3. Was ist ''Tekken''?

Iwata:

Würden Sie beide bitte einmal „Tekken" mit eigenen Worten beschreiben?

Harada:

Wenn man das Wort Kampfspiel hört, denkt man zunächst an „ernsthaftes Taktieren". Aber was ich in über 15 Jahren des Spielens erlebt habe, ist eher mit „Aufregung" oder sogar „Jagdfieber" zu beschreiben. Mit „Tekken" wollte ich dieses Gefühl der Aufregung während des Angreifens in den Vordergrund stellen.

Iwata:

Aha, ich verstehe.

Harada:

Derjenige, der angegriffen wird, bekommt richtig Dresche. Sie scheinen große Schmerzen zu haben, werden weggepustet oder in Grund und Boden gestampft. Der Verlierer bleibt ziemlich frustriert zurück - aber genau das ist es, was die Aufregung ausmacht, bevor man einen Angriff startet. In anderen Ländern sagt man: „Tekken ist aggressiv" und genau diese Art von Kampfspiel ist „Tekken“ auch.

Iwata Asks
Ikeda:

Da stimme ich zu. Gründe dafür, warum Tekken mich so fesselt, sind zum einen die fließenden Bewegungen und die Aufregung, die sich so gut anfühlt. Es gibt da zum Beispiel einen Angriff, der „Phoenix Smasher" heißt. Wenn man von so einem erwischt wird, fühlt es sich unglaublich an. Wenn die Energieleiste voll aufgeladen ist, kann man diese auf die Hälfte schrumpfen lassen.

Iwata:

Mit einem einzigen Schlag?

Ikeda:

Ja. Ich glaube, es ist einfach ein Spiel, das sich gut anfühlt, egal, ob es nun um die Bewegungsmöglichkeiten oder die Energieleiste geht. In diesem Spiel steht die Begeisterung, wenn man einen Schlag vollführt, im Vordergrund.

Iwata:

Aber wenn man die Begeisterung eines Angriffs so in den Mittelpunkt stellt, muss man doch sicherlich mit vielen Gegensätzen kämpfen.

Harada:

Ja. Der Part, in dem die meisten Gegensätze zu bewältigen waren, sind die Regeln. Theoretisch ist es so, dass, wenn es am Ende einen Gewinner und einen Verlierer gibt, es auch Regeln geben muss. Und diese müssen auch noch logisch sein! Gleichzeitig ist aber die Strategie eines Kampfes in direkter Weise mit den animierten Ausdrücken, dem Zeitlimit und der Weise, auf die die Lebensstärke herab sinkt, verbunden. Völlig egal, wie cool ein Effekt ist, die Lebensstärke geht jedes Mal ein kleines bisschen herunter und niemals herauf. Der Stressfaktor steigt, wenn die Lebensstärke dramatisch herab sinkt. Das führt dazu, dass man die Taktik außer Acht lässt. Wir müssen hierbei also für eine ausgewogene Balance sorgen. Eine weitere Sache ist ... oh, ist es in Ordnung, wenn ich das sage?

Ikeda:

Natürlich. (lacht)

Harada:

Es gibt da diesen Angriff namens „Aerial Combo", bei dem man seinen Gegner in die Luft befördert und ihm eine Reihe von Schlägen verpasst. In Filmen, Animationen und Comic-Büchern wird dies oft als Höhepunkt verwendet. Es macht so viel Spaß und beeindruckt stets alle Zuschauer. Ich glaube, dass es keine andere Bewegung gibt, bei der alle dermaßen gefesselt sind. Aber wenn sich etwas für jemanden gut anfühlt, ist es für den Gegner ...

Iwata:

Es ist wirklich frustrierend.

Iwata Asks
Harada:

Das ist richtig. Man spielt das Spiel auf die gleiche Weise wie immer, aber es besteht jedes Mal die Möglichkeit, dass man die ganze Runde lang nur einstecken muss. Die Vorstellung, dass man für eine ganze Weile die Kontrolle verliert, ist in anderen Action-Spielen quasi undenkbar. Dies ist ein großer Gegensatz in einem Kampfspiel. Wir bekommen manchmal von Spielern auch die Rückmeldung, dass sie sagen: „Ich mag es nicht, weil ich jedes Mal durch die 'Aerial Combo' platt gemacht werde!"

Iwata:

Das Problem ist, dass es keine funktionierende Abwehr dafür gibt.

Harada:

Ja. Wenn wir aber weniger dieser Bewegungen oder Ereignisse eingebaut hätten, würden die Leute wiederum behaupten: „Es ist nicht mehr Tekken!" Es macht denjenigen Spaß, die angreifen, und denjenigen, die geschlagen werden, macht es eben nicht so viel Spaß. Man kann nun mal kein Gleichgewicht zwischen Gewinner und Verlierer herstellen, aber wir arbeiten Tag und Nacht an diesem großen emotionalen Gegensatz.

Ikeda:

Wir haben uns jedes Mal die Köpfe darüber zerbrochen, wie wir alles ins Gleichgewicht bringen können, und überlegt, wie viel Frustration der Verlierer verträgt, ohne seine Begeisterung zu verlieren.

Iwata:

Einerseits ist es ja so, dass jemand, der viel Erfahrung mit Kampfspielen mitbringt, automatisch einen großen Vorsprung vor jemandem hat, der noch nicht so viel gespielt hat. Als jemand, der schon lange an der Spitze der Entwicklung von realistischen und authentischen Videospielen gearbeitet hat, möchte ich Sie beide fragen, wie Sie damit umgehen, neuen Spielern den Zugang zum Spiel zu ermöglichen.

