Mr. Kondo, haben Sie bei der Arbeitsweise von Mr. Yokota zwischen diesem und dem letzten Spiel irgendwelche Änderungen festgestellt?
Ich hatte den Eindruck, dass er sich sehr stark den lyrischen Passagen widmete. Außerdem ist es ihm gelungen, die Atmosphäre des alten Spiels zu übernehmen, sodass alles schön einheitlich erscheint.
Sie konnten sich also entspannen und ihm einfach bei der Arbeit zusehen.
Ja. Und vor einer Weile sagte Mr. Yokota, es sei sehr wichtig, dass Mario-Musik Spaß mache und fröhlich sei. Ich fand es schon immer schwer zu erklären, was Mario-Musik zu dem macht, was sie ist; ich kann es einfach nicht in Worte fassen. Aber neulich habe ich alle Tonmitarbeiter der Entertainment Analysis & Development Division zusammengerufen, um allen die Möglichkeit zu geben, Dinge zu besprechen, die ihnen beim Erstellen dieses Folgespiels aufgefallen waren. Während dieser Besprechung erwähnte ein Mitarbeiter, dass Mario-Musik keine Moll-Akkorde7 enthält. 7Im Allgemeinen gelten Moll-Akkorde als düster, Dur-Akkorde dagegen als heiter.
Stimmt, ich erinnere mich.
Dass keine Moll-Akkorde verwendet werden, scheint auf jeden Fall für „Fröhlichkeit“ zu sprechen.
Die Musik ist immer heiter. Sie wird nicht mal düster, wenn man es vermasselt.
Stimmt. Selbst wenn man es verhaut, möchte man es noch einmal versuchen. „Lächle und versuche es erneut.“ So was in der Art.
(lachen)
Ja, ein „fröhliches Lächeln“ – das beschreibt das Gefühl genau (lacht). Wissen Sie, es gibt Leute, die behaupten, dass der „Na los, versuch’s noch mal“-Klang, der ertönt, wenn man es vermasselt hat, die Essenz von Mario verkörpere.
Aber Sie schreiben jetzt seit fünfundzwanzig Jahren Mario-Musik. Diese Musik kam einfach aus Ihrem Innersten, und das konnten Sie nicht in Worte fassen ...
Genau. Ich habe es nicht mal gemerkt, bis mich jemand darauf aufmerksam machte. Beim Erstellen von Melodien für Mario achte ich auch auf viele andere Dinge, aber auch diese könnte ich nicht in Worte fassen. Als ich aber neulich versuchte, meine eigene Musik zu analysieren, fiel mir auf, dass das Thema der Hintergrundmusik für Welt 1-1 in „Super Mario Bros.“8 möglicherweise auf dem Rhythmus von Marios Gang beruht. 8Super Mario Bros.: Ein seitlich rollendes Jump’n’Run-Spiel, das im September 1985 zunächst in Japan für das NES erschien. 1987 wurde es auch in Europa veröffentlicht.
Sie meinen, die Melodie wurde so ausgelegt, dass sie im Takt mit Marios Schritten verläuft?
Ich hatte beim Schreiben der Melodie gar nicht daran gedacht. Wenn er losmarschiert, geht das erst mal „Da dum dum dum dah“, dann findet er den Gumba und geht zurück, damit er springen kann, dann geht es wieder vorwärts, und die Musik macht „Dum da da, Dum da da“, und wenn er schließlich läuft, springt und stampft, geht sie „Da dum dum dum dah, da da dah!“ Die Melodie passt wirklich gut zu Marios Bewegungen. Als ich sie geschrieben habe, habe ich gar nicht an so was gedacht. Vielleicht hatte ich aber das Bild im Geiste vor mir, und die Musik ist deshalb so geworden. Oder ist das zu weit hergeholt? (lacht)
Jetzt, da Sie das erwähnen – Mr. Kondo hat mich da auch einmal auf etwas aufmerksam gemacht.
Ja? Was war das?
In „New Super Mario Bros. Wii“ gibt es doch diese Weltkarte. Sie wissen schon. Als ich Musik für diesen Teil schrieb, habe ich gebrütet und gegrübelt und schließlich eine Melodie gefunden. Und ich fand selbst, dass mir da etwas ziemlich Gutes gelungen war. Aber dann, als ich es Mr. Kondo vorspielte, sagte er mir: „Das geht so nicht – hier können wir keine gute Melodie gebrauchen.“
„Wir können keine gute Melodie gebrauchen“? (lacht)
Er sagte, die Spieler sollten sich nicht lange auf der Weltkarte aufhalten. Wir mussten sie so schnell wie möglich da hindurch und wieder in die Abenteuerwelt schleusen.
Die Spieler sollten sich da also nicht erst häuslich niederlassen.
Genau. Wir konnten dort keine gute Melodie gebrauchen, sondern brauchten eine, die die Spieler veranlassen würde, sich zu beeilen und sofort das nächste Level in Angriff zu nehmen.
Ich habe ihn also angewiesen, eine einfache Melodie zu erschaffen und in Endlosschleife zu legen.
Genau. Als ich das hörte, ging mir ein großes Licht auf.
Wenn man versucht, eine gute Melodie zu finden, und sich dann sagen lassen muss, dass eine gute Melodie nicht erwünscht ist, muss das erst mal ein ganz schöner Schock sein. Aber ich verstehe, was Sie meinen.
Allerdings.
Andererseits war die Musik, die wir für die Weltkarte von „Super Mario Galaxy 2“ gemacht haben , das totale Gegenteil von derjenigen für „New Super Mario Bros. Wii“, denn die Spieler kehren zu Raumschiff-Mario zurück, nachdem sie durch alle möglichen Galaxien gedüst und in Schweiß geraten sind; und dann sollen sie sich beim Betrachten der Weltkarte ein wenig erholen und wieder zu Atem kommen, bevor sie sich ins nächste Abenteuer stürzen. Das war die Idee hinter dieser Melodie. Obgleich es also ebenfalls eine Melodie für eine Weltkarte ist, ist das Spiel und damit auch das Konzept anders.
Diese beiden Spiele haben jeweils ein ganz anderes Tempo. Aber mir ist gerade etwas Wichtiges aufgegangen, als ich Ihnen zugehört habe, Mr. Kondo. Bei einem früheren Gespräch Iwata fragt: New Super Mario Bros. Wii. Die Musik der Mario-Spiele drückt ja eigentlich auch Funktionen aus.
Da haben Sie recht.
Mr. Miyamoto hat industrielles Design studiert und in den Welten, die er erstellt, werden Funktionen nicht nur durch das Grafikdesign ausgedrückt, sondern auch in der Musik.
Ich nenne das Effektemusik. Bei „Mario Galaxy 2“ habe ich Mr. Yokota auch auf etwas aufmerksam gemacht. Bei Yoshis Getrommel waren die hohen und tiefen Töne jeweils auf links und rechts aufgeteilt. Das war kein Effekt, der sich auf das Reiten der Spieler auf Yoshi bezog, sondern lediglich eine Klangproduktionsmethode, die zu leichter anzuhörender Musik führt. Aber Yoshi soll sich ja genau in der Mitte des Bildschirms befinden, also ließ ich die Musik so ändern, dass sowohl hohe als auch tiefe Töne genau aus dem Zentrum kamen.
Anders ausgedrückt, es war wichtiger mit den Klängen einen Effekt zu erzielen, als hübsche Musik zu erhalten.
Genau. Auch die Klänge vermitteln Funktionen.
Und das nennen Sie „Effektemusik“?
Ja.
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