Der Entwicklungszeitraum war ja diesmal nicht so lang, aber ich habe den Eindruck, dass das Spiel trotzdem recht umfangreich ist und sehr viel Inhalt bietet. Wie haben Sie das Ihrer Meinung nach erreicht?
Diesmal haben wir - das Tokio Software Development Department - uns dazu entschieden, das Spiel wie ein Sprint-Rennen zu entwickeln, und nicht wie ein Langstreckenrennen. Am Anfang war unser Gedanke einfach: "Lasst uns in der kurzen Zeitspanne das bestmögliche Spiel entwickeln.”
Okay.
Aber dann dachten wir nur: "Wie sollen wir das in der kurzen Zeit denn überhaupt schaffen?" und hatten keine fruchtbaren Ideen. Wir hatten z. B. die Idee, alle Zwischensequenzen oder bestimmte Endgegner zu streichen. Dann dachten wir: "Also, das wäre ja auch keine gute Lösung!" und haben es anders probiert. Anstelle von "Lasst uns in kurzer Zeit das bestmögliche Spiel machen!", dachten wir: "Was können wir in der kurzen Zeit machen, damit das Spiel so gut wie möglich wird?”
Und hat es tatsächlich einen großen Unterschied gemacht, als Sie das so umformuliert hatten?
Allerdings! Wir haben z. B. nicht einfach die Zwischensequenzen gestrichen, sondern sind darauf gekommen, dass Zwischensequenzen möglichst direkt einen Inhalt vermitteln sollten, und wir haben die Umgebung und Fähigkeiten so gestaltet, dass man immer auf unterschiedliche Art Spaß am Spiel hat, auch wenn man noch einmal die gleichen Gegner vor sich hat. Wir haben es eben so gemacht wie bei "Super Mario Bros." für das NES.
Das erste "Super Mario Bros." ist wirklich ein gutes Beispiel für ein Spiel, das sich sehr stark verändert, indem einfach nur die verschiedenen Elemente neu arrangiert werden.
Ja. Diesmal haben wir uns auch vorgenommen, die Spielelemente voll auszunutzen, deshalb konnten wir uns bei der Entwicklung auf das Wesentliche konzentrieren.
Bei der Spielentwicklung verbringt man immer ungefähr dieselbe Zeit damit, sich wirklich auf das Spiel an sich zu konzentrieren, unabhängig davon, wie lang die Gesamtentwicklungszeit ist. Dieser Zeitraum hängt natürlich von der Art des Spiels ab, aber bei diesem Spiel wurde wirklich besonders darauf geachtet, keine Zeit und Mühe zu verschwenden.
Ich habe den Eindruck, dass Sie bei diesem Projekt von Anfang an sehr geradlinig vorgegangen sind.
Das stimmt. Seit unseren Erfahrungen mit "Super Mario Galaxy 2" wussten wir, welche Elemente vielleicht ungenutzt bleiben, und so konnten wir uns von Anfang an auf die richtigen Dinge konzentrieren.
Und natürlich verdanken wir der Stärke des Teams auch sehr viel. Wenn wir ein neues Projekt beginnen, müssen wir zwar fast immer auch ein neues Team mit neuen Mitarbeitern zusammenstellen, aber das Tokio Software Development Department hat schon seit längerer Zeit dieselben Mitarbeiter und hat sich auf besondere Art entwickelt. Der starke Zusammenhalt zwischen den Kollegen und das Leistungsniveau, das dadurch erbracht werden konnte, waren sicher auch maßgebliche Faktoren.
Ich verstehe. Das Spiel bietet aber deutlich mehr Inhalt, als ich es anfangs erwartet hatte. Wie kommt das? Liegt es daran, dass Sie nach und nach mehr Elemente hinzufügen konnten, weil Sie schon eine gute Vorstellung davon hatten, in welche Richtung sich das Projekt entwickeln sollte?
Das denke ich schon. Ich sage bei der Arbeit gerne: "Setzt das ruhig auch noch um! Und das auch!", und so ist doch ein Produkt mit beträchtlichem Umfang daraus geworden, weil die Mitarbeiter immer alle möglichen Vorschläge gemacht haben.
Iwata Fragt: SUPER MARIO 3D LAND (lacht) Wann war aus Ihrer Sicht der große Durchbruch, Mr. Koizumi?
Diesmal hat Mr. Hayashida die Führung übernommen und ich habe ihm aus dem Hintergrund über die Schulter geschaut, als eine Art Rettungsanker. Zuerst sagte ich ihm, dass er interessante Elemente aus "Super Mario Galaxy " übernehmen und das Projekt in der kurzen Zeitspanne einfach durchziehen sollte. Ich habe sogar gesagt, dass er nicht unbedingt so viele neue Sachen umsetzen müsste. Es gab am Anfang den Plan, nur ein Power-Up für Mario zu integrieren.
Man sollte mit Tanuki-Mario anfangen.
Richtig. Aber wir haben uns nicht auf Tanuki-Mario und den Spaß an der stereoskopischen 3D-Darstellung beschränkt, sondern noch Zeit darauf verwendet, über mögliche Verbesserungen der Software nachzudenken, und so kamen die Mitarbeiter auf die Idee mit dem Bumerang-Mario. Als ich gesehen habe, wie die ganzen jüngeren Mitarbeiter freiwillig so viele neue Ideen entwickelt haben, dachte ich: "Die sind ja schon ziemlich gewachsen.”
Wenn man neues Material integriert, verlängert sich die Entwicklungsphase im Normalfall. Warum war das bei Ihnen nicht so?