Harada:

Das ist eine schwere Frage und wir denken noch immer darüber nach. Es gibt zum Beispiel eine Schwierigkeitsgrad-Option. Die Wahrheit ist aber, dass die meisten Menschen diese nicht nutzen. Entweder, weil sie nicht im Rahmen von Fähigkeitsniveaus agieren wollen oder weil sie denken: „Ich bin doch kein Anfänger." Aber oftmals können diese nicht gewinnen und verlieren die Lust am Spiel.

Iwata:

Stimmt.

Harada:

Man kann auch eine Art Autopilot einstellen und die Taktik vereinfachen. Das funktioniert aber nicht besonders gut. Das Wichtigste ist aber, die Leute dazu zu bringen, üben zu wollen.

Iwata:

Wenn es jemand tiefer in die Handlung hinein schafft, als er dachte, und an dieser Stelle Spaß hat, engagiert er sich automatisch und schafft es immer weiter.

Harada:

Stimmt. Ich glaube, dass Anfänger und geübte Spieler das gleiche Interesse haben, ihre Strategie auszutesten. Ich kenne eine Geschichte, die dies verdeutlicht. Da war dieser Typ, der vom Spieler zu einem Teil der arbeitenden Gesellschaft wird. Er hatte eine Internetseite, auf der er aus Spielersicht über all diese Kampftheorien in „Tekken“ geschrieben hat. Ich war überrascht, wie rational er war und wie gut er die Dinge auf den Punkt gebracht hat. Also habe ich in dem Glauben, dass er wirklich gut sein müsse, gegen ihn gespielt ... aber er war ziemlich schlecht.

Alle:

(lachen)

Harada:

Seine Finger kamen mit der Schnelligkeit seiner Taktik nicht mit. Ich habe noch ein anderes Beispiel: Nur, weil jemand sich einen Boxkampf anschaut und herausfindet: „So sollten sie es machen", heißt das noch lange nicht, dass er selbst ein guter Boxer ist.

Iwata:

Es gibt also einen Unterschied zwischen Anfängern und geübten Spielern in der Tatsache, wie gut ihre Fingerkoordination ist, aber beide haben immer noch dieselbe Motivation, eine Strategie umzusetzen.

Harada:

Das ist richtig. Das haben wir zu einem wichtigen Punkt dieses neuen Spiels für den Nintendo 3DS gemacht. Man kann jetzt personalisierte Kommandos eingeben und speichern. Diese werden am unteren Bildschirmrand abgelegt, so dass man sie während des Spiels benutzen kann. Jeder kann an einer besonderen Stelle eine prägnante Bewegung ausführen. Es geht aber darum, dass man eine Bewegung zur richtigen Zeit auch zu Ende ausführt. Die meisten Spieler geraten in eine Art Panik, denken während einer Situation nicht daran und schaffen so zum Beispiel keine „Aerial Combo".

Iwata Asks
Iwata:

In dem Moment, in dem sie denken: „Das ist meine Chance", geraten sie in Panik.

Harada:

Sie kommen mit ihren Händen durcheinander und denken nur noch: „Oh nein!" Für diese Leute haben wir die Option geschaffen, die Kombinationen auf dem unteren Bildschirm zu speichern.

Iwata:

Also kann auch jemand, der noch nicht so ausgefeilte Fähigkeiten hat, eine „Aerial Combo" durchführen, indem er lediglich auf den Knopf auf dem unteren Bildschirm des Nintendo 3DS drückt, den er vorher programmiert hat. Diese Luftkombination versetzt ihn dann wieder in Euphorie.

Ikeda:

Stimmt. Und nicht nur das! Wenn man einmal einen Knopf programmiert hat und dann die L- und R-Knöpfe drückt, werden diese zu normalen Anweisungen. Hier ein Beispiel: Erst drückt man den ersten Knopf auf dem unteren Bildschirm, um einen „Floating Move" zu machen, dann den zweiten für einen „Pound Move", bei dem man seinen Gegner in den Boden stampft. Der dritte Knopf ist für die gehaltene Bewegung einer „Aerial Combo" programmiert. Wenn man mit dem Touchpen also 1, 2 und 3 drückt, wird die „Aerial Combo" ausgeführt.

Iwata:

Ich verstehe.

Ikeda:

Wenn man sich daran gewöhnt hat, kann man die Luftangriffe auch mit Hilfe der normalen Y-, X- und B-Knöpfe vollführen, während man den L-Knopf gedrückt hält.

Iwata:

Wenn ein Anfänger erst einmal verstanden hat, wie viel Spaß man als Fortgeschrittener haben kann, wendet er noch mehr Energie dafür auf, eines Tages auch alles allein zu schaffen.

Harada:

Das ist richtig. Schlussendlich sollten sie lernen, die Endangriffe allein zu vollführen. Denken Sie einmal ans Kochen. Jeder isst gerne leckeres Essen, aber niemand mahlt gleich am Anfang sein eigenes Mehl. Als Erstes braucht man alle Zutaten. Dann mischt man sie zusammen oder liest noch mal die Reihenfolge nach oder irgendwie so etwas. Dies haben wir versucht uns beim Erstellen des Spiels immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.