12. Nach 25 Jahren immer noch provokativ

Itoi:

Arbeiten Sie derzeit an etwas Neuem? Etwas, das schon spruchreif ist?

Miyamoto:

Ich bin ein bisschen in Audio-Guides und Nintendo DS-Lernprogramme für öffentliche Bereiche eingebunden.

Itoi:

Ach wirklich? Egal ob sich diese verkaufen lassen?

Miyamoto:

Genau. Das macht schon Spaß.

Itoi:

Und es macht nicht nur Spaß, weil Ihnen jemand gesagt hat, dass es schon okay ist, wenn es sich nicht verkauft?

Miyamoto:

Richtig.

Itoi:

Ist das nicht komisch? (lacht)

Miyamoto:

Ja. Wenn ich ehrlich bin, mache ich den Audio-Guide, weil ich mir sicher bin, dass er irgendwann ein Hit wird. (lacht)

Itoi:

Ihre Hartnäckigkeit in dieser Hinsicht ist wirklich unglaublich, Mr. Miyamoto.

Miyamoto:

Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde es richtig cool, wenn etwas gut klappt. Aber man sollte nicht so berechnend sein. Ich sollte da geradliniger vorgehen.

Itoi:

Wie war es, als Sie das erste Super Mario Bros. gemacht haben? Waren Sie da geradliniger?

Miyamoto:

Hmm ... das war, bevor ich überhaupt viel mit Mr. Hiroshi Yamauchi gesprochen hatte, der derzeit Executive Adviser ist, also arbeitete ich noch vorrangig mit dem Kopf.

Itoi:

Oh, ich verstehe. Aber das Spiel ist trotzdem richtig lustig geworden.

Miyamoto:

Es gibt schon viele Unebenheiten. Wissen Sie, vieles, wo wir ein bisschen „getrickst“ haben, Sachen, die nicht bei den Originaldesigns dabei waren, aber fast versehentlich entstanden sind. Natürlich haben wir uns diese Dinge nicht bewusst mit dem Kopf ausgedacht, aber sie sind zu großartigen Aspekten des Spiels geworden.

Itoi:

Ja.

Miyamoto:

Wenn Sie zum Beispiel einen Block treffen und eine Münze herausspringt, dann war das ein Block, den man nicht mehr treffen konnte. Aber einmal hat das aus irgendeinem Grund nicht geklappt. Und wenn man den Block erneut traf, sprang eine weitere Münze heraus. Das sollte die Regeln durcheinander bringen und das Spiel ins Gleichgewicht bringen. Aber wenn man es spielt, ist es noch lustiger.

Itoi:

Ja, das stimmt.

Miyamoto:

Logischerweise sollte nur eine Münze herauskommen und anschließend verschwinden, aber zwei sind noch besser. Also haben wir Stellen eingerichtet, an denen ein ganzer Haufen herausspringt. Wenn Sie einen Block niedrig anordnen, macht es Spaß, diesen mit heftigen Schlägen richtig schnell wegzuschlagen. Also haben wir die Blöcke niedrig angeordnet. Als wir versuchten, so viele Blöcke wie möglich innerhalb einer bestimmten Zeit zu treffen, hat das richtig viel Spaß gemacht. Also haben wir solch eine Stelle eingerichtet. Das Spiel steckt voller solcher Sachen.

Itoi:

Ich verstehe.

Miyamoto:

Auf diese Weise sind die Spiele lustiger geworden als wenn man alles auf dem Papier plant.

Itoi:

Wenn man allein auf der Grundlage von Papier arbeitet, dann neigt man dazu, damit zu hart ins Gericht zu gehen. Sie behandeln es, wie ein strenger Vater. Aber wenn sich das Spiel allmählich zusammensetzt, fangen Sie an, es wie ein nachsichtiger Großvater oder eine Großmutter zu behandeln, und Sie denken: “Nun gut, wenn es die Spieler glücklich macht, gebe ich Ihnen so viele Bonbons wie sie mögen.”

Miyamoto:

Ich bin zu dem Punkt gekommen, wo ich sage: “So streng müssen Sie doch nicht sein?”, wenn ich mit einem jungen Direktor zusammenarbeite.

Itoi:

Als Schöpfer ist man erst einmal streng, wenn man anfängt. Wenn man darüber nachdenkt, hat diese Strenge etwas Dreistes an sich.

Miyamoto:

Ja. Wenn wir bei der Entwicklung noch nicht an dem Stadium angelangt sind, wo wir mit etwas Greifbarem spielen, sage ich auch: „Wenn Sie diese eine Sache ändern, fällt die ganze Struktur auseinander, also kann ich da nicht nachgeben.” Aber wenn wir ein paar Fortschritte gemacht haben, und ich dahin komme, was mir wirklich im Kopf herumgeht, sage ich Dinge wie: “Wir können weitermachen und das ändern, glauben Sie nicht?”

