9. Beide Philosophien profitieren von der Existenz der anderen

Iwata:

Das Image der Wii-Konsole wurde bisher davon geprägt, dass die meiste Aufmerksamkeit auf Spiele gerichtet ist, die auch für Nicht-Spieler interessant sind - das herausragendste Beispiel für solche Spiele ist Wii Sports. Das liegt zum Teil daran, dass es das Hauptziel von Nintendo ist, mehr Leute an Videospiele heranzuführen. Es bedeutet jedoch auf keinen Fall, dass Nintendo Titel wie Zelda, die von unseren langjährigen Fans am meisten gemocht werden, vernachlässigen wird. Eher das Gegenteil ist der Fall: Es war unser ehrgeiziges Ziel, die Wii-Konsole, die neue Kunden fürs Spielen begeistern soll, herauszubringen und dabei gleichzeitig mit Twilight Princess etwas für die erfahrenen Spieler zu veröffentlichen. Haben diese beiden Ziele, die scheinbar keine Verbindung miteinander haben, die langwierige Entwicklung von Twilight Princess erschwert oder Sie am Wert Ihrer Arbeit für Nintendo zweifeln lassen? Diese Frage habe ich übrigens den anderen Entwicklern nicht gestellt.

Iwata Asks
Aonuma:

Nicht? Schade, mich hätte interessiert, was sie dazu zu sagen hätten. Nun, also... Wo fange ich am besten an? Vielleicht ist das jetzt nicht die beste Art, es auszudrücken, aber ursprünglich sollte Twilight Princess eine Art Abschiedsgeschenk für den GameCube sein. Anders ausgedrückt, wir wollten ein Spiel entwickeln, das die traditionelle Steuerung voll ausreizt und die Leute damit beeindruckt. Wir hatten ganz klar andere Schwerpunkte als die Entwickler der Wii-Konsole, mit der man auf einfache Weise spielen und mit der jedermann Spaß haben kann. Aber ich denke, die Tatsache, dass Twilight Princess auf der Wii-Konsole gespielt werden kann, hilft dabei, Brücken zu schlagen. Leute, die sich eine Wii-Konsole wegen ihrer einfachen und intuitiven Bedienung gekauft haben, erhalten die Gelegenheit zu testen, wie viel Spaß traditionelle Spiele machen können. Gleichzeitig kann Twilight Princess Leuten, die traditionelle Spiele bevorzugen und Vorbehalte gegenüber der Wii-Konsole haben, vielleicht zeigen, wie viel Spaß die Wii-Konsole machen kann.

Iwata:

Ich verstehe.

Miyamoto:

Aber wie fühlten sich Ihre Mitarbeiter dabei? Vor einigen Jahren galt das Zelda-Entwicklerteam als das beste der ganzen Firma. Natürlich gibt es keine Rangliste der einzelnen Entwicklerteams, aber man kann durchaus sagen, dass das Zelda-Team die ganze Firma nach außen hin repräsentierte. Aber dann kam der Nintendo DS und seine einfachen, unterhaltsamen Spiele wurden Riesenerfolge. Damit waren wir in der Lage, großartige Spiele zu veröffentlichen, ohne bei der Entwicklung viel personellen oder zeitlichen Aufwand zu treiben.

Iwata Asks
Aonuma:

Hmm, ja, das stimmt.

Miyamoto:

Als nach dieser Veränderung Zelda zum größten Projekt von Nintendo wurde, sagten einige Leute halb im Scherz: "Wenn wir Twilight Princess nicht hätten, könnten wir stattdessen wahrscheinlich fünf neue Spiele entwickeln." Es wäre übertrieben zu sagen, die Entwicklung so großer Spielen sei überflüssig, aber es gibt innerhalb von Nintendo Tendenzen weg von solchen Spielen. Gab es während der Entwicklung keine Melancholie im Entwicklerteam, kein Gefühl, dass die Zeiten so großer Projekte vorbei sind?

Aonuma:

Lassen Sie mich darüber ein bisschen nachdenken... (Kurze Pause) Nein, ich denke nicht, dass es das gab. Für uns war es eher so: Der Nintendo DS ist der Nintendo DS, Wii ist Wii, und was am wichtigsten für uns war: Zelda ist Zelda.

Miyamoto:

Also hat sich niemand Sorgen darum gemacht, ausgeschlossen zu sein?

Aonuma:

Nun, ich bin mir sicher, dass sich manche Mitarbeiter so gefühlt haben. Während sich Nintendo neu ausgerichtet hat, haben wir weiter das getan, was wir immer getan haben - deswegen würde ich lügen, wenn ich sage, dass niemand das Gefühl hatte, ausgeschlossen zu sein. Als wir die Gelegenheit verpassten, dem GameCube ein Abschiedsgeschenk zu machen, und entschieden wurde, auch eine Wii-Version zu entwickeln, gab es ein kleines Durcheinander, aber dennoch sagte niemand etwas wie: "Wir sollten keine Zeit mehr für Zelda aufwenden." Egal, wie sehr sich die Trends in der Videospielindustrie änderten, wir hatten unerschütterliches Vertrauen in unsere Arbeit.

Iwata Asks
Iwata:

Ich bin mir sicher, Sie hätten kein solches Zelda erschaffen können, wenn Sie gedacht hätten, dass Projekte von diesen Ausmaßen ein Ding der Vergangenheit sind. Deswegen denke ich wie Sie, dass sich das Entwicklerteam keine Sorgen gemacht hat. Und wenn doch, hat die neue Ausrichtung der Firma sie motiviert.

Aonuma:

Ja, ich denke auch, dass sie das Team motiviert hat.

Iwata:

Der Erfolg des Nintendo DS zeigte, dass es möglich ist, auch ohne einen gewaltigen Aufwand an Zeit oder Ressourcen Erfolg zu haben. Ich denke, das ist eine wertvolle Erkenntnis. Auf der anderen Seite sind Spiele wie Twilight Princess wichtig, denn sie ermöglichen es uns, die Spieler damit zu beeindrucken, was wir erschaffen können, wenn sich ein talentiertes Team über längere Zeit mit der Entwicklung eines einzelnen Spiels befasst. Außerdem denke ich, dass beide Philosophien von der Existenz der jeweils anderen profitieren. Gäbe es eine von beiden nicht, wäre das Ergebnis ein Mangel an Abwechslung.

Miyamoto:

Ich denke, da haben Sie Recht.

Aonuma:

Das denke ich auch. Mir ist klar geworden, dass ich die Dinge jetzt aus einem etwas anderen Blickwinkel betrachten sollte, nachdem ich bisher nur an großen, epischen Spielen gearbeitet habe. Ich denke, auch die anderen Mitarbeiter sollten sich dessen bewusst werden. Wir haben nicht den Hauch eines Zweifels in Bezug auf die endgültige Version von Twilight Princess, aber ich denke, wenn wir das nächste Mal darüber nachdenken, in welche Richtung wir mit einem Spiel gehen wollen, wird der Unterschied zwischen diesen beiden Philosophien eine interessante Diskussionsgrundlage liefern.