4. Gemeinsames Entwerfen von Levels

Tezuka:

Nun ging es ja bei uns nicht ums Einkaufen, aber ich glaube, Beschränkungen sind wichtig. Die neueren Mitarbeiter haben gar kein Gefühl mehr dafür.

Iwata:

Wenn einen heutzutage jemand auffordern würde, etwas aus 30 Byte zu machen, würde man nur müde lächeln. Damit könnte man überhaupt nichts anfangen. Aber damals waren das für uns 10 Blocks! (lacht)

Miyamoto:

Und das hat Spaß gemacht. Es hat uns ja nicht frustriert.

Tezuka:

Genau.

Iwata:

Mr. Tezuka, Sie stießen als Grafiker zum Unternehmen. Haben Sie diese Einschränkungen auch genossen?

Tezuka:

Ja, es hat wirklich Spaß gemacht. Ich war noch ganz neu im Unternehmen, also habe ich nicht einfach an Entwürfen gearbeitet, sondern mich erst mal erkundigt, welche Bedingungen galten. Und dann hatte ich wirklich Spaß daran, innerhalb dieser Einschränkungen zu arbeiten.

Iwata Asks
Iwata:

Das habe ich auch sehr genossen. Wenn damals jemand zu mir kam und sagte: „Ich habe Probleme – es gibt nicht genügend Speicher“, dann war ich, ehrlich gesagt, geradezu glücklich. (lacht) Für den Programmierer war es eine Möglichkeit, sein Können mal so richtig unter Beweis zu stellen, wenn es ihm gelang, dieselben Funktionen mit weniger Speicher zu programmieren.

Miyamoto:

Unser Standardspruch war: „Das überlassen wir einfach Mr. Iwata. Der kriegt das schon hin.“ (lacht)

Iwata:

Mir hat das wirklich Spaß gemacht.

Nakago:

(blättert durch die Dokumente) Dieses Schloss hier war z. B. so ein Fall.

Nakago:

Das Schloss am Anfang ist recht klein, dasjenige am Ziel ist groß. Aber tatsächlich handelt es sich um dasselbe Schloss.

Iwata Asks
Tezuka:

Wir haben den oberen Teil des Schlosses am Ziel einfach für den Anfang verwendet.

Nakago:

Wenn man das Schloss am Ziel genau betrachtet, sieht man eine Türe im Obergeschoss. Aber wir haben dann einfach behauptet, es sei ein Fenster! (lacht)

Iwata:

(lacht)

Nakago:

Solche Tricks haben wir uns bei der Arbeit an „Super Mario Bros.“ ständig ausgedacht.

Iwata:

Ja, wir haben immer nach Möglichkeiten gesucht, ein Spiel auch mit einer kleinen Datenmenge opulent gestalten zu können.

Nakago:

Wir haben uns ganz darauf konzentriert, wie wir mit möglichst wenigen Daten möglichst viel darstellen konnten.

Iwata:

Sie begannen mit der Arbeit an „Super Mario Bros.“ und knobelten jede Menge clevere Tricks aus, um das Spiel zu einem echten Höhepunkt zu machen, in den die Erfahrungen aus früheren Spielen einflossen. Wann hatten Sie zum ersten Mal das Gefühl, etwas wirklich Verblüffendes geschaffen zu haben?

Nakago:

Das war zweifellos bei der Erstellung des Hintergrunds.

Iwata:

Als der schwarze Hintergrund in einen blauen Himmel umgewandelt wurde.

Nakago:

Genau.

Miyamoto:

(nimmt ein Planungsblatt in die Hand) Hier. Das ist es.

Iwata Asks
Nakago:

Oh, tatsächlich!

Iwata:

Mr. Tezuka, haben Sie das gezeichnet?

Tezuka:

Das sieht aus, als könnte es Mr. Miyamotos Werk sein.

Iwata:

Mr. Miyamoto?

Miyamoto:

Das soll ich gemalt haben? Ach ja, tatsächlich. Da ist meine Unterschrift. (lacht)

Iwata:

Das wurde unterzeichnet … am 28. Februar 1985. Nur eine Woche nach dem Aufstellen der ersten Spezifikationen.

Miyamoto:

Tja, ich bin halt von der schnellen Truppe!

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Oben rechts auf diesem Planungsblatt befindet sich eine Art Palette. Damit haben wir die Elemente verwaltet und z. B. Bäume, Sträucher und Wolken aus denselben Teilen erstellt.

Iwata:

Das Laub und die Wolken bestehen aus denselben Elementen, und für jedes konnten nur vier Farben verwendet werden. In die Palette haben sie dann die vier Farben aufgenommen, die verwendet werden sollten. Das war eine der Eigenschaften der Famicom-Hardware – wenn man die Kombination der vier Farben änderte, sah ein und dasselbe Objekt verblüffend anders aus. Das haben wir damals für unsere Absichten voll ausgeschöpft.

Miyamoto:

Ja. Um ein größeres als die bisher da gewesenen Spiele an die beschränkte Kapazität des Famicom-Steckmoduls anzupassen, mussten wir uns derartige Dinge einfallen lassen. Sonst hätten wir nicht alle Inhalte untergekriegt.

Iwata Asks
Iwata:

Dieses Herumrätseln machte einen großen Teil der Erstellung von „Super Mario Bros.“-Spielen aus.

Miyamoto:

Diese Art der Spielerstellung hat Spaß gemacht.

Nakago:

Allerdings.

Miyamoto:

Wir hatten Freude am Erstellen des Spiels, und die Spieler hatten Freude beim Spielen der resultierenden Level.

Iwata:

Wer hat denn die Level entworfen?

Miyamoto:

Mr. Tezuka und ich.

Tezuka:

Das haben wir gemeinsam gemacht.

Miyamoto:

Außer uns beiden hat niemand daran mitgezeichnet.

Nakago:

Stimmt. Das haben die beiden ganz alleine gemacht.

Miyamoto:

Wir haben die gesamten Level gezeichnet. Auf diese Weise verbanden sich unsere Stile auf interessante Weise und es entstand etwas, was einer alleine so sicher nicht geschafft hätte.

Iwata:

Mr. Tezuka, was schwebte Ihnen damals bezüglich der Landschaft und des Verteilens der Gegner vor? Selbst nach 25 Jahren erkennt jeder noch an, dass die Anordnung der Gegner in „Super Mario Bros.“ sehr interessant ist. Wie kam es zu einer derart beeindruckenden Aufstellung?

Tezuka:

Äh …

Iwata:

Und sagen Sie jetzt ja nicht: „Das war Zufall!“ (lacht)

Tezuka:

Nein, nein, es war kein Zufall. (lacht) Während ich ein Level erstellte, überlegte ich, wie die Spieler dieses wohl spielen würden. Und dann zeigte ich es Mr. Miyamoto.

Iwata:

Verstehe.

Tezuka:

Er betrachtete das Konzept und sagte dann beispielsweise: „Der Spieler wird vermutlich von hier kommen. Wenn hier ein Gegner auftaucht, rennt der Spieler da rüber. Aber der Spieler soll ja nicht mit Marios Kopf hier dranknallen, also …“ Und dann habe ich die problematischen Stellen korrigiert.

Iwata:

Und haben Sie denn auch Kommentare zu Mr. Miyamotos Entwürfen abgegeben?

Tezuka:

Was, ich?

Miyamoto:

... (lacht)

Iwata:

Oder war Mr. Miyamoto immer der Herr und Meister?

Tezuka:

(entschieden) Er war der Meister. Damals bekam man nur einmal täglich eine funktionierende Version der gezeichneten Level zu Gesicht, daher versuchte man gleich, eine möglichst gelungene Version auf Papier zu erstellen.

Iwata:

Ach ja, stimmt. Das war eine weitere Einschränkung, aber auch diese hatte ihre Vorteile. Damals hatten wir nicht all die praktischen Hilfsmittel, die uns heute zur Verfügung stehen; man konnte nicht einfach ein Objekt ändern und die Änderungen sofort betrachten. Wenn man ein schlampiges Level entwarf, verlor man einen ganzen Tag.

Iwata Asks
Tezuka:

Also, egal wie das hier aussieht … ich hatte mir wirklich Gedanken darüber gemacht!

Iwata:

(lacht) Verzeihung, so war das nicht gemeint.

Miyamoto:

Er war damals ganz neu bei uns, aber er hat durchaus über seine Entwürfe nachgedacht.