4. Was ich wirklich wollte

Iwata:

Wenn ich ihnen so zuhöre, bekomme ich das Gefühl, dass "Wii Music" zu Ihrem Lebenswerk gehört, etwas, das sie schon seit langer Zeit machen wollten.

Miyamoto:

So ist es wohl. Darum bin ich überglücklich, dass es fertig ist. Diese Art von Freude empfinde ich bei anderen Spielen so nicht.

Iwata:

Es ist sinnlos zu diskutieren, ob "Wii Music" besser oder schlechter als andere Spiele ist, aber in welcher Hinsicht unterscheidet es sich von anderen Spielen?

Miyamoto:

Mal sehen... Um es in Worte zu fassen, die mich gut aussehen lassen, gibt das Spiel mir die Hoffnung, einen Beitrag zur Zukunft der Musik geleistet zu haben, und das macht mich glücklich. Es mag anmaßend klingen, mir selbst einen so großen Einfluss auf die Musik einzuräumen, aber das Spiel könnte einen Einfluss auf neue Instrumente haben, die noch erfunden werden, und es wird vielleicht Musiker geben, die von sich sagen, dass "Wii Music" sie als Erstes zur Musik geführt hat. Ich habe das Gefühl, dieser Traum könnte wahr werden.

Iwata Asks
Iwata:

Und Leute, die das Musizieren und die Musik aufgegeben haben, werden die Freude an der Musik durch das Spielen von "Wii Music" erleben.

Miyamoto:

Absolut. Viele Leute haben Angst davor, ein Musikinstrument zu spielen. Besonders das Spielen mit anderen kann wunderbar, zu Beginn aber verunsichernd und beängstigend sein."Wii Music" beseitigt diese Angst, und Spieler erhalten, einfach indem sie das Spielen eines instruments imitieren, ein Gefühl für die Struktur eines Musikensembles und für den Spaß am Musizieren mit anderen.Darüber hinaus mögen manche Leute sogar dazu inspiriert werden, ein echtes Musikinstrument zu erlernen, und eine gesteigerte Wertschätzung für musikalische Darbietungen erfahren.

Iwata:

Es ist also möglich, dass Spieler durch "Wii Music" ein drastisch verbessertes Verständnis von Musik erhalten.

Miyamoto:

Das stimmt. Ich denke, es wäre klasse, wenn Kindergärten und Grundschulen "Wii Music" in der musikalischen Früherziehung einsetzen würden.

Iwata:

Sie haben tatsächlich einmal einige Erzieher "Wii Music" spielen lassen, nicht wahr?

Miyamoto:

Ja. Ich würde es auch gerne einmal Musikexperten und professionelle Musiker ausprobieren lassen. Ich würde gerne wissen, was die darüber denken.

Iwata:

Ich teile Ihre Auffassung, dass hier der Grundstein für etwas gelegt wurde.

Iwata Asks
Miyamoto:

Ich denke vor allem, dass "Wii Music" in der Musikerziehung ernsthafte Aufmerksamkeit verdient hat. Als Kind habe ich Sozialkunde gehasst.

Iwata:

Oh, ich auch.

Miyamoto:

Wirklich? (lacht) Ich habe mich immer gefragt, warum ich das Inlandsprodukt fremder Länder lernen und bestimmte historische Daten kennen sollte. Aber als Erwachsener habe ich das Buch "Die Geschichte der informationen" gelesen, was meine Art zu denken wirklich verändert hat.In diesem Buch gab es eine Zeitleiste, auf der sowohl Weltgeschichte als auch japanische Geschichte abgebildet war. Ich interessierte mich für Kunstgeschichte, deswegen fand ich die Zeitleiste, auf der zu lesen war, was in Japan vor sich ging, während Europa die Renaissance durchlief, sehr faszinierend.

Iwata:

Ich verstehe, was Sie meinen.

Miyamoto:

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Wenn man die Geschichte von Oda Nobunaga gehört hat (ein charismatischer Kriegsherr in der Zeit des kriegszerrütteten Japan), mag man sich vielleicht für Geschichte interessieren. Mit Musik verhält es sich genauso. Wenn man einmal die Freude einer musikalischen Darbietung erlebt hat, möchte man vielleicht besser werden, und wenn man dann Musiknotationen studiert, lernt man viel schneller. Wenn das Interesse weiter wächst, möchte man danach vielleicht Musiktheorie studieren. Aber wenn man mit Musiktheorie anfängt, wird man die Freude an der Musik nicht verstehen. Die musikalische Erziehung für kleine Kinder beginnt heutzutage mit dem Erleben von Rhythmus, springt dann aber plötzlich zur Musiktheorie über. Ich möchte das wirklich ändern, und ich denke, dass wir das können. Bin ich da vielleicht zu euphorisch? (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Nein, überhaupt nicht (lacht). Sie haben immer gesagt, sie wollten Videospiele zu mehr als nur einem Unterhaltungsmedium machen, und es scheint, besonders mit "Wii Music" ist dies wahr geworden.

