5. Das Zeitalter von 3D

Miyamoto:

Kehren wir zurück zu "Mario 64". Als Mr. Kotabe einmal auf diese Zeit zurückgeblickt hat, sagte er, endlich könne er das tun, was er schon immer wollte.

Kotabe:

Das habe ich gesagt?

Iwata:

Mr. Miyamoto hat mir von dieser Unterhaltung mit Ihnen erzählt.

Miyamoto:

Sie sagten mir, dass Sie darüber glücklich waren, was zu dieser Zeit alles möglich war, dass Sie das tun können, was Sie schon immer wollten. Das hat mich sehr glücklich gemacht.

Kotabe:

Am Anfang waren da noch so viele Einschränkungen.

Miyamoto:

Eine Zeit lang konnten wir wirklich wenig tun, aber Sie sind uns treu geblieben.

Kotabe:

Es gab da etwas anderes in der damaligen Zeit, das einen großen Eindruck auf mich hinterlassen hat. Als man anfing, 3D-Spiele zu produzieren, wurden sie meistens realistischer. Ich dachte, es würde bedeuten, man setzt Motion Capture-Technologie ein. Als Sie das abgelehnt haben, war ich überrascht.

Miyamoto:

Oh?

Kotabe:

Obwohl man sich normalerweise für echte Elemente entscheiden würde, haben Sie das abgelehnt und eine andere Richtung eingeschlagen. Ich war der Meinung, das war ganz schön mutig.

Iwata:

Warum wollten Sie Motion Capture nicht verwenden?

Miyamoto:

Wenn ich zurückdenke, wie es war, als ich Popeye entwickelt habe, ich konnte nicht besonders gut zeichnen. Also habe ich alles kopiert, als ich die Animation gezeichnet habe. Wenn man das Spiel aber auf diese Weise spielt, ist die Reaktion der Spielfigur nicht so gut.

Was ich meine ist: Auch wenn es optisch vielleicht so aussieht, als würde sich Popeye schön bewegen, kann man ihn nicht so steuern, wie man es gerne hätte. Das ist meiner Meinung nicht gut in der Welt der Videospiele.

Iwata Asks
Iwata:

Wenn man einen Knopf drückt, erwartet man eine sofortige Reaktion. Wenn davor eine vorbereitende Bewegung stattfindet, fühlt es sich falsch an.

Miyamoto:

Wenn Sie beispielsweise einen Knopf drücken, zieht Link automatisch sein Schwert, doch dann weicht er langsam zurück. Beim zweiten Mal führt er eine saubere Schwertbewegung aus. Als ich mich entschieden habe, fließende Bewegungen und zufriedenstellende Interaktivität zu kombinieren, wusste ich, bestehende Anime-Techniken reichen da nicht ganz aus.

Kotabe:

Das ist richtig.

Miyamoto:

Die Tatsache, dass wir ernsthaft darüber nachgedacht und es auch erreicht haben, war unsere Stärke. Eine Weile lang war dies das Einzige, worüber ich nachgedacht habe.

Ich habe realistische Bewegungen nicht einfach nur abgelehnt. Ich habe lediglich dem Gefühl Vorrang gegeben, der beim Spielen eines Spiels entsteht, nicht geschmeidigen Bewegungen. Wann auch immer die Bewegung ein wichtiges Spielelement war, haben wir die fließenden Bewegungen betont. Ich erinnere mich an Momente, wo ich sehr angeregt über diese Probleme diskutiert habe.

Kotabe:

Ich verstehe.

Miyamoto:

Nachdem Sie aber mit Pokémon zu tun bekamen, hatten wir kaum noch Zeit zusammenzuarbeiten.

Iwata:

Wir begannen mit der Arbeit an "Pokémon Stadium"18 und "Pokémon Snap"19 zur selben Zeit.

18 "Pokémon Stadium" erschien ursprünglich 1998 für den Nintendo 64. Der Titel stellte eine Verbindung mit Software für den Game Boy her.

19 "Pokémon Snap" ist ein Abenteuer aus der Egoperspektive, das 1999 für den Nintendo 64 erschien.

Miyamoto:

Als wir die Arbeit aufnahmen wussten wir, dass wir 151 Pokémon kreieren mussten.

Iwata:

Wir hatten lediglich die zweidimensionalen Daten zu unserer Verfügung, und mussten sie einer nach dem anderen in 3D-Modelle umwandeln.

Kotabe:

Aber es war eine unterhaltsame Zeit. Ich habe mich wie ein Bildhauer gefühlt. Wir begannen mit einem Modell, dann drehten wir es herum und sagten: "Oh, das muss noch weggemeißelt werden."