Ein Grund dafür ist, dass Mr. Hayashida sofort sieht, wenn etwas unnötig ist. Wenn etwas danach aussieht, dass es keine Früchte tragen wird, stellt er die Arbeit daran sehr schnell ein.
Viele Ideen kamen ja auch direkt von mir, und da habe ich mir natürlich im Vorfeld schon viele Gedanken gemacht. (lacht)
Aber die eigenen Ideen sind doch immer am schwierigsten aufzugeben. Ich war sehr beeindruckt davon, dass er das so konnte. Ich denke, so hat er die Zeit sehr effizient genutzt.
Ein Element der Arbeitsanforderung war ja, das Spiel innerhalb der Zeitvorgabe möglichst effektiv umzusetzen, und so sind wir auf das Konzept gekommen, die Spielelemente unterschiedlich zu kombinieren. Wir mussten z. B. den fliegenden Mario in "Super Mario Galaxy" aus dem Nichts erschaffen, was natürlich lange gedauert hat, aber diesmal haben wir Feuer-Marios Bewegungen mit dem Bumerang der Gegner kombiniert und so Bumerang-Mario geschaffen , und das ist jetzt ein neues Power-Up. So wähle ich die Sachen immer gezielt aus.
Aber ... diese Methode ist doch ...
Ja, sehen Sie, so denke ich auch!
Ich bin bestimmt nicht so gut wie Sie ... (lacht) Ich habe es vor allem auch wegen der Erfahrungen angesprochen, die ich beim Unterrichten im Spieleseminar gemacht habe. Die Art zu analysieren und zu vermitteln, wie Mr. Miyamoto Spiele entwickelt, hat mir dabei geholfen, meine eigenen Gedanken zu organisieren und so auch besser umzusetzen. Ich wäre ja kein guter Dozent, wenn ich selbst nicht auch das machen würde, was ich den Studenten vermittle! (lacht)
Ihre eigenen Unterrichtsinhalte haben Sie also selber ganz schön unter Druck gesetzt? (lacht)
Ja. (lacht)
Es ist unglaublich wichtig, anderen Leuten Dinge zu erklären. Wenn man Wissen erst selber erklärt, das man sich angeeignet hat, fällt einem auf, dass das eigene Verständnis noch ziemlich lückenhaft war. Ein Ziel des Spieleseminars ist es, die Fähigkeiten der Leute noch zu verbessern, die dort die Rolle der Dozenten übernehmen, indem sie die eigenen Gedanken zur Spielentwicklung sammeln und so ein tiefer gehendes Verständnis erreichen. Außerdem wollen wir natürlich neue Talente finden und fördern.
Ja. Ich denke, ein Grund dafür, dass wir ein Spiel dieses Umfangs innerhalb der vorgegebenen Zeit bewältigen konnten, war auch diese Maßnahme.
Da Sie beim Spieleseminar Vorträge gehalten haben, mussten Sie die entsprechenden Inhalte natürlich auch selber umsetzen. Vielleicht konnten Sie deshalb auch schwierige Entscheidungen mit so viel Gelassenheit treffen. Das ist eine effiziente Methode der Spielentwicklung, die sich aus dem Spieleseminar entwickelt hat.
Ein anderer Grund dafür, dass wir dieses Tempo beibehalten konnten, war meiner Meinung nach auch, dass man das Spiel jeden Tag probespielen konnte. Ich habe jeden Tag die aktuelle Version der Software gespielt und habe mich deshalb auch immer auf die Arbeit gefreut. Es hat einfach Spaß gemacht.
Wenn die Spielentwicklung mit gutem Tempo voranschreitet, freut man sich als Entwickler. Das Tokio Software Development-Team ist aber auch sehr flexibel. Wenn ich aus Kyoto nach Tokio gekommen bin, um mir das Spiel anzuschauen und gewisse Korrekturen weiterzugeben, haben sie viele Dinge noch an demselben Tag erledigt, so dass ich jeden Tag sehr viele Elemente überprüfen konnte. Wir konnten alles vor Ort erledigen, ohne Wartezeit, so dass die Arbeit natürlich schneller vorangegangen ist.
Ich denke, die ganze Wartezeit ist sonst eines der größten Probleme. Man muss sich bei der Arbeit nicht nur als Einzelperson viel Mühe geben, sondern es ist auch wichtig, dass man die nutzlos verschwendete Zeit so weit wie möglich reduziert.
Stimmt. Bei einem Projekt ist es sehr entscheidend, wie sehr man die Zeit reduzieren kann, die zwischen den Arbeitsschritten verschiedener Personen vergeht.
Darauf habe ich wirklich sehr geachtet.
Wenn ich mich mit Mr. Hayashida in Verbindung setze, kommen die Korrekturen sofort zurück. Dieser schnelle Austausch ist sehr angenehm.
Ja, die Arbeit macht Spaß, wenn man schnell Feedback dazu bekommt.
Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Arbeit eigentlich immer ablaufen sollte.
Mr. Hayashida, ich beobachte Mr. Miyamoto schon sehr aufmerksam, aber Sie anscheinend auch! Es ist interessant, dass wir beide einen Hintergrund als Programmierer haben und uns so genau mit Mr. Miyamotos Arbeit beschäftigen. Wir sind fast so etwas wie Rivalen! (lacht)
Tja ... (lacht)
Sie sprechen beide unterschiedliche Dinge an, die dazu führen, dass ich selber besser werden will! (lacht)
Das ist ja ein richtig konstruktives Arbeitsgespräch heute.
Ist das in Ordnung? Vielleicht hört sich das eher nach einem Business-Lehrgang an, als nach einem Spiele-Interview! (lacht)
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