Itoi:

Aber beides ist irgendwie wahr, oder? (lacht)

Iwata Asks
Miyamoto:

Ja. Das ist ein anderes Thema. Aber eine großartige Sache bei Videospielen ist, dass man Videospiele während der Produktion testen, auseinandernehmen und anpassen kann. In meinem Fall fängt der Großteil dessen, was an meiner Kreativität wichtig ist, erst an, nachdem ich daran gearbeitet habe. (lacht)

Itoi:

Oh!

Miyamoto:

Wenn ich also gefragt werde, wie ich etwas mache, läuft es leider immer wieder auf diese Worte hinaus …

Itoi:

“Ich kann es nicht in Worte fassen.”

Miyamoto:

(lacht)

Itoi:

Aber ich glaube, heute ist es uns beiden gut gelungen, das zu erklären.

Miyamoto:

Das hoffe ich.

Itoi:

Wir sind fast am Ende. Vor 25 Jahren erschien Super Mario Bros. Also sind Sie jetzt 25 Jahre älter geworden. Es wäre toll, wenn all die Spieler zusammen mit Ihnen gealtert wären, aber diese kommen und gehen. Also ist das nicht der Fall.

Miyamoto:

Ja.

Itoi:

Etwas, das mich auch betrifft und sich nicht nur auf Videospiele beschränkt, ist die Frage, ob man es anderen zeigen darf, dass man älter wird. Man selbst findet sich zwar noch ganz okay und völlig normal, aber wenn man dann für den Nachbarschaftsverein arbeitet, bekommt man plötzlich zu hören, dass man ihnen keinen Müll abliefern soll. Und irgendwann kommt der Tag, an dem man nicht mehr willkommen ist.

Miyamoto:

Ja …

Itoi:

Was werden Sie dagegen tun?

Miyamoto:

Ich finde, die Spiele, die ich mache, sind ganz okay.

Itoi:

Jetzt noch.

Miyamoto:

Ja, sie sind schon eine ganze Weile okay.

Itoi:

Wenn Sie mit jüngeren Leuten zusammenarbeiten und zuhören, über was die sich unterhalten, haben Sie dann nicht einmal und vielleicht auch nur im Entferntesten gedacht: “Gehöre ich vielleicht schon zum alten Eisen?”

Miyamoto:

Hmm … ich weiß nicht.

Itoi:

Vielleicht ist etwas, was Sie gesagt haben, unmodern geworden, und die anderen verstehen es nicht – wie zum Beispiel Noriko Awaya als Blues-Sängerin zu erwähnen.

Miyamoto:

Im Augenblick ist das noch nicht der Fall. (lacht) Aber manchmal überprüfe ich es, um sicherzugehen, dass ich noch nicht zum alten Eisen gehöre.

Itoi:

Mit wem überprüfen Sie das?

Miyamoto:

Mr. Tezuka. (lacht)

Itoi:

Sie müssen das mit jemand jüngerem überprüfen! (lacht)

Alle:

(lachen)

Miyamoto:

Na ja, wie dem auch sei, ich habe schon ganz genau bemerkt, dass ich ein bisschen zum alten Eisen gehöre. Ehrlich.

Itoi:

Okay, ich bin derjenige, der dieses Thema aufs Tapet gebracht hat. Aber ich finde Sie sind noch ganz in Ordnung. Ich meine, Picasso ist sein ganzes Leben lang jung geblieben. Und Shinsho Kokontei war bis zu seinem Tode jung.

Miyamoto:

Ja, das stimmt.

Itoi:

Aber was wird in 25 Jahren sein? Werden Sie immer noch arbeiten, wenn Sie 85 sind?

Miyamoto:

Ich frage mich, was ich dann tun werde. Wahrscheinlich arbeite ich dann noch an etwas, wenn ich noch am Leben bin.

Itoi:

Das gefällt mir. Sie wissen noch nicht, was Sie dann tun werden, aber Sie gehen davon aus, dass Sie dann noch arbeiten.

Miyamoto:

Ja. Irgendetwas werde ich machen.

Itoi:

Vielleicht machen Sie Strohsandalen oder etwas anderes.

Miyamoto:

Nein, etwas Provokativeres.

Iwata Asks
Itoi:

“Provokativ”! Das gefällt mir! (lacht)

Miyamoto:

Das wäre schön.

Itoi:

Das war die richtige Antwort. Und ich denke, das genügt für heute. Ich finde, heute haben wir es gut in Worte gefasst.

Miyamoto:

Ja, aber vielleicht noch nicht gut genug, dass es wirklich jeder verstehen kann.

Itoi:

Aber ich bin damit zufrieden, wie wir es erklärt haben. Wir konnten nicht jeden, der gekommen ist, mit dem Flugzeug zum Ziel bringen, aber vielleicht ist es uns gelungen, einen Hubschrauber mit einer heraushängenden Strickleiter zu organisieren, wie in einem James Bond-Film.

Miyamoto:

(lacht)

Itoi:

Jemand, der das Zeug dazu hat, könnte hochspringen und die Leiter ergattern.

Miyamoto:

Ich zähle auf die Fähigkeiten unserer Spieler. (lacht)