Iwata:

Ja, ich erinnere mich daran. Wir betrachteten das drehende Modell und korrigierten die Stellen, die Sie uns gezeigt haben. Man hat die Verbesserungen sehr schnell bemerkt. Ich habe mich damals schon gefragt, wie Sie das gemacht haben. Da ich mich auf diesem Gebiet überhaupt nicht auskenne, war das für mich fast schon wie schwarze Magie.

Iwata Asks
Kotabe:

Ich konnte das Modell selbst nicht bewegen, deshalb würde ich hier eher von Teamarbeit sprechen. Aber ich klebte förmlich an meinem Schreibtisch und dachte, ich würde die Kollegen stören, mit denen ich arbeitete.

Iwata:

Nein, überhaupt nicht. Jedes Mal, wenn Sie eine Anweisung gaben, war das so, als ob jeden Beteiligten eine Erkenntnis traf. Wie bringen Sie solche Magie zustande?

Kotabe:

Es funktioniert genauso wie bei konventioneller Animation, die nicht einseitig dargestellt wird. Man muss sie bewegen, um sich die Teile vorzustellen, die Sie beim Zeichnen nicht sehen können.

Miyamoto:

Ich glaube, Mr. Kotabe hat eine Kamera in seinem Kopf. Was mich am meisten überrascht hat, war, als er für mich gezeichnet hat, dass jedes Bild eine andere Kameraposition widergespiegelt hat.

Iwata:

Er konnte aus verschiednen Perspektiven zeichnen.

Miyamoto:

Je nach Bild war die Perspektive vielleicht etwas höher oder niedriger. Als wir die Pokémon in 3D-Modelle verwandelten, war Mr. Kotabe mit der Kamera in seinem Kopf in der Lage sich vorzustellen, wie sie auszusehen hatten.

Iwata:

Ich verstehe. Als ich ihn bei der Arbeit an Pokémon beobachtete, ist mir noch etwas anderes aufgefallen: Mr. Kotabe ist sehr gut darin, Kollegen zu loben.

Miyamoto:

Das ist er wirklich. Er macht sich wirklich Mühe etwas zu finden, das er loben kann, und er tut es auch. Er würde niemals sagen, "Oh, das ist nicht gut!", sondern eher, "Es hat einen gewissen Charakter."

Kotabe:

Meine Arbeit bestand früher darin, die wichtigen Animationen zu zeichnen und mir die Key-Frames anderer Kollegen anzusehen. Diese Bilder stecken voller Enthusiasmus des Künstlers, der sie angefertigt hatte. Daher ist es wichtig, diesen Enthusiasmus in Verbesserungen zu kanalisieren. Ich kann in jedem etwas Gutes sehen.

Iwata Asks
Iwata:

Bei der Entwicklung seiner Produkte stolperte Nintendo über Mr. Kotabe. Er dachte, er würde hier nur ein paar Jahre verweilen, doch bevor er sich versah, blieb er 21 Jahre! Während seiner Zeit, hat er unzählige Nachfolger ausgebildet...

Miyamoto:

Das hat er in der Tat.

Iwata:

In seiner langen Geschichte war Nintendo in vielerlei Hinsicht das Glück hold. Man könnte auch sagen, unsere Zusammenarbeit mit Mr. Kotabe ist ein Beispiel des glücklichen Händchens von Nintendo.

Übrigens, Mr. Kotabe, Sie haben ein Buch mit Ihren Anime-Zeichnungen herausgebracht. Der Titel lautet "Collection of Yoichi Kotabe’s Animation Arts", nicht wahr?

Iwata Asks
Kotabe:

Ja. Die Idee mit dem Buch gibt es schon länger, aber ich dachte, sie wäre ein Witz. Ich wusste ja nicht mal, ob viele meiner alten Zeichnungen noch existierten. Vor einigen Jahren aber, als wir unser Haus umgebaut haben, bin ich über einen Korb voller alter Zeichnungen gestolpert. Ich habe sie einem Herausgeber gezeigt und er fand darin vieles, was er in dem Buch abbilden wollte. Selbst als ich mich gewehrt habe, weil ich einige der Zeichnungen peinlich fand, bestand er darauf. Er hat mir sogar vorgeworfen, ich würde noch mehr davon irgendwo versteckt halten!

Alle:

(lachen)

Kotabe:

Wir haben so viele davon ins Buch aufgenommen, dass danach nicht mehr viele übrig geblieben sind!

Iwata:

Wie viele Zeichnungen sind drin?

Kotabe:

So viele, dass ich es nicht einmal weiß. Viele davon stammen von Anime und so haben wir uns entschieden, darauf im Titel des Buchs zu verweisen. Darin finden sich auch viele Zeichnungen aus den Charakter-Designs. Ein großer Teil davon.

Koizumi:

Ich hoffe, dass viele Leute Ihre Arbeit mit diesem Buch kennenlernen werden.