Mit "The Last Story" hat sich Mr. Sakaguchi ja einer riesigen Herausforderung gestellt, und ich kann mir vorstellen, dass er auch an die Musik andere Ansprüche hatte, als bei vorhergegangenen Projekten. Ich habe gehört, dass es recht schwierig für Sie war, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, Mr. Uematsu. Können Sie mir dazu etwas erzählen?
Natürlich. Bei diesem Spiel hatte ich seit langer Zeit mal wieder einen falschen Ansatz und das hat mir wirklich Schwierigkeiten bereitet. Als Mr. Sakaguchi mit mir über das Projekt gesprochen hat, habe ich den Auftrag bereitwillig angenommen und gesagt, dass ich es machen würde, wenn er mich dafür haben wollte. Er bat mich, mit der Titelmelodie, der Kampfmelodie und der Hintergrundmusik für die Stadt anzufangen. Ich habe mit der Arbeit daran angefangen, wie ich es immer tue, und ihm meine Ergebnisse präsentiert ... Und dann habe ich eine sehr lange E-Mail zurückbekommen, in der im Prinzip stand: "So geht es überhaupt nicht!"
(lacht)
Er hat Ihnen also nicht nur gesagt, dass Ihr Ansatz nicht richtig war. Er sagte Ihnen, dass daran alles falsch war! (lacht)
Die Email war sehr deutlich: "Da stimmt überhaupt nichts!" (lacht)
Und die E-Mail war auch noch sehr viel länger.
Richtig. Er hat damit angefangen, mir zu erklären, was er mit dem Spiel erreichen wollte, und am Ende der Mail bat er mich, noch einmal von vorne anzufangen. Ich dachte: "Okay. Es ist wohl wirklich ernst." Und mir blieb nichts übrig, als die Rückmeldung einzustecken. (lacht) Ich musste alle Ideen verwerfen, die ich bis dahin zu "The Last Story" gehabt hatte.
Mr. Sakaguchi hat sich so deutlich ausgedrückt, dass er mit seiner Mail alle Ideen und Vorstellungen, die Sie zu "The Last Story" hatten, auf einen Schlag abgelehnt hat.
Stimmt. Und als ich dann darüber nachgedacht habe, wo mein Fehler lag, kam ich zu dem Schluss, dass es daran lag, dass Mr. Sakaguchi sich eine ganz neue Herausforderung gestellt hatte. Mir wurde klar, dass er kein Interesse mehr daran hatte, Rollenspiele so zu entwickeln, wie es bis zu diesem Zeitpunkt gemacht worden war.
Er hatte also den Wunsch, Dinge zu erreichen, die mit dem alten Muster einfach nicht möglich gewesen wären. Und darin lag bei diesem Projekt die Herausforderung.
Genau. Bei den Spielen, an denen wir bis dahin zusammengearbeitet hatten, z. B. FF, "Lost Odyssey"7 und "Blue"8, war mir bewusst, dass sie ziemlich stark dem klassischen Rollenspielmuster entsprachen. Aber ich wusste, dass das bei dem neuen Spiel nicht reichen würde. Es ging auch nicht nur darum, mit der Musik eine andere Stilrichtung einzuschlagen. Ich wusste, dass ich ganz grundlegend verändern musste, wie ich an die Aufgabe herangehe. 7Lost Odyssey ist ein Rollenspiel, das von Mistwalker entwickelt und in Japan im Dezember 2007 veröffentlicht wurde. Hironobu Sakaguchi hat das Projekt als Produzent geleitet. 8Blue Dragon ist ein Rollenspiel, das von Mistwalker entwickelt und in Japan im Dezember 2006 veröffentlicht wurde.
Ihnen ist also klar geworden, dass Sie keine andere Wahl hatten, als in den sauren Apfel zu beißen und den Ansatz komplett aufzugeben, den Sie im Laufe von 25 Jahren gemeinsam entwickelt hatten.
