2. Profidesigner kommen ins Boot

Iwata:

Ich würde gerne noch einmal auf den Beginn der Entwicklung zu sprechen kommen. Zur Erstellung von „Nintendo präsentiert: New Style Boutique“ für das Nintendo 3DS-System haben sich zum ersten Mal zwei ganz verschiedene Kulturen – ein Videospielunternehmen und ein Modeunternehmen – zusammengefunden. Mr. Yamagami, welchen ersten Eindruck hat das damals bei Ihnen hinterlassen?

Yamagami:

Also, ehrlich gesagt haben wir uns direkt von der ersten Besprechung an königlich mit dem Fachsimpeln über Videospiele amüsiert.

Iwata:

Wie bitte?

Yamagami:

Mr. Tamura hat ja bereits erwähnt, dass er Designer empfohlen hat, die Videospiele mögen.

Tamura:

Nintendo hatte darum gebeten, mit Designern in Kontakt gebracht zu werden, also habe ich ein paar wirklich clevere Mädchen ausgewählt, die was auf dem Kasten haben. Ich habe quasi Bewerbungsgespräche durchgeführt und das erste Mädchen sagte ganz zufällig: „Ich liebe Videospiele!“ Daraufhin habe ich sie natürlich sofort auf meine Liste gesetzt.

Yamagami:

Das war ein echter Senkrechtstart. Und als ich ein neues „Style Boutique“-Spiel erwähnte, war sie sofort Feuer und Flamme. Es war also weniger ein Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen als vielmehr ein unglaublich natürlicher Vorgang. Schon bei der ersten Besprechung hatten wir einen tollen Draht zueinander und auch Mrs. Hattori sagte: „Die oder keine!“

Hattori:

Stimmt.

Iwata:

Mrs. Hattori, welchen Eindruck hatten Sie von dieser Designerin?

Hattori:

Wir kamen aus unterschiedlichen Branchen und hatten damit teilweise abweichende Kulturen und Gewohnheiten, aber ich hatte den Eindruck, dass die Basis gleich war.

Iwata Asks
Iwata:

Was genau meinen Sie?

Hattori:

Wir wollten junge Mädchen begeistern – in dieser Hinsicht waren wir uns ähnlich.

Iwata:

Ah, verstehe. Sie arbeiten mit einem anderen Medium – Spieleentwickler verwenden Videospiele und Designer nutzen Mode – aber Sie wollten beide ein Lächeln auf die Gesichter junger Frauen zaubern.

Hattori:

Genau. Wenn diese Designerin sagte: „Ist das nicht ein tolles Stück?“ oder: „Wie wär's mit diesem Outfit?“, dann kam von mir zumeist ein begeistertes „Ooh! Ist das süß!“ (lacht) Natürlich unterschieden sich unsere Kulturen und Perspektiven, aber wir waren beide auf den Kunden ausgerichtet und hatten den gemeinsamen Wunsch, alle mit Mode zu beglücken, also gab es nie auch nur die geringsten Kommunikationsprobleme.

Iwata:

Ich nehme mal an, Sie haben viel von den Modeprofis gelernt.

Hattori:

Allerdings! Mehr als nur einmal hatte ich Aha-Momente, in denen mir klar wurde, worum es bei Mode eigentlich geht. Ich habe wirklich viel gelernt. Wie man Accessoires einsetzt und wo man Muster verwendet, sind ja eigentlich winzige Details, aber ich habe kleine Tricks gelernt – wie ich Dinge einsetzen kann, sodass sich ein elegantes Gesamtbild ergibt. Und das war sehr wichtig.

Yamagami:

Für mich war es besonders wichtig, etwas über die Trends in der Modewelt zu lernen. Beim letzten Spiel konnte ich nur einen Stapel Modezeitschriften kaufen und die neuesten Infos studieren, aber dieses Mal habe ich wirklich verstanden, worum es bei den aktuellen Trends geht und was als Nächstes kommt, noch bevor das dann in den Magazinen erschien. Bis dahin hatte die Modewelt für mich aus isolierten Einzelpunkten bestanden, aber unsere Designerin hat diese Punkte für mich zu einer laufenden Linie verbunden.

