Nachdem ich lange Zeit am selben Ort an Anime gearbeitet habe, begann ich mich zu fühlen wie Wasser, das langsam trübe wird. Im Übrigen gab es keine Garantie, dass ich mit meinen gleichgesinnten Kollegen für immer arbeiten könnte, und so entschied ich mich, die Firma zu verlassen und als Freiberufler zu arbeiten. Während ich aber frei arbeitete, habe ich nie am Kern eines Projekts gearbeitet, nur an dessen Teilen.
Also übernahmen Sie Teile von größeren Projekten.
Es war stressfrei, aber leider nur bedingt interessant.
So ist es im Leben: Entweder ist es mühsam und interessant oder einfach und uninteressant.
Dann hat mich Ike – Hiroshi Ikeda – angesprochen.
Mr. Ikeda arbeitet nicht mehr bei Nintendo, aber er war mal Mr. Miyamotos Vorgesetzter.
Ike hat zur selben Zeit bei Toei Animation angefangen wie ich.
Was?! Wirklich?!
Daher erlaube ich mir, ihn Ike zu nennen. Er ist älter als ich, aber auch mit ihm habe ich mich oft gestritten. Zum Bespiel als wir "Flying Phantom Ship"9 gemacht haben. Er war der Regisseur und ich Animationsdirektor.
9 "Flying Phantom Ship" ist ein Animationsfilm aus dem Jahr 1969. Er wurde von Toei Animation Co., Ltd. produziert.
So war das also.
Mr. Miyamoto, tut mir leid, dass wir Sie so lange haben warten lassen.
Kein Problem.
Wie lange haben Sie bei Nintendo gearbeitet, als Mr. Ikeda Ihr Vorgesetzter wurde?
Ungefähr 7 oder 8 Jahre, glaube ich. Etwa zu der Zeit als wir "Super Mario Bros."10 gemacht haben. Er hat mir wirklich alle Freiheiten gegeben, die man sich nur wünschen kann. Er war der erste Manager der Abteilung "Entertainment Analysis and Development".
10 "Super Mario Bros." ist ein Jump'N'Run-Spiel, das 1985 für das NES (Nintendo Entertainment System) erschien.
Mr. Kotabe, wie kam es zu Mr. Ikedas Einladung, bei Nintendo zu arbeiten?
Wie gesagt, habe ich als Freiberufler gearbeitet. Es war eine langweilige Zeit für mich. Dann habe ich Mr. Ikeda in einem Café getroffen und er hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, bei Nintendo mitzumachen. Er sagte mir, dass man in Videospielen immer mehr Know-how über Animationen benötigte.
Das war richtig. Zur damaligen Zeit wusste kaum jemand in unserem Geschäft über Animationen Bescheid.
Als wir das Arcade-Spiel "Popeye"11 entwickelt haben, habe ich mir den Cartoon angesehen und jeden Frame angehalten, um ihn mir anzusehen und nachzuzeichnen. Bild für Bild!
11 "Popeye": Ein Arcade-Spiel von Nintendo aus dem Jahr 1982. Die NES-Version erschien 1983.
Oh, so haben Sie das gemacht?
Es gab da ein richtig berühmtes Bilderbuch mit Animationen, in dem Bild für Bild Leute und Hunde beim Laufen gezeigt wurden. Obwohl ich an einer Kunstuniversität studiert habe, habe ich es kaum gelesen.
Ein Lehrbuch über das Zeichnen.
Genau. Ich habe Animationen in Daumenkino-Manga ebenfalls sehr gemocht. Nur hätte ich mir nie gedacht, dass ich mal meine eigene Anime zeichnen werde, und so wurde ich ins kalte Wasser geworfen.
In der Welt von Anime lernen wir aus diesen Büchern so viel wie es nur geht. Zum Beispiel, wie man eine Bewegung flüssig aussehen lässt. Diese Technik wurde mit der Zeit immer überflüssiger, da die Anzahl der Frames herabgesetzt wurde.
Ich verstehe. Anime für kommerzielles Fernsehen verwenden nur wenige Frames pro Sekunde.
Und es gibt auch nicht bewegliche Frames.
Das war auch so ein Ding, das mich sehr frustriert hat. Zu etwa dieser Zeit, fragte mich Ike, ob ich zu Nintendo kommen und Tipps zu Animationen geben könnte. Ich habe damals aber kaum Videospiele gespielt. Das einzige, das ich kannte, war Space Invaders. (lacht)
Sie haben Space Invaders gespielt?
Nein, nur anderen dabei zugesehen. (lacht) Ich hatte also keine Ahnung, warum Videospiele Animationen benötigen könnten.
Das ist aber verständlich.
Ich sagte ihm aber, wenn er denn dachte, Animationen wären hilfreich, hätte ich nichts dagegen. Allerdings hatte ich vor, nur ein oder zwei Jahre bei Nintendo zu verweilen. Daraus wurden 21 Jahre! (lacht)
(lachen)
Ein oder zwei Jahre wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Zur damaligen Zeit existierte in der Spielewelt ja nicht mal die Umgebung, in der Sie hätten arbeiten können.
Als Mr. Kotabe bei Nintendo anfangen sollte, was haben Sie da gedacht, Mr. Miyamoto?
Ich fragte mich, was der Grund dafür war. Ich habe Manga schon immer geliebt und viele Animationsfilme im Fernsehen gesehen, aber nicht so viele, dass ich seinen Namen kennen würde. Als aber ein Kollege, ein großer Anime-Fan, Mr. Kotabes Namen hörte, fing er an zu zittern.
Sie scherzen doch. (lacht)
Nein, als wir uns trafen, war er so nervös, dass er zitterte. (lacht)
Bevor ich Sie kennengelernt habe, stellte mich Mr. Ikeda Mr. Takao Kozai vor, der "Sally, the Witch" und "New Star of the Giants" illustriert hat.
Mr. Kozai gehört auch zu der Truppe von Toei Animation.
Wirklich? Es scheint, Nintendo ist in den Händen der ehrwürdigen Elite von Toei Animation!
Mr. Kozai hat die Grafiken für "Punch-Out!!"12 gezeichnet. Die Gelegenheiten, mit externen Profis zusammenzuarbeiten, nahmen immer mehr zu, aber Mr. Kotabe sollte gleich fest verpflichtet werden. Ich dachte mir, "Stimmt das auch?!" (lacht)
12 "Punch-Out!!" ist ein Arcade-Spiel von Nintendo aus dem Jahr 1983.
Ein echter Anime-Künstler war im Begriff, bei uns anzufangen, aber wir haben uns überhaupt nicht darauf vorbereitet! (lacht)
Was haben Sie gedacht, als Sie unsere Bilder zum ersten Mal sahen?
Sie haben mir keine Bilder gezeigt, sondern ein Videospiel. Es war "Super Mario Bros.".
Ach ja, stimmt.
Als ich zum ersten Mal all die Bewegungen sah, die Mario in "Super Mario Bros." vollführte, dachte ich mir, Videospiele machten nun das, was die Anime-Industrie ursprünglich machen sollte aber nun vernachlässigte.
Schon damals wurden jede Menge Dinge gemacht, auch Charakterbewegungen.
Ich konnte sehen, was Sie machen wollten, was Ihr Ziel war, obwohl Sie es noch nicht erreicht haben. Eine Weile lang, nachdem ich angefangen habe, habe ich überhaupt nicht an Animationen gearbeitet.
Stimmt. (lacht)
Ich bin jeden Tag zur Arbeit gegangen und habe mich hingesetzt und gekritzelt, was auch immer mir in den Sinn kam. (lacht)
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