1. Vom Lösen mehrerer Probleme durch Luftblasen

Iwata:

Es ist schon eine Weile her, dass „New Super Mario Bros. Wii“ veröffentlicht wurde. Dieses Mal möchte ich mich nicht über die Herausforderungen und Hintergründe der Entwicklung auslassen, sondern stattdessen fragen, welches Feedback Sie von unseren Kunden erhalten haben. Zunächst möchte ich Sie aber bitten, sich selbst vorzustellen und zu erzählen, an welchen Aspekten von „New Super Mario Bros. Wii“ Sie gearbeitet haben.

Asuke:

Okay. Mein Name ist Asuke aus der Entertainment Analysis and Development Division (EAD); ich habe Regie geführt. Wir wollten ein Mario-Spiel für jedermann erschaffen, daher haben wir auf ein Spiel abgezielt, das sowohl echte Videospiel-Cracks als auch weniger erfahrene Spieler zusammen spielen können.

Iwata Asks
Ikkaku:

Ich bin Ikkaku aus der EAD. Bei „New Super Mario Bros. Wii“ war ich verantwortlich für den Grafikaufbau – Mapping und Leveldesign – und die Anpassung des Schwierigkeitsgrads.

Iwata Asks
Mukao:

Mein Name ist Mukao, ich bin ebenfalls in der EAD. Dieses Mal war ich zuständig für das Zusammensetzen der Landschafts- und Hintergrundgrafiken. Ich habe versucht, Grafiken zu erstellen, die das Gameplay unserer Kunden erleichtern und ihre Erwartungen nicht enttäuschen würden.

Iwata Asks
Iwata:

Wenn man den Erwartungen gerecht werden will, steht man in der Regel stark unter Druck. Das ist einer der schwierigeren Aspekte, wenn man an einem Projekt mit langer Tradition arbeitet.

Mukao:

Ja. Ich glaube, viele Designer haben mit dem Druck gekämpft, der entsteht, wenn man aus so langer Tradition etwas Neues erschaffen will. Wir haben viele Leute um Rat gefragt und sehr viel Hilfe erhalten.

Uchida:

Ich heiße Uchida und gehöre zur EAD. Ich war verantwortlich für die Audioprogrammierung und das Erstellen der Geräuscheffekte. Auch ich musste diesmal mit einem gewissen Druck, oder sagen wir mit dem Gewicht der Tradition, kämpfen. (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Ich glaube, wir gleiten hier automatisch in eine Diskussion über die Schwierigkeiten der Entwicklung ab! (lacht)

Uchida:

Oh, tut mir leid. (lacht)

Iwata:

Na gut. Also, wenn Sie von den Leuten in Ihrer Umgebung irgendetwas über das Spiel gehört haben, das Eindruck auf Sie gemacht hat, dann immer heraus damit!

Asuke:

Dann fange ich mal an. Ich habe dieses Mal etwas erlebt, was mich sehr überrascht hat; daher würde ich Ihnen das gerne erzählen.

Iwata:

Nur zu.

Asuke:

Ich war kurz nach Neujahr mit dem Zug unterwegs und habe dort das Gespräch zweier junger Frauen Anfang zwanzig mitbekommen, die sich über Videospiele unterhielten.

Iwata:

Das allein ist ja schon überraschend genug! (lacht)

Asuke:

Stimmt. Es waren jede Menge Leute in der Nähe, aber diese beiden Frauen haben sich richtig angeregt unterhalten. Nachdem ich eine Weile zugehört hatte, merkte ich, dass sie über „New Super Mario Bros. Wii“ sprachen!

Iwata:

Und Sie hätten sicher am liebsten gerufen: „Dieses Spiel habe ich gemacht!“ (lacht)

Asuke:

Der Zug war brechend voll, also musste ich mir das verkneifen. (lacht) Beim Zuhören bekam ich den Eindruck, dass eine der beiden Frauen täglich mit ihrem Mann spielte. Die andere machte den Eindruck, als spiele sie eigentlich so gut wie nie Videospiele.

Iwata:

Wie kommen Sie darauf?

Asuke:

Weil das andere Mädchen ganz entgeistert sagte: „Du hast Videospiele gespielt?!“

Iwata:

Alles klar. (lacht)

Asuke:

Sie hatte in der Vergangenheit nicht viele Spiele gespielt, hatte aber im neuen Jahr damit angefangen, nachdem ihr kleiner Bruder sie gebeten hatte, mit ihm „New Super Mario Bros. Wii“ zu spielen. Sie sagte, dass sie ihrem Bruder dabei ständig im Weg und ihr Charakter daher immer in einer

Video: Luftblase

Es ist schon eine Weile her, dass „New Super Mario Bros. Wii“ veröffentlicht wurde.
Luftblase gefangen war, und ihr Bruder ihr dann weiterhelfen musste.

Iwata:

Das ist doch die ideale Vorgehensweise, wenn ein guter und ein weniger guter Spieler zusammenspielen.

Asuke:

Ja. Aber es gefiel ihr gar nicht, dass sie sich immer auf ihren Bruder verlassen musste. Daher hatte sie sich eine eigene Datei angelegt und angefangen, auch alleine zu spielen. Ich dachte dann, dass es ihr wahrscheinlich schwerfallen würde, sich alleine durch das Spiel zu kämpfen, da sie ja keine große Erfahrung mit Spielen hatte. Aber sie erzählte, dass sie es bis zu Welt 3 geschafft hatte.

Iwata:

Wow, nicht schlecht. Die schwierigeren Stellen von „New Super Mario Bros. Wii“ sind schon von Welt 1 an recht anspruchsvoll. Ich habe schon oft Bemerkungen gehört wie: „Warum ist das direkt am Anfang so schwierig?!“

Asuke:

Genau. Die Herausforderung ist ja der eigentliche Kick beim Jump'n'Run.

