3. ''Letztendlich braucht man Mumm''

Iwata:

Bei der drahtlosen Datenübertragung hat man es ja mit unsichtbaren Funkwellen zu tun, ich nehme also mal an, dass Sie jede Menge unvorhergesehene Probleme hatten. Mr. Mae, wie haben Sie es im Lauf der Entwicklung denn geschafft, die Drahtlosübertragung zu stabilisieren?

Mae:

Das größte Problem bei drahtlosen Daten ist das Übertragen von CG-Bildern (Computer-Grafik) nach der Kompression. CG unterscheidet sich komplett von natürlichen Bildern, und um die Darstellungen nach der Komprimierung und Dekomprimierung in vernünftiger Qualität anzeigen zu können, brauchten wir eine viel höhere Bit-Rate18, als wir ursprünglich angenommen hatten. 18 Damit ist die Menge an Daten gemeint, die pro Sekunde gesendet und empfangen werden können. Im Normalfall bedeutet eine höhere Bit-Rate auch eine bessere Bild- und Ton-Qualität, aber bei größerem Datenvolumen. Andersherum wird das Datenvolumen bei geringerer Bit-Rate niedriger, aber dafür nimmt auch die Bild- und Ton-Qualität ab.

Iwata Asks
Iwata:

Normalerweise betrachtet man die Technologie zur Komprimierung und Dekomprimierung von Bildinhalten unter dem Gesichtspunkt, wie man natürliche Bilder komprimieren kann. Um genau zu sein, geht es darum, wie das menschliche Auge die Welt wahrnimmt. Das menschliche Auge reagiert z. B. sehr stark auf bestimmte Dinge, aber auf andere nicht so sehr. Daher kann man manche Sachen tun, ohne dass sich die Bildqualität zu verringern scheint. Das funktioniert aber leider nur bei natürlichen Bildinhalten, bei CG geht es mit dieser Technologie nicht.

Yamashita:

Richtig. Die frühen CG-Darstellungen, die wir drahtlos übertragen haben, waren ziemlich primitiv - Bilder in Primärfarben ohne Schattierungen oder Zwischenstufen. Aber sie waren schon recht detailliert und relativ schwierig zu komprimieren.

Iwamoto:

Dabei hat sich die Größe der Objekte im gleichen Verhältnis verändert, so dass sich die Bildpunkte auf komplexe Art bewegt haben und schwierig zu verfolgen waren.

Iwata:

Bei der Video-Komprimierung wird normalerweise ein vorhergehendes Bild mit dem darauf folgenden Bild verglichen, um zu erfassen, wie sich die Objekte bewegt haben, und die Bilder auf dieser Basis zu komprimieren. Aber wenn die Bewegung der Objekte nicht vorhersehbar ist, funktioniert die Komprimierung nicht.

Yamashita:

Ich glaube, wir haben es beim zweiten Beispielbild gemerkt. Zuerst war es nur das Bild eines Würfels, das sich bewegt hat, und da lief alles noch ganz gut, aber das nächste Beispielbild stellte ein Gitternetz dar, das sich vergrößert und schnell dem Betrachter genähert hat.

Iwata:

Ein bewegtes Gitternetz! Das schlimmste Bild, das man sich bei der Videokomprimierungstechnologie vorstellen kann!

Yamashita:

Und genau deswegen habe ich mir ehrlich gesagt auch Sorgen gemacht! (lacht)

Iwata:

In der Welt der Videokomprimierungstechnologie gibt es bestimmte Videoinhalte, die sich ideal komprimieren lassen, und solche, die sich dafür nicht gut eignen. Sie hatten dabei also gleich am Anfang eine der schwierigsten Aufgaben vor sich und dachten: „Oh nein! Das ist ja eine Katastrophe!”

Yamashita:

Ja. Das war so ungefähr kurz vor der E319 im letzten Jahr (2011). Wir haben eine Notfallsitzung mit Mr. Ito und Mr. Mae einberufen und sagten: „Was sollen wir bloß machen?!" Aber im Endeffekt war es bestimmt gut, dass wir in der Situation gleich so ein schwieriges Video vor uns hatten. 19 Eine Videospiele-Messe, die normalerweise in Los Angeles stattfindet.

Iwata:

Dann haben Sie ungefähr ein Jahr an der Feinabstimmung gearbeitet.

Iwamoto:

Ja. Wir waren die ganze Zeit darauf konzentriert. Aber es haben sich danach auch kaum noch ähnliche Probleme ergeben, deshalb benutzen wir dieses Video auch noch immer als Testmaterial.

Yamashita:

Mit keinem Video war es schwieriger ... zumindest bisher. Deshalb war es auch gut, dass wir so früh darauf gestoßen sind. Für mich war es eine große Sache, als wir kurz vor der E3 im letzten Jahr unter Hochdruck an der Videoqualität gearbeitet haben, um die Wii U bei der Präsentation überhaupt vorführen zu können.

Iwata:

Es war harte Arbeit, aber die Präsentation bei der E3 war eine gute Sache.

