erstellt wurden, sind nie wirklich vom Weg abgekommen, oder? Das ist ein weiteres Beispiel für die gleiche Wellenlänge im Team. Wenn alle Einfühlungsvermögen für die anderen haben, dann entsteht ein Gefühl der Einheit.
Und die hierdurch entstehende Energie wird dann auf die Spiele selbst übertragen.
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