Iwata:

Aber sie hat es bis zu Welt 3 geschafft.

Asuke:

Ja. Als sie das hörte, reagierte die andere Frau, die regelmäßig mit ihrem Mann spielt, sehr überrascht und sagte: „Wow, du wirst ja richtig gut!“ Und als ich das hörte, musste ich lächeln. (lacht)

Iwata:

In einem überfüllten Zug? (lacht) Das muss für die Umstehenden ja ein wenig seltsam ausgesehen haben.

Asuke:

Ja. (lacht) Ich habe sogar triumphierend die Faust geballt!

Iwata:

Sie waren so begeistert, dass Sie in einem vollen Zug eine Siegergeste gemacht haben? Aber da Sie es eben schon erwähnt haben, frage ich jetzt mal – wie kam es zu diesem Luftblasensystem?

Iwata Asks
Asuke:

Während der Entwicklung haben wir mit einem 4-Spieler-Modus experimentiert. Manchmal habe ich es dabei vermasselt und bin in ein Loch gefallen. Dann war ich der Einzige, der nicht weiterspielen konnte. Wann immer das geschah, dachte ich: „Mann, ich will zurück ins Spiel!“

Iwata:

Alle anderen haben gespielt und hatten Spaß, aber Sie blieben hängen und mussten Däumchen drehen.

Asuke:

Ja, genau. Also habe ich darüber nachgedacht, ob es nicht eine gute Möglichkeit für Spieler gäbe, schnell wieder ins Spiel zurückzugelangen. Aber wenn man es verbockt, muss es natürlich irgendeine Strafe geben, auch wenn man sofort wieder ins Spiel darf. Wir fanden es eine gute Strafe, wenn man in einer Luftblase zurückkäme und erst weiterspielen könnte, wenn jemand diese Blase zersticht.

Iwata:

Ah so. Und Spielern wird auf diese Weise mitgeteilt: „Wenn du rauskommst, vermasselst du es ja doch gleich wieder“. Das Ganze hat also zwei Aspekte.

Asuke:

Genau. Wenn ein schwächerer Spieler an einer schwierigen Stelle zurückkommt, würde er vermutlich gleich wieder Probleme kriegen. Jetzt sitzt man also in einer Luftblase, bis jemand einen an einen sicheren Ort bringt und „herauspiekst“. Später kam uns dann noch die Idee, dass man auch von sich aus jederzeit in eine Luftblase schlüpfen könnte. Dafür gibt es ebenfalls eine Strafe, genau wie wenn man es vermasselt. Aber ein anderer, guter Spieler kann einen weiter durch das Spiel ziehen. Und es zeigte sich mal wieder, dass Mr. Miyamoto mit seiner Definition von wahren Ideen genau richtig liegt.

Iwata:

Eine Idee ist „etwas, das mehrere Probleme auf einmal löst.“1 1Das Gespräch, bei dem die „Definition einer Idee“ vorgebracht wurde, fand zwischen Mr. Iwata und Texter Shigesato Itoi statt; Sie finden dieses hier auf einer externen Webseite in englischer bzw. japanischer Sprache.

Asuke:

Richtig. Und genau das ist geschehen.

Iwata:

Ich finde, die Idee mit den Luftblasen ist ein Beispiel für gutes Spieledesign.

Asuke:

Bevor wir auf die Luftblasen kamen, wollten wir die Charaktere aber aus Fragezeichen-Blöcken entsteigen lassen. (Anm. d. Redaktion: Fragezeichen-Blöcke oder ?-Blöcke sind Blöcke, die mit einem Fragezeichen versehen sind; wenn Mario auf diese schlägt, wird ein Item freigegeben.)

Iwata:

Sie meinen, so wie Pilze aus Blöcken herauskommen, wären die Spieler aus diesen hervorgesprungen.

Asuke:

Ja, genau. Wenn man es versiebt hatte, wurde man in einen Block gesperrt. Und wenn ein anderer Spieler draufschlug, kam man wieder heraus und konnte wieder mitspielen. Das war auch sehr lustig. Aber als wir mit der Entwicklung verschiedener Arenen fortfuhren, befanden sich in manchen dieser Arenen sehr viele Fragezeichen-Blöcke, in anderen dagegen so gut wie keine. Aber die Möglichkeit der Spieler, möglichst bald wieder zurück ins Spiel zu gelangen, sollte ja nicht durch die jeweilige Arena beeinflusst werden.

Iwata:

Ob man in einer Luftblase steckt oder darauf wartet, dass endlich ein Fragezeichen-Block erscheint, ist wohl auch für den Spieler eine ganz andere Erfahrung.

Asuke:

In der Tat, völlig anders. Wenn Sie in einer Luftblase stecken, kann jeder Sie sehen. Das ist, als würden Sie rufen: „Los, Beeilung, holt mich hier raus! Hilfe!“ Aber wenn man irgendwo in einem Fragezeichen-Block feststeckt, hat man eben das Gefühl, ...dass man in einem Block feststeckt. (lacht)

Iwata:

Das können Sie doch nicht sicher wissen.

Ikkaku:

Und was, wenn Sie dann draufschlagen und nur eine Münze erhalten?

Asuke:

Deprimierend, oder? (lacht)

Ikkaku:

Allerdings. Da würden beide Spieler ziemlich dumm aus der Wäsche gucken. (lacht)

Iwata:

Für das Überraschungsmoment wäre es also nett gewesen, aus einem Fragezeichen-Block herauszuspringen, aber vom Design-Standpunkt aus wäre es nicht so geschickt, sowohl den Helfer als auch den Hilfebedürftigen zu frustrieren.

Asuke:

Ja, stimmt genau.