Es ist an der Zeit, dass Sie mir etwas über die Software erzählen. In Wii Fit gibt es einen Trainercharakter, der unter anderem die Yogaübungen anleitet, und der Spieler hat die Wahl zwischen männlichem und weiblichem Trainer , nicht wahr?
Ja, aber am Anfang hatten wir nur einen weiblichen Trainer. (lacht)
Wahrscheinlich, weil im Entwicklerteam nur Männer saßen! (lacht)
(lachen)
Deshalb habe ich gesagt: „Hört mal zu, alle möglichen Kunden sollen dieses Spiel spielen. Wir brauchen auch einen männlichen Trainer!” Die Antwort des Teams war dann sinngemäß: „Was? Jetzt wollen Sie auch noch einen zusätzlichen Trainer?”
Die Trainercharaktere sind besonders ausgefeilt, deshalb gefiel uns die Idee gar nicht, gleich zwei davon zu erstellen. Wir haben die Bewegungen eines Modells im Motion Capturing-Verfahren6 aufgenommen, um möglichst natürliche Bewegungen realisieren zu können. Allerdings ist beim Yoga die richtige Atmung von elementarer Bedeutung, und weil wir die im Motion Capturing-Verfahren nicht einfangen konnten, mussten wir hinterher zum Beispiel die Bewegungen der Bauchdecke per Hand justieren. So war schon die Erstellung eines Trainercharakters ziemlich aufwändig, und dass wir jetzt plötzlich noch einen erstellen sollten, bedeutete eine enorme Zunahme der Arbeitsbelastung. 6 Beim Motion Capturing-Verfahren werden an verschiedenen Körperteilen Sensoren angebracht, um die natürliche Bewegung eines Menschen in den Computer einzulesen.
Ich hatte für mein Training den männlichen Trainer ausgewählt, aber eines Tages erschien auf einmal der weibliche Trainer mit den Worten: „Ich vertrete heute deinen regulären Trainer.“ Ich war perplex! (lacht) Solche Auftritte haben Sie also auch vorbereitet!
(lachen)
Wenn Sie sich so darüber gefreut haben, Iwata-san, dann hat es sich doch gelohnt, zwei Trainercharaktere zu erstellen! (lacht)
(lacht) Die Trainer leiten nur einen Teil der Übungen an. Viele Übungen finden ohne sie statt. Wie sind Sie bei der Erstellung dieser Übungen vorgegangen?
In der Anfangsphase entwarfen wir die Übungen, die wir später als Balancespiele bezeichnen sollten. Da wir uns mit dem Entwickeln von Spielen recht gut auskannten, war dieser Teil unserer Arbeit relativ einfach. Eines der Themen, die uns Miyamoto-san aufgetragen hatte, war Ski-Slalom , und das war das erste Spiel, das wir produzierten. Ansonsten bemühten wir uns, die Themen der Spiele selbst festzulegen.
Gab es auch Ideen für Spiele, die Ihnen zunächst gefielen, wo dann aber doch nicht der Funke übersprang?
Unter unseren Prototypen befand sich ein Spiel mit dem Titel „Trampolin”. Am Anfang hielt ich das für eine fantastische Idee. Es war so aufgebaut, dass der Spieler auf dem Wii Balance Board die Knie beugt und streckt, damit der Charakter auf dem Trampolin springt. Als wir den Prototyp aber ausprobierten, merkten wir, dass sich das Gefühl des Fliegens einfach nicht einstellen wollte, und schließlich fragten wir uns, was wir an diesem Spiel eigentlich so toll gefunden hatten. (lacht) Also haben wir die Entwicklung aufgegeben, und das Trampolinspringen hat es nicht in die fertige Software geschafft.
Gab es auch ein Gegenbeispiel? Also ein Spiel, wo Sie am Anfang dachten, das klappt doch nie, das sich aber schließlich als Bereicherung für die Software herausgestellt hat?
Während der Planung dachte ich über Reifenwirbel , dass diese Übung problematisch sein könnte, und auch das verantwortliche Team war am Anfang nicht gerade überzeugt. Aber als wir die Übung fertig programmiert hatten, da waren alle begeistert vom Ergebnis.
Ja, Reifenwirbel bringt den Nutzer in Bewegung, und außerdem macht er Spaß. Ich staunte, als ich merkte, wie viel besser ich die Hüften in die eine Richtung kreisen lassen kann als in die andere.
Bei dieser Übung macht es manchmal sogar mehr Spaß, jemandem dabei zuzusehen, als sie selbst zu machen. (lacht)
Tatsächlich, es kommt ja eher selten vor, dass jemand so intensiv die Hüften schwingt. (lacht) Als wir bei der diesjährigen E37 zum ersten Mal mit Wii Fit an die Öffentlichkeit gingen, da wollte Miyamoto-san Reggie-san8 von NOA unbedingt dazu kriegen, Reifenwirbel auf der Bühne vorzuführen. Er hatte Reggie-san schon bei der ersten Vorbereitungskonferenz zur E3 darum gebeten, aber Reggie-san sagte, er sei zu schüchtern, und lehnte ab. Miyamoto-san hat ihn bei jeder der Folgekonferenzen unterwandert: „Bitte machen Sie’s!“ Und jedes Mal hat Reggie-san ihm einen neuen Korb gegeben. 7 Die E3 ist eine jährlich in den USA stattfindende Videospiel-Fachmesse. Hier wurde Wii Fit im Juli 2007 zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. 8 Gemeint ist Reggie Fils-Aime, Präsident der Nintendo of America Inc. Bei Firmenpräsentationen in den USA steht er auf der Bühne und stellt neue Produkte vor.
