3. Die schwierigen frühen Zeiten des Famicom

Iwata:

„Xevious“, das in den Spielhallen dominiert hatte, wurde dann für das Famicom herausgebracht und erhielt viel Aufmerksamkeit. Aber damals entwickelten und vertrieben die Drittunternehmen die Spielmodule selbst, nicht wahr?

Imanishi:

Ja. Das Lizenzgeschäft war damals noch nicht aufgebaut. Als das Famicom dann positiv aufgenommen wurde und sich immer besser verkaufte, bekamen wir mehr und mehr Anfragen von Unternehmen, die ein Spiel dafür herstellen wollten. Aber wir hatten kein Patent auf die Famicom-Software, daher konnten wir uns lediglich auf Warenzeichenrechte berufen und sagen: „Das Family Computer System ist eine Marke von Nintendo.“ Aber die Tatsache, dass viele andere Unternehmen eigene Module vorbereiteten, brachte Probleme mit sich. Als Atari Inc. seine Hardware in den USA herausbrachte, folgte kurz darauf das Atari-Debakel11 und der Markt für Videospiele brach zusammen. 11 Atari-Debakel: 1977 brachte das US-Unternehmen Atari Inc. die extrem beliebte Atari VCS-Konsole heraus; angeblich führte die Überproduktion minderwertiger Software in der Schlussverkaufssaison am Jahresende 1982 zum rapiden Schrumpfen des Marktes und schließlich zum Ende des Videospiel-Booms.

Iwata:

Es gibt diverse Theorien zu dem Atari-Debakel, sicher ist aber, dass die Anwender aufgrund der Überproduktion minderwertiger Spiele das Vertrauen in die Branche verloren. Und Sie wollten eine Wiederholung dieses Albtraums um jeden Preis verhindern.

Imanishi:

Genau. Ich war sehr besorgt, dass etwas Ähnliches erneut geschehen könnte. Und schließlich kam es tatsächlich dazu, dass ein bestimmtes Unternehmen ein fehlerhaftes Modul herausbrachte, das wieder vom Markt genommen werden musste.

Iwata:

Diverse Unternehmen stellten unabhängig eigene Module her, und Nintendo konnte nicht für deren Qualität bürgen, also gab es schließlich Probleme.

Imanishi:

Ja. Bei Nintendo gingen alle möglichen Beschwerden ein. Uns war klar, dass dies ein großes Problem war und wir etwas unternehmen mussten. Also beschloss Nintendo, ein Famicom-Lizenzsystem aufzubauen, unter dem Nintendo die Module fertigen und die Qualität garantieren würde.

Iwata Asks
Iwata:

Wann etwa war das?

Imanishi:

Das war etwa im Januar 1986 abgeschlossen.

Iwata:

Das war dann also ungefähr dreieinhalb Jahre nach dem Erscheinen des Famicom.

Imanishi:

Nach dem Erscheinen des Famicom geschah eine ganze Menge … (emotional) Das waren wirklich schwere Zeiten.

Iwata:

Am Ende verkaufte sich das Famicom weltweit über sechzig Millionen Mal. Das heißt aber nicht, dass von Anfang an alles glattlief.

Uemura:

Elf Monate nach seinem Erscheinen waren eine Million Einheiten des Famicom verkauft worden.

Iwata:

Das war rückblickend ein eher langsames Anlaufen.

Uemura:

Wir hatten uns mit der Herstellung ganz schön angestrengt, und verglichen mit „Game & Watch“ war das eine magere Ausbeute.

Iwata:

Die Erträge stiegen nicht, aber wahrscheinlich weil sie sich gut verkauften, kam es zu ernsthaften Nachlieferungsdefiziten.

Uemura:

Aber das war nicht geplant. Wir konnten einfach nicht ausreichend Einheiten herstellen. Außerdem trat ein Problem nach dem anderen auf. Ein Beispiel war der „verschwindende Ball“ …

Iwata:

Das war ein Bug, bei dem der Ball oder die weißen Linien in Baseball 12 unter bestimmten Umständen verschwanden. 12 Baseball: Ein Sportspiel, das im Dezember 1983 für das Famicom-System erschien. In Europa wurde das Spiel 1991 für das NES veröffentlicht.

Uemura:

Wir waren bei der Herstellung an unsere Grenzen gegangen; das thermische Design war daher unzureichend, es kam schnell zur Überhitzung und die Grafiken konnten nicht mehr richtig angezeigt werden. Ein weiteres Problem waren die quadratischen Knöpfe auf dem Controller . Die blieben immer stecken.

