2. Dienst auf zwei Ebenen

Wichtige Information zur Einstellung des Miiverse-Service

Der Miiverse-Service wurde eingestellt.

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Iwata:

Sucht man nach einem Service, an dem besonders viele Leute teilhaben können, dann ist Flipnote Studio16 dafür ein gutes Beispiel. Mr. Kondo und sein Team haben bewiesen, dass dieses lange Zeit aktiv bleibt, wenn man es richtig anstellt. 16. Flipnote Studio: In den Nintendo DSi- und Nintendo DSi XL-Systemen enthaltene Software zum Zeichnen und Schreiben von Notizen mit dem Touchpen. Mehrere Notizen können in einer bestimmten Reihenfolge abgespielt werden, wodurch der Effekt eines Daumenkinos erzeugt wird. Über eine Internetverbindung können die Nutzer ihre Notizen mit anderen teilen.

Mizuki:

Es ist bestimmt nicht jedem bewusst, aber die Anzahl der Nutzer des Flipnote Studio ist stetig gewachsen.

Iwata:

Zu Beginn der Entwicklung des Miiverse-Servers besuchte ich Mr. Kondo – und das aus zweierlei Gründen: Einer war, dass wir wegen Flipnote Studio in Kontakt standen, und der andere war, dass ich von ihm einen Vorschlag zu einem Netzwerk-Service erhalten hatte. Das war nicht derselbe wie Ihrer, Mr. Mizuki, aber die Inhalte ähnelten sich. Daher dachte ich mir, wenn wir so etwas entwickelten, sollte ich zuerst mit Hatena sprechen, da diese mit ihrem Vorschlag auf Nintendo zugekommen waren. Daher wandte ich mich an Mr. Kondo.

Kondo:

Das stimmt. Zu diesem Vorschlag wurden wir durch Flipnote Studio inspiriert. Die Flipnote Hatena17 - Webseite gewann durch die Vergabe von Sternen und das Veröffentlichen von Beiträgen immer mehr aktive Nutzer.18 Dann wurde mir bewusst, dass die Spieler auch mehr miteinander kommunizieren wollten. Das Kooperieren mit meinen Freunden, um einen Gegner bei Mario. Bros.19 zu bezwingen, ist tief in mir verwurzelt und für mich ein wesentlicher Spaßfaktor beim Spielen. 17. Flipnote Hatena: Eine Webseite, auf die über den Computer oder den Nintendo DSi-Browser zugegriffen werden kann. Hierdurch kommen Nutzer auf der ganzen Welt in den Genuss von Flipnotes, die andere Nutzer mithilfe von Flipnote Studio erstellt haben. 18. Die Vergabe von Sternen und das Veröffentlichen von Beiträgen: Nutzer können Kommentare an beliebigen Flipnotes anbringen oder einfach einen Stern zum Zeichen ihrer Anerkennung vergeben. 19. Mario Bros.™: Ein Action-Spiel, das 1983 ursprünglich für das Nintendo Entertainment System™ herauskam.

Iwata Asks
Iwata:

Es machte Spaß, sich mit Freunden über Videospiele zu unterhalten, selbst wenn man diese nicht selbst spielte.

Kondo:

Ja. Das Medium der Videospiele ermöglichte eine schöne Zeit mit anderen. Daher dachte ich, dass wir über das Internet mehr Kontakte mit Leuten in der ganzen Welt knüpfen und mit diesen spielen könnten. Als mir dann also dieser Vorschlag gemacht wurde, dachte ich: „Jetzt ist also der Moment gekommen!“ (lacht)

Iwata:

Mr. Mizuki, es hat mich sehr beeindruckt, als Sie bei dem ersten Meeting Mr. Kondos Kommentare als unglaublich hilfreich gelobt haben. Was genau haben Sie dabei empfunden – Empathie?

Mizuki:

Zunächst ging es darum, wie interessant die bestehenden Netzwerkdienste waren. Um ehrlich zu sein, war ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht sicher, ob man den Communities eine zentrale Position einräumen sollte. Aber als ich dann hörte, was uns Mr. Kondo zu sagen hatte, war ich davon überzeugt, dass wir diesen Weg einschlagen sollten.

Kondo:

Oh, war das so?

Mizuki:

Ja. Ein weiteres Argument waren seine Ausführungen über die hierarchische Struktur der Netzwerkdienste. Er erklärte, dass die bestehenden Netzwerkdienste die erste Ebene bildeten, während es auf einer zweiten Ebene noch so etwas wie eine offene Struktur gab. Auf der ersten Ebene interagiert man angenehmer mit bekannten Leuten, während die Interaktion auf der zweiten Ebene von gemeinsamen Interessen und gemeinschaftlichen Gefühlen mit Leuten geprägt wird, die einem nicht persönlich bekannt sind. Diesen damaligen Gesprächen haben wir es zu verdanken, dass Miiverse heute über ein derart offenes Format verfügt.

Iwata:

Miiverse hat zudem eine doppelte Servicestruktur. Auf einer Ebene kommuniziert man nur mit solchen Personen, denen man die Berechtigung hierzu erteilt hat, und auf einer anderen mit Gleichgesinnten.

Mizuki:

Genau.

Iwata:

Ein weiterer Aspekt, der mich sehr beeindruckt hat, war, dass die sozialen Grafiken20 der bestehenden Netzwerkdienste und der Videospiel-Netzwerkdienste nicht identisch sind. Sie haben schon angesprochen, dass die Leute möglicherweise nicht immer mit Leuten über Videospiele kommunizieren möchten, zu denen sie über die bestehenden Dienste bereits eine Beziehung aufgebaut haben. Diese Worte hallten nach, als ich unsere soziale Grafik von Grund auf neu erstellte. 20. Soziale Grafik: Ein Schaubild, das die persönlichen Beziehungen zwischen Leuten im Internet unter Verwendung eines sozialen Netzwerksdienstes (SNS) darstellt. Oft werden hier Beziehungen beschrieben, die auf tatsächlichen menschlichen Beziehungen in der Wirklichkeit basieren.

Kondo:

Ist das so? Die bestehenden Netzwerkdienste mögen über reale Aspekte verfügen, aber im tatsächlichen Leben kommt man zudem auch oft mit Personen in Kontakt, die einem nicht persönlich bekannt sind. Bei der Entwicklung eines neuen Service müssen daher Möglichkeiten geschaffen werden, Gleichgesinnte zu finden und sich mit ihnen auszutauschen.

Mizuki:

Bei dem Ausdruck „soziale Grafik aus dem wirklichen Leben“ denkt man vielleicht, dass dieser alle möglichen Beziehungen des realen Lebens beinhaltet. Denkt man jedoch genauer darüber nach, dann kommen im wirklichen Leben ja auch nicht nur tatsächliche Bekannte vor. Denn in der Realität hat man es auch oft mit Fremden zu tun.

Kondo:

Ja. Insbesondere bei amerikanischen Netzwerken, finde ich, hat man den Eindruck, man solle eine einzige Persönlichkeit verkörpern. Aber die Realität sieht anders aus.

Mizuki:

Ja, das stimmt!

Iwata:

Ein amerikanischer Freund hat einmal gesagt: „Im Internet steht man stets unter Beobachtung. Deshalb sollte man durchgängig eine einzige Persönlichkeit verkörpern. Und von dieser kommt man dann selbst im Privatleben oft nicht los.“ In dieser Hinsicht leben wir alle in einer gläsernen Welt, weil die sozialen Netzwerke mittlerweile so weit verbreitet sind. Und wenngleich diese Welt auch bequem erscheinen mag, so stellt sie uns doch auch vor Beschränkungen, die es vorher nicht gegeben hat.

Iwata Asks
Mizuki:

Ich verstehe. Gedankenlos tippt man da sinnentleerte Worthülsen wie „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ ein. (lacht)

Kondo:

Richtig, richtig! (lacht) Aber ich mag diese Vielfalt, ein Ich zu haben, das mit Freunden interagiert, und ein weiteres Ich innerhalb der Welt der Videospiele.

Iwata:

Ich kann mir vorstellen, dass viele Leute auf den Aus-Schalter drücken, wenn sie nicht mit realen Bekannten kommunizieren und andere Persönlichkeiten angenommen haben.

Mizuki:

Aus diesem Grund geht der Trend bei sozialen Netzwerken dahin, dass man wieder seinen tatsächlichen Namen verwenden muss. Bei Miiverse hingegen ist das nicht vorgeschrieben. Hier kann man sich lediglich seinen Mii-Spitznamen anzeigen lassen.

Iwata:

Wenngleich das nicht so oft vorkommt, können Communities auseinanderbrechen, weil sich Leute unverschämterweise diese Anonymität zunutze machen. Die Verwendung der tatsächlichen Namen schiebt diesem Zuwiderhandeln einen Riegel vor. Wird eine Community aber von Empathie zusammengehalten, werden die realen Namen wieder unwichtiger. Ich finde es wichtig, dass man so von einem Gefühl der Gemeinsamkeit zusammengehalten wird.

Mizuki:

Ja.

Iwata:

Etwas, das mir bei meiner Arbeit mit Mr. (Shigeru) Miyamoto, dem Schöpfer von Mario, aufgefallen ist, ist seine unglaubliche Zähigkeit bei der Arbeit, die die Leute automatisch Empathie entwickeln lässt. Ich denke, das macht dies so repräsentativ für Nintendo. Und damit wird die Resonanz zum Motto von Miiverse.

Mizuki:

Darum ist dies auch ein „Empathie-Netzwerk“. Erst jetzt habe ich verstanden, was diese Worte eigentlich bedeuten! (lacht)

Kondo:

Mir ist auch gerade etwas bewusst geworden! (lacht) Miiverse verfügt ja über einen „Yeah“-Button, den man dann drückt, wenn man die Kommentare von jemandem genau nachempfindet. Hier ist man mit einem bestimmten Kommentar nicht einfach nur einverstanden, sondern hier geht es vielmehr um zwei Leute, die das gleiche Spiel gespielt und dabei das Gleiche empfunden haben. Das ist doppelte Empathie!

Iwata:

Das stimmt. Wenn man die Gefühle der anderen nachempfindet, kann man untereinander viel leichter Gedanken und Meinungen austauschen. Und außerdem bringen die Videospiele dann mehr Spaß. Wenn also über Miiverse mehr Leute die Gefühle der anderen nachempfinden, stoßen sie mit immer größerer Wahrscheinlichkeit auf Spiele, die zu ihnen passen. Diese Motivation spielte für mich beim Vorantreiben des Projekts eine große Rolle.

Mizuki:

Nun … um ganz ehrlich zu sein, hatte ich das Konzept dieser geteilten Empathie nicht richtig verstanden. Ich konnte mir jedoch zu den Spezifikationen um dieses Schlüsselwort herum meine Gedanken machen. Wie dem auch sei: Hätten wir uns allein auf das Schlüsselwort „sozial“ konzentriert, mit Hochdruck an der Herstellung eines einschichtigen Netzwerks gearbeitet und uns dabei nur auf diese eine Ebene konzentriert, sähe der Service jetzt ganz anders aus. Empathie bedeutet aber auch, unbekannte Leute miteinander zu verbinden. Und aufgrund dieses Gedankens wurde schließlich die zweite Ebene hinzugefügt.

Iwata Asks