3. Samus' Gedanken und Gefühle

Iwata:

Mr. Kitaura, für Sie war der erste Schritt, die Geschichte zu lesen, die Mr. Sakamoto geschrieben hatte, nicht wahr?

Kitaura:

Ja, richtig. Bevor ich Mr. Sakamoto getroffen habe, habe ich mir sein Szenario durchgelesen und einige Storyboards vorbereitet. Da es um ein langfristiges Projekt ging, hielt ich es für wichtig, sich direkt gut miteinander zu verstehen. Ich war sogar darauf vorbereitet, von dem Projekt zurückzutreten, wenn Mr. Sakamoto meine Storyboards nicht gefallen hätten.

Iwata:

Waren Sie sich mit Ihren Storyboards denn gleich so sicher?

Kitaura:

Eigentlich schon. Deswegen war ich auch fest entschlossen. Als Mr. Sakamoto die Storyboards dann gesehen hat, wurde es auf einmal komplett still im Raum.

Iwata:

Es kam überhaupt keine Reaktion?

Kitaura:

Nein. Mr. Sakamoto war komplett still, ich hatte also schon jegliche Hoffnung aufgegeben. Ich dachte, am besten sollte ich wohl direkt wieder nach Hause gehen.

Sakamoto:

Aber so war das überhaupt nicht gemeint! (lacht) Tatsächlich war ich so inspiriert, dass ich einfach nicht die richtigen Worte gefunden habe. Ich glaube, jeder wäre erstmal sprachlos, wenn man Storyboards präsentiert bekommt, die die eigenen kühnsten Vorstellungen komplett übertreffen!

Alle:

(lachen)

Iwata:

Die Storyboards waren also so viel besser als Sie erwartet hatten, so dass es Ihnen erstmal die Sprache verschlagen hat, Mr. Sakamoto?

Sakamoto:

Genau. Mr. Kitauras Begeisterung wurde in diesen Storyboards wirklich deutlich. Daher bat ich ihn auch, die komplette Produktion zu übernehmen, nicht nur für die Filmelemente, sondern auch für den Rest des Spiels. Die

Video: Einführungssequenz

Mr. Kitaura, für Sie war der erste Schritt, die Geschichte zu lesen, die Mr. Sakamoto geschrieben hatte, nicht wahr?
Einführungssequenz des Spiels ist übrigens noch genau so wie sie auf den ursprünglichen Storyboards dargestellt war.

Iwata:

Sie waren dann also intensiv mit der Erstellung der Storyboard-Bilder beschäftigt, Mr. Kitaura?

Kitaura:

Ja, war ich. Ich denke, insgesamt habe ich wohl über 300 Storyboards entworfen. Es gab auch über 2.000 Bilder. In dieser Phase war ich zusätzlich für die Kameraarbeit und die Inhalte verantwortlich, es wurden also richtig detaillierte Produktions-Storyboards. Ich glaube, es hat über sechs Monate gedauert, sie alle fertig zu stellen.

Iwata Asks
Iwata:

Das ist ja fast ein bisschen wie bei einem Spielfilm oder einem Roman, nicht wahr?

Kitaura:

Bei diesem Projekt war nichts nur "ein bisschen". (lacht) Außerdem sollten die Handlungs- und die Filmelemente ja nahtlos ineinander übergehen, deshalb konnte ich nicht einfach alleine an den Filmsequenzen arbeiten. Ich musste mir das Spiel während der Entwicklung zeigen lassen, und wenn sich Samus im Spiel schneller bewegt hat, musste ich die Filmsequenzen so anpassen, dass sie dem Spiel entsprachen. Oder wenn Samus in den Videosequenzen z. B. zu glänzend aussah, dann sagte Mr. Sakamoto Sachen wie: "Sie sieht ja aus wie ein Sportwagen..."

Iwata:

Dann war sie wohl wirklich zu glänzend! (lacht)

Kitaura:

Also mussten wir Staub hinzufügen und Samus' Umgebung so anpassen, dass sie sich besser ins Gesamtbild eingefügt hat. Außerdem war Mr. Sakamotos Geschichte auch noch voll von Samus' Gedanken und Gefühlen.

Sakamoto:

Ich wollte Samus' Menschlichkeit diesmal mitreißend darstellen und zeigen, dass sie nicht nur cool, sondern auch mitfühlend und freundlich ist; und mit ihrer Hingabe und Aufrichtigkeit vielleicht sogar auch noch ein wenig unreif oder naiv.

Kitaura:

Das sagt sich so einfach, aber solche psychologischen Aspekte sind am schwierigsten darzustellen, wenn man Menschen in Videosequenzen einsetzt. Deshalb habe ich meinen Mitarbeitern gesagt, dass sie sehr genau auf die Augen der Schauspielerinnen achten sollten, wenn sie sich einen Film anschauen.

Iwata:

Wie meinen Sie das, "auf die Augen der Schauspielerinnen achten"?

