3. Angefangene Jobs

Iwata:

Mr. Hino, Sie müssen ja während Ihrer normalen Arbeit auch noch die Richtung für die Firma vorgeben. Andererseits ist Ihr Team bestimmt auch damit beschäftigt, Ihre Arbeit zu ergänzen und Sie auf Dinge aufmerksam zu machen, die Ihnen selber nicht aufgefallen sind. Was entscheiden Sie alleine, und was besprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern, bevor Sie eine Entscheidung treffen?

Hino:

Ah ... das wollte ich Sie auch schon immer fragen, Mr. Iwata. (lacht)

Iwata:

(lacht)

Hino:

Also ... Ich persönlich habe das Gefühl, dass ich die ersten fünf Jahre nach der Gründung von LEVEL-5 kaum jemanden nach einer Meinung gefragt habe. Eigentlich ist es auch heute bei LEVEL-5 noch so, dass ich kaum Aufgaben an andere Leute abgebe.

Iwata:

Aber Sie sind doch sicher an die Grenzen dessen gekommen, was Sie alleine bewältigen können, oder?

Hino:

Ja, natürlich. Ich kann ja nicht alles übernehmen, und bin meistens mehr als ausgelastet. Manchmal möchte ich eine bestimmte Art von Spiel umsetzen und wähle die Richtung aus, in die das Marketing gehen soll, aber für die Durchführung brauche ich das professionelle Wissen von allen möglichen Leuten. Sie haben alle ihren eigenen Erfahrungsschatz und sind glücklicherweise bereit, ihren Teil dazu beizutragen, dass wir gemäß meiner Vorstellung das maximale Ergebnis erreichen. Ich muss sie nicht ausdrücklich dazu auffordern, das hat sich einfach im Lauf der Zeit so eingespielt.

Iwata:

Wie kam es Ihrer Meinung nach zu dieser Rollenverteilung?

Hino:

Ich glaube, das ist wirklich ein Sonderfall. Normalerweise sagt jemand: "Diesen Teil überlasse ich Ihnen", und so werden die Aufgaben verteilt, aber bei LEVEL-5 läuft das nicht so. Bei uns ist es meistens so, dass ich alles Mögliche mache und irgendwann an den Punkt komme, dass ich es nicht mehr alleine geschafft kriege. Und dann sagt ein Mitarbeiter: "Okay, ich übernehme diesen Teil" und kümmert sich um den Job, den ich angefangen habe. Zuerst war es so, dass meine Mitarbeiter mich damit unterstützen und für Ordnung sorgen wollten, aber nach einiger Zeit hat sich so die Rollenverteilung innerhalb der Firma ergeben, und daraus sind dann richtige Abteilungen geworden.

Iwata Asks
Iwata:

Ach so, das ist ja interessant. Ich denke, viele Leute werden sich fragen, wie Sie es schaffen, so viele Dinge in so kurzer Zeit umzusetzen; die Dinge, die Sie tun wollen, die Sie tun können und die Sie tun müssen. Ein Teil des Managements ist es ja, das richtige Gleichgewicht zwischen diesen Dingen zu finden, und es wirkt auf mich so, als ob Sie in Ihrem Leben den Dingen treu bleiben, die Sie wirklich machen möchten.

Hino:

Das stimmt.

Iwata:

Natürlich gibt es Grenzen, weil man einfach nicht alles alleine machen kann, und so entgleiten einem manche Dinge zwangsläufig. Aber die anderen Teammitglieder stehen hinter Ihnen und übernehmen die Aufgaben, die Sie loslassen mussten, und haben sogar noch Spaß daran. Vielleicht liegt das daran, dass Sie viele Leute um sich haben, die das Gefühl haben: "Mr. Hino bringt uns auf eine Stufe, die wir alleine nicht erreicht hätten."

Hino:

Das könnte sein.

Iwata:

Selbst wenn ein Berg von Aufgaben auf dem Tisch liegt, übernehmen alle verschiedene Dinge, sogar ohne dazu aufgefordert zu werden, und im Handumdrehen ist der Berg verschwunden. Aus der Sicht einer Organisation ist das natürlich eine Idealvorstellung. Das ist in der Realität aber schwierig zu erreichen, daher bilden wir Gruppen und verteilen die Rollen. In Ihrem Fall können Sie die Rollen aber nicht im Vorfeld vergeben. Bei Ihnen denken einfach alle darüber nach, was sie dazu beitragen können, die gesamte Organisation an den Punkt zu bringen, den Sie erreichen möchten, Mr. Hino.

Hino:

Ja, bei uns denkt jeder ganz selbstverständlich für sich mit.

Iwata:

Das ist wirklich ein ziemlicher Sonderfall eines organisatorischen Entwicklungsprozesses, denke ich.

