Seit dem Erscheinen von „Super Mario“ sind fünfundzwanzig Jahre vergangen und zahlreiche Spiele der Serie erschienen. Worauf legen Sie besonderen Wert, wenn Sie das erste Mal an einem Mario-Titel arbeiten? Oder anders ausgedrückt, was haben Sie von Mr. Miyamoto gelernt, wenn es darum geht, einem Super-Mario-Spiel das „Wesen“ oder die „Essenz“ von Mario zu verleihen?
Ich war an „Mario 3“ und „Mario World“ beteiligt, daher habe ich mir nie wirklich Gedanken über Iwata fragt: Super Mario Galaxy gemacht – ich habe mich einfach auf das Zeichnen der Level konzentriert.
Ich glaube nicht, dass Mr. Miyamoto damals über das Wesen von Mario sprach.
Sicher, am Anfang konnte die Serie noch nicht auf eine Geschichte zurückblicken, die derartige Überlegungen ermöglichte.
Was man immer wieder von Mr. Miyamoto zu hören bekam, waren Dinge wie: „Macht das Spaß?“ und: „Kommt Ihnen das richtig vor?“ Das galt auch für Spiele, die er nicht selbst entwickelte. Wenn ich z. B. in meiner Mittagspause ein Spiel spielte, sah er mir über die Schulter und fragte: „Macht das Spaß?“ Und ich sagte dann so etwas wie: „Na ja, geht so.“
Das ist aber keine Antwort. Das kann gut oder schlecht sein! (lacht)
„Geht so“ heißt eigentlich, dass es eine Menge darüber zu sagen gibt, aber ich sagte eben einfach nur: „Es geht so.“ (lacht)
(lacht)
Man wusste ja nie, wann er einen fragen würde, man musste also selbst schon mal möglichst genau analysieren, welche Elemente wirklich Spaß machten.
Stimmt. Selbst wenn ich in der Mittagspause spielte, bestand da ein gewisser Druck.
Mr. Miyamoto wollte Sie zum Nachdenken bringen.
Den Eindruck habe ich, ja.
Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob er mit seiner Frage „Macht das Spaß?“ ein bestimmtes Ziel verfolgte. Ich glaube, er war einfach nur neugierig. (lacht)
(lachen)
Mr. Miyamoto gibt einfach keine Ruhe, bevor er nicht herausgefunden hat, warum etwas interessant ist. Was sagt er denn so, wenn man ein Spiel mit ihm entwickelt?
Er hat immer darauf Wert gelegt, dass die Spielelemente in der richtigen Reihenfolge auftauchen. Wenn es z. B. diverse Landformen und Gegner gibt, zeigt man diese nicht alle gleichzeitig, sondern führt sie peu à peu der Reihe nach ein.
Wenn man das macht, hat man immer den Eindruck, das schon einmal gesehen zu haben und daher zu wissen, wie etwas sich bewegt, selbst wenn zahlreiche Elemente kombiniert werden.
Genau. Erst gibt es ein Basisobjekt, dann ein weiterentwickeltes Objekt und dann ein weiterentwickeltes kombiniertes Objekt. Mr. Miyamoto hat oft gesagt: „Verwenden Sie ein Element dreimal.“ Man muss dasselbe Bonbon dreimal schmackhaft machen.
Jetzt wo Sie das sagen, kann ich mich an einige Level aus „Super Mario“ erinnern, bei denen man denkt: „ Ach so läuft das. “ Damals war Mr. Miyamoto sehr viel stärker an der Entwicklung beteiligt als heutzutage; wenn man mit ihm an etwas arbeitete, konnte man sehr viel von ihm lernen.
Stimmt. Er hat einige Level mit uns gezeichnet.
Und während wir gemeinsam Level zeichneten, machte er uns auf alle möglichen Details aufmerksam. „Dieser Koopa sollte sich einen Block weiter vorne befinden“. Aber ganz egal, ob zwei oder drei Blocks zwischen den Koopas lagen – es waren trotzdem zwei sichtbar, daher war uns nicht klar, was das für einen Unterschied machen sollte. Aber er sagte dann etwa: „Meinen Sie nicht, es wäre besser, sie ein bisschen enger zusammenzurücken?“ Er war immer sehr direkt und ehrlich, was die kleinen Details anging. Das ist übrigens immer noch so. (lacht)
Er ändert sich nie. (lacht)
Er ist sehr eigen, was erste Eindrücke angeht. Und wenn man die von ihm vorgeschlagene Änderung dann vornimmt, lässt es sich tatsächlich viel besser spielen. Das habe ich wieder und wieder erlebt.