(lachen)
Dann fragte er noch einmal bei der Generalprobe für die Präsentation auf der E3. (lacht) Ich war beeindruckt, wie hartnäckig Miyamoto-san sein kann.
Und bei der Gelegenheit sagte Reggie-san, er habe Rückenschmerzen... (lacht)
(lachen)
Aber es ist nun mal faszinierend, jemandem bei Reifenwirbel zuzusehen, das hat man bei der Nintendo Conference9 neulich ja gesehen. Ihr Traum ist zwar nicht in Amerika, aber dafür einige Monate später in Japan in Erfüllung gegangen. (lacht) 9 Die Nintendo Conference ist eine Produktpräsentation, die am 10. Oktober 2007 in der Makuhari-Messe in Chiba stattfand. Auf der Bühne führten die Moderatorin Miho Nakai sowie die Gäste Shinji Morisue und Sayo Aizawa Reifenwirbel vor.
Dabei hatte das Team noch gesagt: „Zumindest der Präsident sollte diese Übung nicht vorführen!” (lacht) Aus Sicht von NOA hat Reggie-san also sicher die richtige Entscheidung getroffen. (lacht)
(lachen)
Unter den Aerobic-Übungen findet sich doch auch die Übung Jogging . Die hat eigentlich ein anderes Entwicklerteam entworfen, und erst gegen Ende der Entwicklung fiel der Entschluss, sie in Wii Fit zu implementieren, nicht wahr?
Wir haben überlegt, ob wir Reifenwirbel und Basis-Step , die beide ursprünglich zur Gruppe der Balancespiele gehörten, nicht in eine andere Richtung entwickeln könnten, wenn wir sie in die Gruppe der Aerobic-Übungen einbauen.
Das metabolische Syndrom10 war gerade ein großes Thema in den Medien, darum gingen wir davon aus, dass es ein Bedürfnis nach sportlichen Übungen gibt, die man für eine längere Zeit durchführen kann. Also beschlossen wir, mit Aerobic eine solche Art von Übungen in Wii Fit zu integrieren. 10 Das metabolische Syndrom ist eine Kombination von Faktoren wie Bluthochdruck, hohen Cholesterinwerten, Insulinresistenz und Übergewicht, die das Risiko erhöhen, Herzkrankheiten oder Diabetes zu entwickeln.
Jogging wurde in unserem Team ungefähr im Juli dieses Jahres zum Thema, als Miyamoto-san sagte: „Diese Übung hat einen sehr guten Effekt. Ich möchte sie unbedingt in die Software integrieren.“ Allerdings befanden wir uns schon in der Endphase der Entwicklung von Wii Fit. Außerdem war die Jogging-Übung noch in der experimentellen Phase, und die Strecke, auf der der Spielercharakter läuft, war auch erst ein Entwurf. Wir mussten quasi alles ganz von Anfang an programmieren. Deshalb war unsere Reaktion: „Jetzt noch?!“ (lacht)
Juli? Das ist ja wirklich noch nicht lange her! (lacht) Beim Jogging braucht man noch nicht einmal das Wii Balance Board, sondern steckt sich die Wii-Fernbedienung in die Hosentasche. Haben Sie Miyamoto-san nicht vorgeworfen, dass er derjenige war, der die ganze Software auf Balanceübungen aufbauen wollte?
Doch. Aber natürlich nur im Stillen! (lacht)
(lachen)
Aber nachdem die Übung einmal beschlossene Sache war, arbeitete das Team sehr schnell. Und innerhalb der Firma ist die Jogging-Übung ziemlich beliebt.
So beliebt, dass sogar ich jeden Tag damit laufe. (lacht) Es macht ja auch viel mehr Spaß, wenn man beim Laufen fernsehen kann.
Das Joggen fühlte sich richtig real an, als ich die Miis meiner Familienmitglieder registriert hatte, denn die tauchen plötzlich auf, während man joggt, und man freut sich darüber. Und wenn ich beruflich unterwegs bin und dann mein Mii vorbeijoggt, denken meine Kinder: „Papa gibt auch alles!“ (lacht)
Andererseits... wenn man von den Miis seiner Familie überholt wird und die sich dann auch noch umdrehen und entspannt lächeln, ist man schon etwas frustriert. (lacht)
(lachen)
Bei den Aerobic-Übungen kann ich ganz besonders die Freien Modi empfehlen!
Waren die Freien Modi eigentlich eine Idee, die Sie von Anfang an hatten?
Ich wollte schon lange gerne etwas in dieser Richtung machen.
Den Freien Step hatten wir eingeplant, aber dass wir für die Jogging-Übung auch einen Freien Modus implementieren würden, entschied sich erst kurz vor Schluss des Projektes.
Genauer gesagt, quasi erst vor ein paar Tagen. (lacht)
(lachen)
Der Freie Step und das Freie Jogging sind vor allem für die älteren Semester gedacht... nicht so sehr um des Spaßes willen, sondern als Maßnahme gegen den Bewegungsmangel. Ich selbst bin ein regelmäßiger Benutzer. (lacht)
Vielen Leuten fehlt es ja an Zeit, um Sport zu treiben. Deshalb finde ich die Freien Modi sinnvoll, weil sie sportliche Betätigung ermöglichen, während man sich mit etwas anderem beschäftigt.
Vielleicht hätten wir noch Freie Liegestütze implementieren sollen, um den Kunden zu ermöglichen, ihre Muskeln ein wenig aufzubauen, während sie etwas anderes tun.
Vollkommen unmöglich! (lacht)
(lachen)
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