Kitaura:

Ich finde, die Bewegung der Augen ist extrem wichtig, wenn es um den Ausdruck von Gefühlen geht. Wenn Sie unsere fertigen Filmsequenzen ansehen, wird Ihnen bestimmt auffallen, dass

Video: die Augen der Charaktere nicht starr sind, sondern sich realistisch bewegen

Mr. Kitaura, für Sie war der erste Schritt, die Geschichte zu lesen, die Mr. Sakamoto geschrieben hatte, nicht wahr?
die Augen der Charaktere nicht starr sind, sondern sich realistisch bewegen .

Iwata:

Gehen Sie immer so ins Detail, wenn Sie Videosequenzen erstellen, Mr. Kitaura?

Kitaura:

Nein, so weit bin ich bisher noch nie gegangen. Wenn man die Gedanken und Gefühle einer Figur darstellen möchte, wird jedes kleinste Detail ihres Ausdrucks auf einmal sehr wichtig. Deshalb haben wir bei diesem Projekt außergewöhnlich viele gelenkartige Bänder in Samus' Gesicht benutzt und uns wirklich darauf konzentriert, die entsprechenden Muskelbewegungen nachvollziehbar zu machen. So konnten wir Samus' Gesichtsausdrücke viel lebensechter darstellen.Für die Erstellung der Videosequenzen habe ich ungefähr 10 Teams aufgestellt und jedem Team eine andere Szene übergeben. Dann habe ich das Team ausdrücklich gelobt, das den besten Clip erstellt hatte. Diese Arbeit habe ich dann den anderen Teams gezeigt und ihnen gesagt: "Das ist die neue Qualitäts-Untergrenze!"

Iwata:

Ich verstehe! (lacht) Um die Qualität insgesamt zu fördern, ließen Sie die 10 Teams miteinander wetteifern.

Iwata Asks
Kitaura:

Genau. Die Teams waren immer schon in der Lage, hervorragende Arbeit zu leisten, aber im Wettbewerb miteinander haben sie sich besonders Mühe gegeben, nur die hochwertigsten Animationen zu erstellen.

Iwata:

Sie sind auch in das 'Motion Capture'-Studio gegangen, nicht wahr, Mr. Sakamoto?

Sakamoto:

Ja, stimmt. So konnte ich den Verlauf der Videoproduktion selber miterleben, und ich habe viel gelernt, als ich in das Studio gekommen bin und Mr. Kitaura beim Dreh und z. B. bei der Führung der Schauspieler zusehen konnte. Der Kameramann hat mich dabei auch sehr beeindruckt.

Kitaura:

Er ist wirklich sehr talentiert. 'Motion Capturing' ist hauptsächlich eine Methode zur Erfassung von Bewegungsdaten. Diesmal hatten wir zusätzlich zu den 52 festen Capturing-Kameras auch einen professionellen Kameramann zur Aufnahme der Szenen dabei, um die Filmsequenzen entsprechend der Storyboards aufzunehmen6. Aber weil die Videos nur Arbeitsvorlagen waren, sollte er für uns auch einfach Dinge wie Samus in ihrem Anzug oder Styropor-Kreaturen filmen, und dabei gab es kein Bühnenbild oder etwas in die Richtung. Normalerweise bittet man professionelle Kameraleute nur ungern, solche Dinge zu filmen. 6Filmsequenzen entsprechend der Storyboards: Um die Handlung von Metroid: Other M entsprechend der Storyboards akkurat wiederzugeben, wurde zuerst ein Video-Storyboard angefertigt, für das die Szenen, die der Kameramann gefilmt hat, mit einem speziellen Verfahren in Videosequenzen umgewandelt wurden.

Iwata:

Weil diese Szenen nachher sowieso nicht verwendet werden, oder?

Kitaura:

Ganz genau. Es ist nie einfach, einen Spitzen-Kameramann darum zu bitten, Szenen zu filmen, die später zu Videosequenzen aufbereitet werden. Diesmal kam aber ein Bekannter zu mir und sagte: "Das hört sich interessant an - kann ich das nicht machen?"

Sakamoto:

Dieser Kameramann dreht normalerweise Werbespots.

Kitaura:

Wie Sie sich vorstellen können, brauchten wir jemanden mit einem Gespür für Blickwinkel und Bildaufbau für die Kampfszenen. Wir hatten also viel Glück, dass er das für uns übernehmen konnte.

Iwata:

Was für einen Eindruck machte Mr. Sakamoto im Studio?

Kitaura:

Er stand nah bei mir und schaute immer auf den Monitor. Wenn eine besonders bewegende Szene gedreht wurde, fragte ich ihn: "Wie war das, Mr. Sakamoto?" Aber er sagte keinen Ton - mal wieder.

Iwata:

So, wie als er die Storyboards zum ersten Mal gesehen hat?

Kitaura:

Genau! (lacht) Ich machte mir viele Gedanken, wie zum Beispiel: "Oh nein, das gefällt ihm überhaupt nicht..." Aber als ich ihm ins Gesicht blickte, hatte er Tränen in den Augen.

Iwata:

Oh je...

Kitaura:

Na ja, in der Szene hatte Samus ja auch ihren engen Anzug an. (lacht)

Alle:

(lachen)

Sakamoto:

Stimmt... Aber sind Ihnen nicht auch die Tränen gekommen, Mr. Kitaura?

Kitaura:

Tja, Ihre Tränen waren einfach ansteckend, Mr. Sakamoto! (lacht)