Imanishi:

Wir hatten nicht erwartet, dass sie so intensiv genutzt werden würden.

Uemura:

Aber wir hatten Anwendungstests durchgeführt, bei denen diese Knöpfe eine Million Mal gedrückt wurden!

Iwata:

Eine Million Mal?

Uemura:

Es traten keine Probleme auf, also hatten wir bei der Veröffentlichung vollstes Vertrauen. Aber sie kamen ruck, zuck zu uns zurück.

Iwata:

Ich habe gehört, dass der Kundendienst von Nintendo mit Reparaturanfragen überschüttet wurde, nachdem der Verkauf des Famicom in Schwung gekommen war.

Iwata Asks
Uemura:

Das war in der Tat so. Ich glaube, uns war gar nicht klar, wie die Leute zu Hause Videospiele spielen. Wir haben das Knopfproblem gelöst, indem wir die quadratischen Knöpfe in runde umgewandelt haben, aber ich glaube, die Spieler wendeten viel mehr Kraft mit den Fingern auf als bei „Game & Watch“.

Iwata:

Sie drückten vermutlich viel fester zu. Wenn man einen Controller in der Hand hat, verwendet man automatisch viel Kraft, um die Knöpfe zu drücken und Mario springen zu lassen. Jeder (schwingt seinen Körper hin und her) würde da ziemliche Kraft anwenden … etwa so. (lacht)

Uemura:

Ja, das stimmt! (lacht)

Iwata:

Und ich habe gehört, dass das Kabel, mit dem der Controller an der Konsole befestigt wurde, manchmal abfiel. Aufgrund dieser Erfahrungen sind heutige Nintendo-Produkte robuster konzipiert.

Uemura:

Und das Famicom wurde an die Antennenbuchse des Fernsehers gestöpselt, aber wenn man es nicht richtig machte, wurde kein Bild auf dem Fernseher angezeigt. Nachdem das Famicom in den Handel kam, kämpfte ich plötzlich an allen Fronten gegen eingeklemmte Knöpfe, abgefallene Kabel und leere Fernsehbildschirme!

Iwata:

Die damaligen Fernseher verfügten nicht über ein Video-Eingangs-Terminal.

Uemura:

Meistens nicht, nein. Als wir das untersuchten, stellten wir fest, dass nur etwas über 10% einen Video-Eingang hatten. Aber wenn wir ein Kabel für diese 10 Komma x Prozent der Fernseher mit Video-Eingang beigelegt hätten, wären die Kosten gestiegen. Daher haben wir diese Idee aufgegeben und stellten nur einen Anschluss für die Antennenbuchse zur Verfügung. Aber dann trat das Problem mit den Fernsehbildschirmen auf; und wenn man einen Fehler beim Anschließen machte, wurde das Bild u. U. auf einem anderen Fernseher in der Nähe angezeigt. Die Elektroläden waren mit diesen Problemen bestimmt gut beschäftigt.

Iwata:

Wenn jemand seine Konsole falsch an den Fernseher angeschlossen hatte und die Konsole dann deshalb an uns zurückschickte, konnten wir ja nichts unternehmen.

Uemura:

Wenn jemand bei Nintendo anrief, waren die Leitungen vermutlich so überlastet, dass niemand durchkam. Daher wendeten die Leute sich an ihre örtlichen Elektroläden, die sich vor Famicoms kaum noch retten konnten. Ich habe jetzt noch ein schlechtes Gewissen deswegen.

Imanishi:

(Mit Gefühl) Zuerst hagelte es wirklich nur Beschwerden.

Iwata:

(lacht) Und ich nehme an, die schlimmsten Beschwerden landeten bei Ihnen.

Imanishi:

Eigentlich kann ich mich im Zusammenhang mit dem Famicom überhaupt nur an den Umgang mit Beschwerden erinnern! Iwata und Uemura: (lachen)

Iwata:

Aber es verkaufte sich gut, obwohl Sie die TV-Antenne neu konfigurieren mussten. Es muss ein wirklich ansprechendes Produkt gewesen sein.

Uemura:

Ja, anscheinend waren alle bereit, über das Problem hinwegzusehen.

Imanishi:

Es muss ein Wahnsinnsprodukt gewesen sein, wenn es all diese Probleme überwinden konnte. Ich glaube, der entscheidende Faktor war das Erscheinen von Super Mario Bros. 1985. Dieses eine Spiel fegte die ganze Unsicherheit, die bis dahin bestanden hatte, einfach hinweg. „Super Mario“ war einfach ein umwerfendes Spiel!

Imanishi: