1. Zusammentreffen nach acht Jahren

Iwata:

Nach der heutigen Präsentation von „Last Story“1 ist die Aufregung noch immer zu spüren; jetzt, am Abend, habe ich das Glück, mich mit Mr. Sakaguchi und Mr. Takahashi unterhalten zu können. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben. 1 Die Präsentation von „Last Story“ erfolgte am 27. Dezember 2010 auf dem UDX/Akiba-Platz in Akihabara, Tokio, durch Hironobu Sakaguchi. Hier finden Sie weitere Details zu der Präsentation (nur auf Japanisch verfügbar).

Sakaguchi/Takahashi:

Wir danken Ihnen.

Iwata:

Mr. Sakaguchi, ich bin heute etwas früher aus Kyoto angekommen als geplant, sodass ich der Präsentation beiwohnen konnte. Ich entschuldige mich, falls mein unerwartetes Erscheinen Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet hat! (lacht)

Sakaguchi:

Aber nein! Überhaupt kein Problem! Nichts ist spannender als ein Live-Auftritt, oder? (lacht) Sobald es vorbei war, habe ich es mir noch einmal im Internet angeschaut – da konnte man dann doch sehen, dass wir vier ziemlich nervös waren, als Sie sich zu uns auf die Bühne gesellten. (lacht)

Alle:

(lachen)

Sakaguchi:

Und wir sehen unsagbar erleichtert aus, als Sie die Bühne verlassen! (lacht)

Iwata:

Na, das gehört alles zu einem Live-Auftritt dazu! (lacht) Es ist immer offensichtlich, wenn etwas vorher geprobt wurde.

Sakaguchi:

Stimmt, das merkt man immer.

Takahashi:

Aber Ihre schauspielerischen Fähigkeiten sind nicht zu verachten. Ich wusste, dass dieses Interview heute stattfinden würde, daher dachte ich, die ganze Sache wäre geplant gewesen. Aber es sah alles völlig spontan aus. Sehr beeindruckend! (lacht)

Iwata:

Ach was, das war doch kein Ding! (lacht)

Sakaguchi:

Doch, er hat recht! Ich hätte so einen Auftritt niemals hingekriegt! (lacht)

Iwata:

Na, schließlich sind wir alle keine professionellen Schauspieler! (lacht) Also – ich habe gehört, dass Sie beide sich vor diesem Interview länger nicht gesehen haben. Ich weiß, dass Sie beide bei Square2 zusammengearbeitet haben, aber es würde mich doch interessieren, wie lange Ihr letztes Treffen zurückliegt. 2 Hironobu Sakaguchi betreute die „Final Fantasy“-Serie von FFI bis FFX-2 bei Square (nunmehr Square Enix), während Tetsuya Takahashi für das Grafikdesign von Final Fantasy IV bis VII verantwortlich war.

Sakaguchi:

In welchem Jahr haben Sie Square verlassen, Mr. Takahashi?

Takahashi:

Das war 1999. Und dann haben wir uns etwa drei Jahre später noch einmal getroffen, nicht wahr?

Iwata Asks
Sakaguchi:

Unser letztes Treffen wäre dann also acht Jahre her.

Iwata:

Wie eng haben Sie damals bei Square zusammengearbeitet?

Sakaguchi:

Damals war Mr. Takahashi der leitende Grafikdesigner im FF-Team. Sie haben ab FFIV3 an der Serie gearbeitet, oder? 3 „Final Fantasy IV“ war ein RPG, das ursprünglich im Juli 1991 in Japan für Super Famicom erschien.

Takahashi:

Genau. Ich stieß dazu, als wir an FFIV arbeiteten.

Sakaguchi:

Stimmt, ich kann mich noch genau erinnern, dass ich total verblüfft war, wie realistisch Ihr Design für die Steinmauer im Hintergrund war. Ich weiß noch, dass ich dachte: „Das ist echt der Hammer!“

Iwata:

Zu der Zeit begannen die Leute, auf die Qualität der Grafik in der „Final Fantasy“-Serie aufmerksam zu werden. Die damaligen technologischen Sprünge bei der Hardware für Videospiele bedeuteten, dass die Messlatte für realistische Grafiken dramatisch angehoben wurde.

Sakaguchi:

Stimmt. Und genau zu dieser Zeit stieß Mr. Takahashi zu uns. Ich bin jetzt noch froh um alles, was Sie damals für mich getan haben! (verbeugt sich)

Takahashi:

Aber nein! (lacht) Ich danke Ihnen! (verbeugt sich)

Iwata:

Mr. Takahashi, was war Ihr erster Eindruck von Mr. Sakaguchi?

Takahashi:

Lassen Sie mich nachdenken ... Damals gab es noch eine Heimcomputer-Spielkultur und ich war ein echter Fan von Titeln, für die Mr. Sakaguchi verantwortlich gewesen war, z. B. „Cruise Chaser Blassty“4. Ich betrachtete ihn also als jemanden, der Spiele erstellt hatte, mit denen ich viel Zeit zugebracht hatte. 4 „Cruise Chaser Blassty“ war ein für den PC-8801 entwickeltes RPG, das im April 1986 in Japan erschien.

Iwata:

Ich glaube, es ist ein Riesenunterschied, ob man einen kreativen Schöpfer aus der Entfernung oder aus unmittelbarer Nähe sieht. Wie war es, gemeinsam mit Mr. Sakaguchi zu arbeiten?

Takahashi:

Ich war immer sehr beeindruckt, dass er stets der Erste im Büro war und immer als Letzter ging. Man traf ihn immer an seinem Platz an und seine Arbeitsfähigkeit schien die Kapazitäten einer normalen Person weit zu übersteigen.