Hino:

Am Anfang habe ich mich auch um das Marketing gekümmert. Aber wir haben immer mehr PR-Aufgaben bekommen, deshalb hat sich dann immer jemand angeboten, um die Jobs zu übernehmen. Dabei konnten sie sich dann an den Grundlagen orientieren, die ich schon erarbeitet hatte. Daraus wurde eine regelmäßige Arbeitsaufteilung, und was zuerst auf individueller Ebene stattfand, wurde bald zu einem Organisationsstil. Genau so habe ich das empfunden.

Iwata:

Wenn Organisationen künstlich unterteilt werden, wird es für die einzelnen Abteilungen einfacher, problematische Anteile den anderen Gruppen zuzuschreiben oder sich nur um die eigene Abteilung zu kümmern. Das nennt man auch das 'Big Company'-Syndrom. Aber was Sie mir gerade erzählt haben, ist das genaue Gegenteil dieses 'Big Company'-Syndroms: Das höchste Ziel ist es, die Dinge umzusetzen, die man erreichen möchte, sie zu veröffentlichen, und in der Außenwelt damit Anklang zu finden. Damit das möglich ist, müssen alle Aufgaben abgearbeitet werden, die auf dem Tisch liegen, und das scheint auch der gemeinsame Gedanke aller Teammitglieder bei Ihnen zu sein.

Iwata Asks
Hino:

Das ist wohl richtig.

Iwata:

Ein anderer wichtiger Faktor ist, dass man den Mitarbeitern gegenüber dankbar ist und auch Respekt zeigt. Die Organisation bricht nicht auseinander, obwohl Sie so genaue Vorstellungen von Ihren Zielen haben und sie so kompromisslos anstreben, und das Geheimnis dabei ist wohl, dass Ihre Wertschätzung und Ihr Respekt bei den Leuten ankommt, die Ihre Aufgaben übernehmen und Ihnen dabei helfen, sie abzuschließen. Ich denke, so ein Verhältnis wird erst möglich, wenn die Mitarbeiter merken: "Mr. Hino schätzt unseren Beitrag wirklich sehr."

Hino:

Da haben Sie Recht. Ich bin sehr dankbar, aber ob das auch wirklich so ankommt ...? Ich bin mir da nicht sicher. (lacht) Aber wenn ich zurückschaue, habe ich bei LEVEL-5 als Firma wirklich ein Gefühl der Ermächtigung; als ob wir die Fähigkeit hätten, Dinge zu erreichen, die andere Firmen nicht schaffen können.

Iwata:

Ich denke, den Mitarbeitern in Ihrer Firma ist die Individualität bei der Umsetzung der Projekte sehr wichtig; von der schieren Geschwindigkeit der Entwicklung bis zur Spielerzufriedenheit beim fertiggestellten Produkt. Bei der "Professor Layton"-Reihe muss es z. B. eine große Herausforderung gewesen sein, die Qualität der einzelnen Spiele bei dieser schnellen Veröffentlichungsfrequenz beständig zu halten. Und während der Veröffentlichung dieser Spielreihe, haben Sie ja auch noch an anderen Titeln gearbeitet.

Hino:

Das stimmt. Mein Ziel ist in erster Linie, die Spielindustrie zu beleben, und ich möchte jedes Jahr eine neue Spielreihe entwickeln. Im Jahr nach der Entwicklung von "Professor Layton und das geheimnisvolle Dorf" haben wir an der " Inazuma Eleven"-Reihe17 gearbeitet, und danach kamen "Ni no Kuni"18 und "The Little Battlers"19. Ich habe aber das Gefühl, dass die Spielewelt wirklich am Ende sein würde, wenn wir aufhören, auf diese Art neue Spiele zu veröffentlichen. Wir arbeiten als Kür natürlich immer an neuen Spielen, aber da wir uns als Firma stabilisieren müssen, entwickeln wir eben auch Spielreihen. 17Die "Inazuma Eleven"-Reihe: Ein Fußball-Rollenspiel mit Sammel- und Trainings-Elementen. Das erste Spiel erschien im August 2008 in Japan für den Nintendo DS. Mittlerweile sind drei Spiele in dieser Reihe erschienen. (Das erste Spiel ist auch in Deutschland erhältlich.)18Ni no Kuni: Ein Rollenspiel für das Nintendo DS-System, das im Dezember 2010 in Japan veröffentlicht wurde. (Bisher nicht in Deutschland erschienen)19The Little Battlers: Ein Rollenspiel, das im März 2011 erscheinen soll. (Bisher wurde die Veröffentlichung des Spiels in Deutschland nicht angekündigt.)

Iwata:

Weil Sie sich leichter neuen Herausforderungen stellen können, wenn Sie mit Ihren Spielreihen schon eine solide Grundlage haben.

Hino:

Richtig. Ich denke, wenn "Professor Layton und das geheimnisvolle Dorf" nicht so ein Erfolg gewesen wäre, wäre die "Inazuma Eleven"-Reihe wohl nie entstanden.