Ja, ich musste in den sauren Apfel beißen. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich mich mit diesem Projekt auf ganz schön dünnes Eis begeben hatte ... (lacht)
Als Sie meine E-Mail gelesen haben, dachten Sie bestimmt, dass ich Ihnen das doch schon von Anfang an hätte sagen können! (lacht)
Ja, schon. Und so habe ich einen Monat mehr investiert, alles noch einmal zu überarbeiten.
Die Kampfmelodie war besonders schwierig, nicht wahr? Ich habe das Kampfsystem bei diesem Spiel komplett überarbeitet und den Fokus auf Action gelegt, die in Echtzeit stattfindet. Deshalb wollte ich, dass die Musik eine entsprechende Dringlichkeit transportiert. Aber ich wusste nicht genau, wie man dieses "Echtzeit"-Gefühl durch die Musik transportieren könnte, deshalb hatte ich keine andere Wahl, als es einfach irgendwie auszuprobieren.
In einem normalen Rollenspiel wird für die Musik, die bei Kämpfen in der offenen Welt stattfindet, gewöhnlich ein kurzes Stück verwendet. Es dauert nicht lange, die Gegner zu besiegen, deshalb ist die Musik meistens ein Stück von ca. 30 Sekunden, das wiederholt wird. Aber ich hatte das Gefühl, dass das bei diesem Spiel anders laufen würde ...
Die neue Spielstruktur hat also auch einen komplett neuen Ansatz für die Musik erforderlich gemacht, so dass Ihnen nichts übrig blieb, als die alten Regeln über Bord zu werfen und ganz neu anzufangen.
Richtig. Also habe ich die Kampfmelodie neu geschrieben und viel länger gemacht. Ich glaube, jetzt ist sie ungefähr fünf Minuten lang ...
Richtig. Sie ist viel länger geworden, als selbst ich es mir vorgestellt hatte. (lacht) Und die Melodie verändert sich sogar zwischendurch. Sie ist wie eine Art Symphonie aufgebaut und besteht aus drei verschiedenen Sätzen. Mr. Uematsu hat beim zweiten Mal also wirklich etwas Außergewöhnliches vorgelegt. (lacht)
Wir haben das Stück vom Entwicklerteam bearbeiten und aufteilen lassen, so dass die einzelnen Segmente in verschiedenen Kampfsituationen verwendet werden konnten. Das Komponieren dieser Musik war wirklich eine Herausforderung.
Durch die Arbeit an der Kampfmelodie haben Sie erkannt, welche Vorstellung ich über das Spiel hatte. Können Sie sich an die E-Mail erinnern, die Sie mir zusammen mit der Musik geschickt haben? Darin stand: "Wenn das jetzt nicht in die richtige Richtung geht, ist es wahrscheinlich am besten, wenn ich aus dem Projekt aussteige."
Wirklich? Habe ich das geschrieben? Dann habe ich die Sache anscheinend auch sehr ernst genommen. (lacht)
Sie meinen, Sie erinnern sich nicht daran? Dann leite ich Ihnen die Mail nachher noch mal weiter! (lacht)
Kaum vorstellbar, dass Sie nach all den Herausforderungen und Problemen, die Sie in den letzten 25 Jahren gemeinsam überwunden haben, so einen Austausch geführt haben! Das hört sich alles so dramatisch an.
Das habe ich bestimmt gesagt, weil ich sehr von der überarbeiteten Musik überzeugt war, die ich mir habe einfallen lassen.
Oder, um es anders auszudrücken: Wenn ich diese Musik abgelehnt hätte, wäre das der Beweis dafür gewesen, dass Sie meine Vision für das Spiel nicht teilen. Ich muss Ihnen dazu ein kleines Geständnis machen: Als ich auf diese E-Mail geantwortet habe, habe ich sie aus Versehen an das gesamte Entwickler-Team weitergeleitet.
Hey! (lacht)
Alle waren ganz aufgebracht. Sie fragten mich: "Mr. Sakaguchi, was ist denn da los? Will Mr. Uematsu wirklich aussteigen?" Es hat ganz schön für Aufregung gesorgt, das kann ich Ihnen sagen! (lacht) Eigentlich wussten also alle Mitarbeiter, was los war. (lacht)
Ist das wahr? (lacht) Zwischendurch ist alles ganz schön ernst geworden, nicht wahr?