Aber wie schon gesagt – wenn man morgens sagte: „Verschiebt diesen Block nach da“, dann bekam man das erst abends, also nur einmal am Tag in Aktion zu sehen.
Damals konnte man Leveldaten nur mithilfe eines Programmierers aktualisieren.
Selbst wenn man sich wirklich ins Zeug legte, konnte man die Sachen nur zweimal am Tag ausprobieren – morgens und am Nachmittag. Und zum Ende der Entwicklung hin hatte man dann irgendwann keine Lust mehr und dachte sich: „Ist das denn so nicht gut genug?“
Aber ein gewisser Jemand macht keine Anstalten, nachzugeben, und beharrt selbst auf den kleinsten Kleinigkeiten. (lacht)
Genau! (lacht)
Ja, ja: „Hier sollten nicht zwei Blöcke offen sein!“ (lacht)
Und: „Wir ändern das – wir machen es wieder so, wie es vorher war!“ (lacht)
Er war wirklich so penibel! Er denkt gar nicht an die ganze Arbeit, die bei all den Korrekturen anfällt. Wenn das Spiel dadurch nur das kleinste bisschen besser wurde, zögerte Mr. Miyamoto keine Sekunde, Änderungen vorzunehmen.
Stimmt. Ich erinnere mich da auch an so einige Gelegenheiten! (lacht) Als wir beispielsweise an „Mario 3“ arbeiteten, habe ich viele Spezifikationen für Gegner erstellt. Probleme hatte ich dabei mit einem kleinen Gumba, dem sogenannten Mikro-Gumba. Mikro-Gumbas regneten herab, blieben an Mario kleben und verringerten sein Tempo. Aber als wir uns das ansahen, stimmte einfach irgendetwas nicht.
Sie konnten selbst sehen, dass irgendetwas aus dem Gleichgewicht war.
Ja. (lacht) Ich gestaltete den Teil des Spiels ausgehend von Spezifikationen, nach denen Mario schwerfällig wurde und nicht mehr richtig springen konnte, weil lauter Mikro-Gumbas an ihm klebten. Also habe ich sein Gewicht erhöht und seine Geschwindigkeit halbiert, wodurch seine Bewegungen schwerfällig wurden. Ich zeigte das Mr. Miyamoto, aber ich wusste ja selber, dass etwas nicht stimmte und erwartete daher auch kein „Oh, super!“ von ihm. Und wie erwartet sagte er: „Nein, so nicht“, und lehnte es ab.
Mr. Miyamoto kann recht abweisend sein, wenn ihm etwas nicht gefällt. (lacht)
Stimmt. (lacht) Also habe ich alle möglichen Änderungen vorgenommen und ließ es ihn noch einmal probieren, aber er lehnte es wieder ab.
Noch ein „Nein, so nicht“? (lacht)
Ja. (lacht) Am Ende sagte Mr. Miyamoto schließlich: „So wird das wohl einfach keinen Spaß machen, egal wie sehr wir uns anstrengen.“ Und dann hatte er eine neue Idee: Anstatt Mario schwerer zu machen, sollten wir einen unsichtbaren Block über seinem Kopf platzieren.
Damit er nur bis zu einer bestimmten Höhe springen konnte?
Genau. Er konnte springen, stieß dann aber an ein Hindernis. So musste ich Marios Tempo nicht ändern. Es war eine ganz einfache Lösung, und als ich diese so umsetzte wie er es vorgeschlagen hatte , war das Ganze super. (lacht)
Und hat Sie das nicht frustriert? (lacht)
Doch. Total. (lacht) Ich wusste, dass das keine logische Lösung war, und wenn ich danach mal wieder auf Granit biss, fand er oft erneut einen ganz anderen Ansatz. Aber wenn ich daran denke, ärgert mich das selbst heute noch! (lacht)
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