Yamashita:

Ja. Mr. Mae war zu dieser Zeit in Amerika, und zweimal am Tag - einmal spät nachts und einmal früh am Morgen - haben wir Telefonkonferenzen abgehalten, um zu überlegen, wie wir die Bit-Rate erhöhen und die Bild-Qualität verbessern könnten.

Mae:

Ja. An diese drei Wochen kann ich mich noch sehr gut erinnern! (lacht)

Yamashita:

Ich mich auch! (lacht) Als wir Software auf dem Wii U GamePad ausgeführt haben, kam es zu anderen Problemen als bei der Darstellung der CG-Beispiele. Wenn wir die Bilder, die für den Fernseher bestimmt waren, auf dem LCD-Bildschirm des Wii U GamePads angezeigt haben, gab es beim Auf- und Abblenden viel Bildrauschen durch die Komprimierungstechnologie. Deshalb mussten Mr. Ito und ich auf der E3 ständig zwischen den Entwicklerteams hin und her rennen, die an Präsentationstiteln gearbeitet haben.

Ito:

Wir mussten bei allen vorbeischaun, um uns das Bildrauschen mit eigenen Augen anzusehen.

Yamashita:

Bei manchen Spielen gab es weniger Bildrauschen, als ich erwartet hatte, aber dann trat es völlig überraschend bei anderen Szenen auf, wo wir dachten: „Kann das sein? Bei so einer Szene gibt es auf einmal Schwierigkeiten?!”

Ito:

Bei CG-Grafik liegt man mit den menschlichen Erwartungen oft daneben. Manchmal bemerkt man das Bildrauschen nicht mehr, wenn man die Geschwindigkeit der Auf- oder Abblende verändert. Es war eine echte Herausforderung, die notwendigen Anpassungen zu machen.

Yamashita:

Zum Beispiel Videos mit vielen kleinen Figuren wie bei "Pikmin"20 waren überraschend unproblematisch. 20 Das erste Spiel der "Pikmin"-Reihe; es wurde in Japan im Oktober 2001 veröffentlicht. "Pikmin 3" soll planmäßig gleichzeitig mit der Wii U-Konsole im Jahr 2013 erscheinen.

Mae:

Und auf der anderen Seite war es eine große Überraschung, wie viel Bildrauschen auftrat, wenn in "Super Mario" die Münzen hervorsprudelten.

Iwamoto:

Ja. Das hatte ich so nicht erwartet. Deswegen dachte ich: „Oh, in solchen Situationen kommt es also zu Problemen ..." Das war alles etwas anders, als wir es auf Grundlage des Kompressionsalgorithmus angenommen hatten.

Iwata Asks
Iwata:

Es ist wirklich schwierig, sich schnell auf einem Weg fortzubewegen, den noch nie zuvor jemand gegangen ist. Bei der Drahtloskommunikation war die Zusammenarbeit mit Ihren Entwicklungspartnern auch eher ungewöhnlich, oder?

Mae:

Ja. Wir haben zusammen mit Broadcom21 entwickelt, einem der weltweit führenden Anbieter von Drahtlos-Chips, und David Tran von NTD war auch beteiligt. Wenn man aus entfernten Ländern - wie Japan und den USA - gemeinsam an einer Entwicklung arbeitet, muss man Informationen zügig austauschen und bestimmte Aufgaben teilen, also haben wir häufig Telefonkonferenzen abgehalten, um uns mit allen Bereichen zu beschäftigen. 21 Eine Firma, die Halbleiterprodukte für die Drahtlos- und Breitband-Kommunikation herstellt und vertreibt. Ihr Hauptsitz ist in Kalifornien.

Iwata:

Es ging ja nicht um typische Drahtlostechnologie, aber ich denke, Broadcom hat uns in vielen Bereichen wirklich geholfen. Wie haben Sie alle Herausforderungen überwunden?

Mae:

Also, es gab Dinge, die wir durch die Nutzung der neuesten Technologien und Möglichkeiten erreichen konnten, die nur Broadcom zur Verfügung stellen konnte. Und es war schließlich auch eine Firma, die Mr. Takeda ausgewählt hatte. Sie haben hart mit uns zusammengearbeitet, bis wir unser Ziel erreicht haben.

Iwata:

Ja, Mr. Takedas Partnerauswahl ist äußerst interessant. Er sagt immer: „Wir brauchen Leute mit Mumm!" Die zu bewältigenden Aufgaben sind alle sehr wissenschaftlich, und an Mumm denkt man in so einem Zusammenhang eigentlich nicht! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata:

Aber er sagt trotzdem: „Letztendlich kommt es auf den Mumm an!" Und meistens stimmt es dann auch.

Mae:

Ja, das ist schon sehr wichtig. In Situationen wie z. B. dem Endspurt für wichtige Korrekturen vor der E3, müssen auch Leute mit der Willenskraft und Ausdauer, die man braucht, um das Ganze durchzuziehen, in den heftigsten Phasen wirklich unwahrscheinliche Kräfte aufbringen.

Iwata:

Wenn sich solche Leute etwas in den Kopf setzen, können sie auf einmal etwas erreichen, das bis dahin noch als unmöglich galt.

Mae:

Ja. Ich denke, dass wir das Drahtlossystem in dieser Form erreichen konnten, weil wir solche Unterstützung hatten!