Iwata:

Ich nehme mal an, dass Sie nicht so lange im Büro geblieben sind, weil Sie irgendjemanden beeindrucken wollten. Das lag wohl eher daran, dass Sie sich darauf konzentrierten, etwas wirklich Gutes zu erschaffen. Und in solchen Fällen wird das Ergebnis immer besser, je mehr Zeit man darauf verwendet – und ehe man sich versieht, ist es mitten in der Nacht.

Sakaguchi:

Ja, damals war die Arbeit noch sehr praxisorientiert. Ich sehe noch Mr. Takahashi an seinem Schreibtisch vor mir. Es herrschte damals eine gute Arbeitsatmosphäre und alle waren sehr auf ihre Aufgaben konzentriert.

Iwata:

Damals konnte man die Ergebnisse seiner Bemühungen ganz deutlich im Endprodukt sehen. Und das hat einen dann auch motiviert.

Takahashi:

Man hatte große Verantwortung, aber gleichzeitig hatte man auch das Gefühl, dass die eigenen Anstrengungen sich lohnten.

Iwata:

Das FF-Team entwickelte diese Titel damals in einem ganz schönen Tempo. Dennoch hatten sie echte Tiefe und einen enormen Umfang. Wie haben Sie das Team organisiert, um diese dramatischen Entwicklungen im Werden der Serie erfolgreich zu handhaben?

Iwata Asks
Sakaguchi:

Na ja, ein wichtiges Element war natürlich die Tatsache, dass es uns gelungen war, so viele herausragende Talente zusammenzubringen, darunter auch Mr. Takahashi. Dann waren da die Verbesserungen der Hardware, die unsere Möglichkeiten erweiterten. Schon die kleinste Änderung an dem für Grafiken verfügbaren Speicher inspirierte den Tüftler in uns, dies für unsere Zwecke zu nutzen. Man hatte damals wirklich den Eindruck, dass wir die Dinge ständig ändern und verbessern mussten.

Takahashi:

Die Arcade-Geräte hatten damals höhere Spezifikationen als die Heimkonsolen; unser Bestreben war es, etwas zu erschaffen, das die Arcade-Konsolen übertreffen würde.

Iwata:

Sie waren also getrieben von dem Wunsch, die Spieler wirklich zu beeindrucken – und das mit Unterhaltungselektronik, die damals nicht dem neuesten Stand der Technik entsprach.

Sakaguchi:

Genau. Wir konnten die Dinge damals so erstellen, wie es uns am besten erschien. Erinnern Sie sich noch an die Magitek-Rüstung in der Eröffnungssequenz von FFVI5? 5 „Final Fantasy VI“ war ein RPG, das im April 1994 für Super Famicom in Japan erschien.

Takahashi:

Ja, natürlich.

Sakaguchi:

Mir hatte eine identische Version vorgeschwebt wie die Magitek-Rüstung, die im Spiel erscheint, aber Mr. Takahashi preschte einfach vor und zeichnete sie auf seine Weise ... (lacht) Und da ist ihm etwas wirklich Verblüffendes gelungen.

Iwata:

Sie hatten also gar keine andere Wahl als zuzugeben, dass seine Version besser war als das, was Sie ursprünglich geplant hatten.

Sakaguchi:

Genau. Es schmerzte, das zuzugeben! (lacht) Aber solche Dinge kamen damals öfter vor.

Iwata:

Aber der Teamgeist wird enorm gestärkt, wenn alle ihre Ideen einbringen und diese Ideen dann gut zusammenpassen.

Sakaguchi:

Mr. Takahashi hatte schon immer ein Talent dafür, Menschen zu motivieren und als Team zusammenzuführen.

Takahashi:

Aber damals hatte Square noch seine ganz eigene Kultur. Einerseits bestand ein echter Wunsch, die Dinge zu ändern, und gleichzeitig gab es da das Gefühl, dass man nicht an den Sachen herumdoktern sollte. Ich machte mir ständig Sorgen, ob ich auch auf dem richtigen Weg war.

Sakaguchi:

Tatsächlich? Wow ... Es erstaunt einen doch immer wieder, wenn man nach all diesen Jahren erfährt, was für Sorgen und Bedenken die Leute damals hatten. (lacht)

Iwata Asks
Takahashi:

Aber es besteht immer das Bedürfnis, die Dinge aktiv voranzutreiben. Sonst ändert sich ja nie etwas.

Iwata:

Also – wie lange haben Sie zusammengearbeitet, nachdem Sie einander kennengelernt hatten?

Takahashi:

Ich war bis Folge VI im FF-Team. Mitten in den Arbeiten zu Teil VII6 habe ich das Team verlassen. Ich bin im Unternehmen geblieben, aber war dann für ein anderes Team verantwortlich. 6 „Final Fantasy VII“ war ein RPG, das im Januar 1997 in Japan erschien.

Sakaguchi:

Ich kann mich noch erinnern, dass die Teams sich damals in immer kleinere Einheiten aufgliederten. Wenn jemand Führungsqualitäten zeigte, bekam er ein eigenes Team. Gleichzeitig haben Mitarbeiter mich oft gefragt, ob das Unternehmen sie nie etwas anderes als „Final Fantasy“ machen lassen würde. Darüber habe ich mir damals oft Sorgen gemacht.

Iwata:

Wenn man immer wieder das Gleiche macht, selbst wenn es etwas wirklich Wertvolles ist, verliert man das Gefühl des Besonderen. Man braucht frische, neue Ideen. Aber es herrschte viel Uneinigkeit darüber, welche Art von neuen Ideen wir brauchten.

Sakaguchi:

Genau. Aber Mr. Takahashi hatte ein paar wirklich gute Leute, die für ihn arbeiteten. Ich glaube, es war gut, dass er sein eigenes Team bekam.