1. Spaß für die ganze Familie

Iwata:

Den Kern von Wii bilden die so genannten "Kanäle" - ein Konzept, das so bei keiner anderen Konsole zu finden ist. Ich möchte nun über die Hintergründe ihrer Entwicklung sprechen, aber anstatt über die einzelnen Kanäle zu diskutieren, habe ich hier drei der Leute versammelt, die dabei geholfen haben, die Grundlagen für dieses Projekt zu legen. Meine Herren, stellen Sie sich bitte kurz vor. Aoyama-san.

Aoyama:

Danke. Ich leite eine Entwicklergruppe im IRD (Integrated Research & Development Division). Obwohl diese Abteilung normalerweise für die Entwicklung neuer Hardware zuständig ist, ist meine Gruppe für den Teil der Konsole zuständig, den man bei einem PC "Betriebssystem" nennen würde.

Iwata:

Hier bei Nintendo nennen wir das IPL, oder "Initial Program Loader", richtig?

Aoyama:

Das stimmt. Ich war der Leiter des Teams, das entschieden hat, welche Fähigkeiten und Systemfunktionen des IPL die Wii haben sollte.

Iwata:

Zu ihrem Team werde ich Ihnen gleich noch ein paar Detailfragen stellen. In der Zwischenzeit stellen Sie sich doch bitte vor, Kuroume-san.

Kuroume:

Aber natürlich. Ich betreue die User Interfaces jedweder Software im EAD (Entertainment Analysis & Development Division). Kurz gesagt, ich bin verantwortlich für Software-Menüs und User Interface-Design.

Iwata:

In anderen Worten, wenn jemand irgendein Menü entwirft, kommt er zu Ihnen. Sie haben auch schon an den Startbildschirmen einer Reihe anderer Konsolen gearbeitet?

Kuroume:

Ja. Die Wii-Konsole ist meine dritte Konsole, nach dem GameCube und dem Nintendo DS.

Iwata:

Ihre Aufgabe ist es also, den ersten Bildschirm zu entwerfen, der beim Einschalten der Konsole angezeigt wird. Zu guter Letzt, Tamaki-san.

Tamaki:

Ich habe mich um die Wii-Menüs und das "WiiConnect24"-Projekt gekümmert. Außerdem war ich an Projekten zu Systemfunktionen beteiligt.

Iwata:

Sie haben schon über das Konzept der nächsten Nintendo-Konsole nachgedacht, lange bevor das Wii-Projekt offiziell begann. Man könnte sagen, dass Sie mehr Wii-Präsentationen, intern wie extern, mitgemacht haben als jeder andere!

Tamaki:

Da haben Sie wahrscheinlich Recht! (Lachen)

Iwata:

Allgemein gesagt sind Sie drei die Kernmitglieder des IPL-Projektes, in dem entschieden wurde, welche Funktionen die neue Konsole haben wird. Allerdings könnte für User, die an herkömmliche Spielekonsolen gewöhnt sind, der Begriff "Systemfunktion" etwas verwirrend sein - Aoyama-san, könnten Sie uns eine kurze Erklärung geben?

Aoyama:

Natürlich. Um den IPL zu verstehen, hilft es, sich den Bildschirm des Nintendo DS direkt nach dem Einschalten anzusehen. Software, die in einem Nintendo DS eingesteckt ist, lädt nicht sofort. Stattdessen kann der Benutzer in einem Menü auswählen, ob er ein Nintendo DS-Spiel, ein GameBoy Advance-Spiel oder das bereits installierte PictoChat-Programm starten möchte. Diese Art Systemsoftware, mit der man andere Programme startet, nennt man IPL oder Initial Program Loader. Wie ich bereits sagte, besitzt es eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Betriebssystem für einen Computer, welches Systemeinstellungen, wie z.B. die Uhr, beinhaltet. Bei allen bisherigen Systemen bis hin zum GameCube arbeiteten IPLs nur im Hintergrund und wurden lediglich verwendet, um Software zu starten oder das System einzurichten. Beim DS-IPL änderten wir das. Durch die PictoChat-Software lenkten wir das Augenmerk des Benutzers erstmals auf den IPL. Vielleicht ist es einfacher für den User, wenn er sich den IPL der Wii-Konsole als stark erweiterte Version des DS-IPLs vorstellt.