Miyamoto:

Ja, das ist es. Vielleicht verwandle ich mich aber auch nur in einen verrückten, alten Mann. (lacht)

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Ich war nicht so euphorisch, als ich "Super Mario Bros." erschuf.

Iwata:

Ich frage mich, was genau Sie so euphorisiert hat. Ist vielleicht etwas, was Sie schon immer machen wollten, endlich erfüllt worden?

Miyamoto:

Das nehme ich an. Ich wollte unbedingt, dass jeder dieses Spiel versteht. Sie sagten bereits, dieses Spiel könnte mein Lebenswerk sein. Dieses Spiel könnte wirklich das sein, was ich die ganze Zeit über verwirklichen wollte. Es könnte auch eine Reaktion sein auf meinen Komplex wegen Musikinstrumenten.

Iwata:

Wann immer Sie andere Menschen Musik machen sahen, müssen Sie immer gewollt haben, dies einmal selbst zu erleben. Jetzt, da Sie etwas geschaffen haben, das dies ermöglicht, müssen Sie vom Spaß des Spiels überzeugt sein.

Miyamoto:

Hmm, da könnten Sie recht haben.

Iwata:

Und ich nehme an, Sie sind auch so euphorisch, weil Sie so außerordentlich zufrieden mit dem fertigen Spiel sind.

Miyamoto:

Das nehme ich an. Ich habe diese Art von Persönlichkeit, die alles zu meinem eigenen Vorteil sieht. Ich sehe alles rational und denke, dass nichts in meinem Leben umsonst war. Sogar wenn etwas nicht gut geklappt hat, sogar wenn ich scheitere, bin ich der Typ, der denkt, daraus kann ich immer noch eine Lehre ziehen, es war gut, dass ich keinen Erfolg damit hatte.

Iwata:

Ich verstehe.

Miyamoto:

Darum, denke ich, habe ich all meine Erfahrungen und Vorlieben in meine Arbeit einfließen lassen, aber heutzutage fühle ich mich, als ginge mir das Material aus. Ich habe beispielsweise ein Manga benutzt, das ich als Kind in 2D gezeichnet habe. Ich habe ein Puppenspiel, welches ich als Kind mochte, für ein 3D-Spiel benutzt. Für das Erschaffen von Videospielen habe ich auch die Theorien benutzt, die ich an der Universität für Design- und ID-Konzepte verwendet habe.Ich dachte, ich hätte all meinen Musikgeschmack im Sound-Design und im Lied für "Donkey Kong", das ich geschrieben habe, eingebracht. Aber wenn ich mir "Wii Music" anschaue, wirft es mich um, dass ich immer noch einige Erfahrungen verwenden konnte. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

Iwata:

Ich verstehe. Das Spiel verleiht auch noch auf andere Art Genugtuung. Musik ist universell. Eine unglaubliche Anzahl von Menschen auf der ganzen Welt interessieren sich dafür oder werden von ihr bewegt. Ich denke, es gibt eine Menge von Leuten wie Sie, die gerne ein Instrument spielen würden, aber nicht können. In diesem Licht betrachtet, hat "Wii Music" meiner Meinung nach enormes Potenzial. Weil es hierbei nicht um genau ausgeführte, mit Punkten bewertete Handlungen geht, sondern um das Erleben von grenzenlosen Möglichkeiten, die alle auf ihre Weise richtig sind.

Iwata Asks
Miyamoto:

Das ist korrekt. Sie können es so spielen, wie Sie gerade möchten.

Iwata:

Alles klar. Es kommt nicht darauf an, wie man spielt. Und jede Darbietung ist einzigartig und kann nicht kopiert werden, deswegen können Sie anderen Ihre Darbietung vorführen. Es ist in der Tat ein einzigartiges Spiel.

Miyamoto:

Ich stimme vollkommen zu.

Iwata:

Ich kann es nicht erwarten, bis ich "Wii Music" selbst zuhause spielen kann. Ich bin gespannt, wie ich mit der Musik zurechtkomme. Wie Sie auch, wollte ich immer ein Musikinstrument spielen, habe aber nie den Dreh rausbekommen (lacht).

Miyamoto:

Ja, Leute wie mich gibt es überall auf der Welt!

Iwata:

(lacht)