Aber in der gesamten Zeit, die Sie beide schon zusammenarbeiten, ist so etwas äußerst selten vorgekommen, oder?
Es ist auf jeden Fall schon lange her, seit so etwas zum letzten Mal vorgekommen war. Wenn man mehr als 20 Jahre in der Industrie arbeitet, lernt man, gewisse Dinge für sich zu behalten, auch wenn man manchmal nicht völlig zufrieden mit etwas ist.
Es ist ja auch immer unangenehm, wenn man die Person ist, die auf ein Problem aufmerksam macht.
Richtig. Ich denke, als ich die E-Mail von Mr. Sakaguchi erhalten habe, in der stand, dass ich mit meinem Ansatz auf dem falschen Weg war, wurde mir klar, wie wichtig es ist, nie etwas für selbstverständlich zu halten oder die Offenheit und Unvoreingenommenheit zu vergessen, die man am Anfang hatte. Vielleicht hatte ich das aus den Augen verloren und vergessen, wie es ist, wenn man sich einer neuen Herausforderung stellt.
Ich kann mir vorstellen, dass es bestimmt schon eine ganze Zeit her war, seit Sie so eine negative Reaktion erhalten haben.
Das stimmt. Das war immerhin eine direkte Ablehnung. (lacht)
Die überarbeitete Musik, die Sie mir geschickt haben, war auch wirklich komplett anders als die erste Version.
Tja, ich hatte ja vorher auch einen völlig falschen Ansatz gewählt.
Deshalb ist mir auch nichts übrig geblieben, als Ihnen diese Mail zu schreiben.
Ach, das ist schon in Ordnung. Immerhin hat mir das ja am Ende wirklich geholfen. Es wäre wahrscheinlich alles eher unklar gewesen, wenn Sie mir einfach gesagt hätten: "Dieser Teil ist gut, aber es wäre gut, wenn Sie diesen Teil ändern."
Das hätte ja bedeutet, dass Sie Ihre Version für das Spiel zumindest teilweise hätten aufgeben müssen. Dass Mr. Sakaguchi so ein vernichtendes Urteil abgegeben hat, war ja genau der Grund dafür, dass Sie den nächsten Schritt überhaupt gehen konnten.
Aber wie Sie sich vorstellen können, waren wir den Rest dieses Monats eher angespannt miteinander.
Es war bestimmt schwierig für Mr. Uematsu, so eine totale Ablehnung zu erhalten, aber für Sie war es doch bestimmt auch nicht einfach, Mr. Sakaguchi. Immerhin mussten Sie etwas zurückweisen, von dem Sie wussten, dass Mr. Uematsu sein Herzblut hineingesteckt hatte.
Das stimmt. Es war ein langer Monat. Ich habe mir sogar ernsthaft Sorgen darüber gemacht, ob ich überhaupt eine Antwort auf die E-Mail erhalten würde ...
Oh, darüber hätten Sie sich keine Sorgen machen müssen! (lacht) Im Laufe dieses Monats habe ich mich wirklich konzentriert und mir sind viele Ideen gekommen. Ich wusste schon aus Erfahrung, dass Sie die neuen Ideen wahrscheinlich nicht ablehnen würden.
Sie haben sich in diesen ersten fünf Minuten der Kampfmusik auch wirklich nicht zurückgehalten und jede Menge Elemente untergebracht.
Ihnen war bestimmt sofort klar, was Mr. Uematsu alles hat einfließen lassen. Ich beneide Sie wirklich um Ihre Arbeitsbeziehung, die so einen Austausch ermöglicht.
Tja, wenn Sie nur diesen Vorfall als Beispiel nehmen, scheinen wir ja schon eine außergewöhnliche Beziehung zueinander zu haben, nicht wahr? (lacht)
Auch unabhängig von dieser Episode bin ich fest davon überzeugt, dass Sie beide ein großartiges Team abgeben! (lacht)
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