Iwata Asks
Iwata:

Die Wii-Konsole selbst hat also in anderen Worten eine Vielfalt eingebauter Funktionen. Wir haben ein Team geschaffen, das über die Grenzen der einzelnen Abteilungen hinweg über jede einzelne dieser Funktionen entschieden hat.

Aoyama:

Ja, die Funktionen von Wii konnten nicht strikt nach "Hardware" und "Software" getrennt werden. Deswegen habe ich 25 Experten aus allen möglichen Abteilungen versammelt, und… nun, wir hatten ein Meeting nach dem anderen.

Iwata:

Ich habe ebenfalls nach Möglichkeit versucht, an den Treffen teilzunehmen. Wann begannen sie noch mal?

Aoyama:

Ungefähr letztes Jahr im Oktober. Die Entwicklung der Nintendo Wi-Fi Connection näherte sich dem Ende und bis dahin hatten die einzelnen Abteilungen die Systemfunktionen unabhängig voneinander diskutiert. Wir wollten Struktur in diese Diskussionen bringen, indem wir die Systemfunktionen zu einem offiziellen Projekt machten. So begannen dann die Treffen.

Iwata:

Aoyama-san, Sie wurden mit der Leitung des Projekts betraut. Wie fühlten Sie sich, als man Ihnen diese Verantwortung übertrug?

Aoyama:

Nun, ich dachte: "Das wird hart!"

Alle:

(Lachen)

Aoyama:

Diese Vorgehensweise war nicht nur eine Premiere, sie gab uns auch die beeindruckende Gelegenheit, den Rahmen für dieses Konzept von Grund auf zu besprechen. Als später entschieden wurde, dass die Wii-Konsole "nie schläft", mussten wir überlegen, was eine solche Konsole können sollte und stießen sofort auf das Problem, konkrete Services anzubieten und eine Netzwerk-Infrastruktur sowie Server einzurichten.

Iwata:

Welche besonderen Aufgaben wurden denn Ihnen beim Start des Projekts zugeteilt?

Aoyama:

Ähm, was war es noch mal? (Lachen) Nun, also, ich hatte ungefähr hundert verschiedene Dinge im Kopf, also ähm… ich kann es wirklich nicht mehr sagen! (Lachen)

Iwata:

Oh, wirklich? (Lachen) Tamaki-san, Kuroume-san, wie sieht es mit Ihnen aus?

Tamaki:

Meine erste Aufgabe? Mal sehen… Zu der Zeit war eine Menge los, nicht wahr?

Alle:

(Lachen)

Tamaki:

Also, ich erinnere mich, dass wir alle darüber sprachen, was wir machen wollen, aber meine erste Aufgabe…?

Iwata:

(Lachen) Kuroume-san, was ist mit Ihnen?

Kuroume:

Ich habe keine Ahnung mehr!

Alle:

(Lachen)

Iwata:

Dann lassen Sie uns einfach festhalten, dass Sie sich nach reichlichem Nachdenken für die aktuellen Fähigkeiten entschieden haben. (Lachen) Kuroume-san, Sie haben bereits an mehreren IPLs gearbeitet. Was unterscheidet die Systemfunktionen der Wii-Konsole, jetzt "Kanäle" genannt, von bisherigen Konsolen?

Kuroume:

Es ist überflüssig zu sagen, dass ich zu Beginn meiner Arbeit an den Kanälen überhaupt keine Ahnung hatte, welche Form sie einmal annehmen würden. Beim DS fiel es mir schwer, alle Fähigkeiten wegzulassen, die ich gerne eingebaut hätte, für die aber kein Platz war. Für Wii jedoch musste ich die Fähigkeiten organisieren, ohne zu wissen, wo das alles letzten Endes hinführt. Das Einzige, worüber ich mir im Klaren war, war die Größe meiner Verantwortung!