Iwata:

Früher hatten Sie die Perspektive eines Verbrauchers, aber sie hat Ihnen Mode aus der Perspektive eines Modeschöpfers nahegebracht.

Yamagami:

Genau. Das hätte ich alleine nie geschafft. Ich wollte schon immer wissen, wie das funktioniert, und bin überaus froh und dankbar, dass sie es mir gezeigt hat.

Iwata:

Dann begann die eigentliche Entwicklung und Syn Sophia erstellte jeden Tag alle möglichen Artikel. Sie haben schon gesagt, dass es zuging wie am Fließband! (lacht)

Sasaki:

Ja, wirklich. Wir haben uns schon reingekniet, bevor die Designer dazustießen, aber wenn wir die Stücke dann zu niedlichen Outfits kombinieren wollten, merkten wir schnell, dass wir keine Profis waren  …

Iwata Asks
Iwata:

Sie konnten einzelne Stücke erstellen, aber  …

Sasaki:

Hm-hmm.

Iwata:

Sie hatten Probleme bei der Zusammenstellung.

Sasaki:

Genau. Also haben Mr. Tsujii und die Designer mit uns zusammengearbeitet und uns Tipps gegeben, wie verschiedene Elemente wirkungsvoll eingesetzt werden – etwa: „Versucht erst mal, Sachen von diesem Bildschirm miteinander zu kombinieren!“

Yamagami:

Zuerst war das wirklich schwierig. Letztes Mal gab es 10.000 Artikel. Das fand ich schon enorm viel, aber diesmal erklärte der Firmenchef von Syn Sophia, Syuji Yoshida, dass es 20.000 werden würden! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata:

Gleich zweimal so viel?!

Yamagami:

Ganz genau. Und wenn wir einwandten, dass das Erstellen der doppelten Menge nicht bedeutete, dass wir auch doppelt so viel verkaufen würden, entgegnete er: „Nein – wir können dreimal so viel verkaufen!“

Iwata:

Wow. (lacht)

Sasaki:

Unser Boss ist ein echter Modefan.

Iwata:

Andernfalls wäre es wahrscheinlich auch nie zu „Style Boutique“ gekommen.

Sasaki:

Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls wollte er die Anzahl der Kleidungsstücke erhöhen, aber 20.000 kam uns doch etwas übertrieben vor. Wir haben dann 12.000 gemacht.

Iwata:

Das ist ja auch schon eine ganz schöne Menge.

Sasaki:

Allerdings. Wir haben immer weitergemacht und immer neue erstellt. Ich wüsste ja gerne, ob sie vor den Augen von Profis wie Mr. Tsujii Gnade finden.

Tsujii:

Durchaus. Ich habe mit der Designerin gesprochen und auch sie hat bestätigt, dass Sie eine Menge über Mode gelernt haben.

Sasaki:

Danke sehr!

Iwata:

Aber war es nicht schwierig, das alles zu überprüfen? Bei dieser Menge?

Tsujii:

Doch. Wir hatten eine Unmenge von Designkonzepten, sind diese der Reihe nach durchgegangen und haben sie kommentiert: „Das hier sollte ein bisschen länger sein“ oder „Das Pink hier sollte etwas intensiver sein.“

Iwata Asks
Iwata:

So haben wir also unser Feedback bekommen.

Tsujii:

Genau.

Iwata:

In diesem Spiel wird der Spieler zum Leiter einer Boutique und schlägt den Kunden ausgehend von deren Wünschen Outfits vor. Aber mit nahezu 12.000 Stücken ist die Anzahl möglicher Kombinationen praktisch unendlich; letztlich muss das Spiel entscheiden, was funktioniert und was nicht.

Sasaki:

Stimmt.

Iwata:

Aber hier geht es doch um subjektive Unterschiede – das ist doch schrecklich schwierig. Wie haben Sie das gelöst?

Hattori:

Wir haben viel ausprobiert und vieles wieder verworfen. Der Ablaufplan (breitet die Arme aus) war am Ende so lang!

Sasaki:

Seite um Seite …

Yamagami:

Und wir haben das Ganze zweimal wiederholt! Das ist einer der Gründe, warum die Entwicklung so unendlich langwierig war!