Iwata Asks
Alle:

(Lachen)

Kuroume:

Ich weiß noch, dass in den ersten Tagen der Entwicklung von Tamaki-san viele Vorschläge kamen. Er sagte "Mach es irgendwie so…" oder "Vielleicht solltest Du das machen…" Er war mit seinen Ratschlägen immer so leidenschaftlich! (Lachen)

Iwata:

Aha, Tamaki-san, Sie sind also sehr "leidenschaftlich"? (Lachen)

Tamaki:

Oh, das ist sooo peinlich! (Lachen)

Iwata:

Ach, Unsinn! Meiner Meinung nach hat Ihre Leidenschaft einen großen Beitrag zum Wii-Projekt geleistet. Teilen Sie doch ein paar Ihrer anfänglichen Vorschläge mit uns.

Tamaki:

Das geht jetzt ein bisschen zurück, aber als ich gerade bei Nintendo anfing, sagte ich, dass ich gern ein Spiel machen möchte, welches ich auch mit meiner Großmutter spielen kann. Ich hatte eine Vorstellung von Spielen, die ins Wohnzimmer passen, oder auch an den Kamin, den Esstisch, den Kaffeetisch oder überallhin. Ich wollte einfach ein Spiel für die ganze Familie machen. Manchmal habe ich mich dabei erwischt, wie ich allein dasitze, ein Spiel starte und mich ein wenig von der Welt abgeschnitten fühle; erst vor Kurzem ist mir das wieder passiert. Das wollte ich ändern, das heißt, Spielen etwas weniger einsam machen. Für mich gehört die Wii-Fernbedienung auf den Kaffeetisch. Ich habe mit einer Menge Leute viel darüber diskutiert, wie wir dieses Ziel erreichen können. Für das Systemfunktionen-Projekt hatten wir eine ähnliche Vision.

Iwata Asks
Iwata:

Womit begannen Sie bei den Treffen, in denen Sie über die Systemfunktionen sprachen?

Kuroume:

Wir fingen mit allem gleichzeitig an! (Lachen) Eines der Probleme, die wir lösen mussten, war die Eingabe von Zeichen. Wir probierten ein System wie in "Animal Crossing", wir probierten, eine komplette Tastatur auf dem Bildschirm darzustellen, und wir probierten sogar eine Tastatur wie bei einem Mobiltelefon...

Tamaki:

Wir sprachen außerdem über rein technische Dinge, z.B. ob der IPL schneller starten könnte. Etwa "Wie viele Sekunden können wir bei einem bestimmten Bildschirm einsparen?" und solche Dinge.

Aoyama:

Während wir diskutierten, begann sich schrittweise das Konzept "Spaß für die ganze Familie" herauszubilden. Das bedeutete, es musste für jedes Mitglied der Familie leicht zugänglich, verständlich und interessant sein. Ein nur zu häufiger Trend beim Spielen ist, stundenlang zu spielen, bis man das Spiel durch hat - und es dann nie wieder anzufassen. Das wollten wir vermeiden.

Tamaki:

Ein Spiel ist nicht zugänglich für die ganze Familie, wenn nur ein Familienmitglied es die ganze Zeit spielt. Auf diese Weise werden die nicht spielenden Familienmitglieder nicht mit einbezogen.

Aoyama:

Deswegen waren unsere Arbeitskonzepte "Spaß für die ganze Familie" und "eine Konsole, die jeden Tag eingeschaltet wird". Wir versuchten, unsere Diskussionen immer an diesen beiden Konzepten auszurichten.

Iwata:

Welche der aktuellen Fähigkeiten nahm als erstes Gestalt an?

Kuroume:

Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, dass es die erste Fähigkeit war, aber ich weiß, dass der Wetterkanal als Erstes fertig war, um zu demonstrieren, dass Wii tatsächlich 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche an sein würde. Man wacht morgens auf, schaltet die Wii-Konsole ein und der Wetterbericht wird aktualisiert. Dies war ein wertvolles Mittel, um Leuten, die nicht mit dem Konzept vertraut waren, Wii zu erklären.

Iwata Asks
Iwata:

Der Nachrichten- und der Wetterkanal zeigen unsere beiden Konzepte "für die ganze Familie" und "jeden Tag" sicher gut verständlich. Als Nächstes möchte ich Sie dazu befragen, wie die einzelnen Kanäle entstanden sind.