In diesem ersten Interview unterhalte ich mich mit Mr. Hino von LEVEL-51, der Firma, die an "Professor Layton and the Mask of Miracle" arbeitet. Dieses Spiel soll in Japan am selben Tag erscheinen wie das Nintendo 3DS-System. Danke, dass Sie heute hier sind, Mr. Hino. 1LEVEL-5 Inc.: Eine Spieleentwickler-Firma mit Hauptsitz in Fukuoka City. Akihiro Hino ist dort Geschäftsführer.
Danke für die Einladung.
Bei uns beiden gibt es ja einen Altersunterschied von rund neun Jahren. Aber ich finde, wir haben trotzdem viel gemeinsam, wie z. B. unsere jeweilige Laufbahn vom Programmieren von Videospielen über die Leitung von ganzen Produktionsteams bis hin zu Management-Positionen für komplette Firmen.
Ja, das stimmt wohl. Ich habe auch als Programmierer angefangen.
Wie sind Sie denn dazu gekommen, Programme zu erstellen?
Ich habe mich zum ersten Mal in der vierten Klasse der Grundschule dafür interessiert. Zu dieser Zeit gab es eine Computerspielewelt namens "Micon"2. Durch sie habe ich erfahren, dass man so z. B. Spiele programmiert, und ich habe angefangen Bücher und Magazine zu lesen, weil ich dachte, dass ich irgendwann auch so etwas machen wollte. 2Micon: Ein japanischer Begriff, der als Abkürzung für Mikrocomputer benutzt wird.
Als Sie in der vierten Grundschulklasse waren, bin ich gerade auf die Oberschule gekommen. Zu dieser Zeit gab es das Wort "Pasokon" ("Personal Computer" auf Japanisch) noch nicht.
Stimmt. Ich erinnere mich auch jetzt noch gut an einen Artikel über ein Computerspiel namens "Wizardry3", der zu dieser Zeit in einem Magazin veröffentlicht wurde. Da gab es ein Bildschirmfoto von einer Schatzkiste mit den Worten "Was wollen Sie tun?" darunter. Aber zu dieser Zeit war in Japan eigentlich nur "Space Invaders"4 bekannt. Wir hatten damals noch kein Verständnis für Computerspiele und ich war noch ein Kind: Ich hatte keine Ahnung, was man mit einer Tastatur anfangen sollte. Ich dachte mir also nur: "Wie, was will ich tun? Was KANN ich denn tun ... ?!" (lacht) 3Wizardry: Ein 3D-Rollenspiel für PC, das 1981 veröffentlicht wurde. Es wird als Vorgänger der meisten Computer-Rollenspiele angesehen.4Space Invaders: Ein Arcade-Spiel, das 1978 veröffentlicht wurde.
Sie hätten zwar bei "Space Invaders" mit dem Joystick und den Knöpfen umgehen können, hatten aber keine Ahnung, was Sie machen sollten, wenn ein Computerspiel Sie gefragt hätte: "Was wollen Sie tun?" Ist das richtig?
Absolut. Ich war also sehr fasziniert. Ich dachte: "Wie spielt man das bloß?!"
Sie haben also die Bildschirmfotos gesehen und sich vorgestellt, wie man so ein Spiel spielen könnte, und so hat Ihre Faszination ihren Anfang genommen.
Richtig. Ich war in der sechsten Klasse oder so, als ich mir dann einen Computer gekauft habe.
Also drei Jahre, nachdem Sie sich das erste Mal dafür interessiert hatten.
Ich habe mein Neujahrsgeld dafür gespart und mir endlich einen leisten können. (lacht) Ich habe viele Verwandte, und an Neujahr konnte ich ganz gut Geld sammeln. (Hinweis: In Japan erhalten Kinder in den ersten Tagen des neuen Jahres Geldgeschenke ("Otoshidama") von ihren Eltern und Verwandten.)
Ach so. Wenn Sie also nicht so viele Verwandte hätten, wäre die "Professor Layton"5-Reihe vielleicht nie entstanden. (lacht) 5Die "Professor Layton"-Reihe: Puzzle- und Abenteuer-Spiele. Das erste Spiel der Reihe ("Professor Layton und das geheimnisvolle Dorf") wurde im Februar 2007 in Japan veröffentlicht und hatte bisher drei weitere Fortsetzungsspiele. (In Europa sind bisher insgesamt drei Spiele erschienen.)
Ja, so könnte man es sehen. (lacht) Damals habe ich mit dem Programmieren angefangen. Eine Zeit lang habe ich mit der Anfängervariante namens BASIC6 programmiert. Um aber ernsthaft zu programmieren, musste ich Maschinensprache7 lernen, daher habe ich mir nach einiger Zeit einen neuen Rechner und eine Assembler-Sprache8 namens DUAD gekauft. 6BASIC: Eine Programmiersprache.7Maschinensprache: Eine Programmiersprache, die aus Werten besteht, die ein Computer direkt interpretieren und ausführen kann. 8Assembler-Sprache: Eine Art Programmiersprache, die eins-zu-eins einer Sprache entspricht, die der Computer direkt interpretieren und ausführen kann (Maschinensprache). Diese Sprachen steuern die Computerfunktionen am direktesten an.
Und so hat Ihre Programmiererlaufbahn wirklich angefangen. Konnten Sie sich zu dieser Zeit keine Möglichkeit vorstellen, wie Sie näher an die Videospielewelt kommen konnten, die Sie so fasziniert hatte, außer selber programmieren zu lernen?
Nein, nicht wirklich. Zu dieser Zeit hatte Mr. Horii9 gerade einen Programmierwettbewerb von der ENIX Corporation10 gewonnen. Also habe ich ENIX angerufen und gefragt, wie ich mich bei ihnen bewerben könnte. 9Yuji Horii: Der Schöpfer der "Dragon Quest"-Reihe.10ENIX Corporation: Eine Firma, die 1975 gegründet wurde. Sie veröffentlichte u.a. die "Dragon Quest"-Reihe und schloss sich 2003 mit Square Co. zusammen. So wurde die heutige Firma Square Enix Co. Ltd. gegründet.
Das ist ja lustig! Zwanzig Jahre später haben Sie jetzt an "Dragon Quest VIII: Die Reise des verwunschenen Königs"11 und "Dragon Quest IX: Hüter des Himmels"12 mit Mr. Horii höchstpersönlich zusammengearbeitet. 11Dragon Quest VIII: Die Reise des verwunschenen Königs: Ein Rollenspiel, das im November 2004 in Japan veröffentlicht wurde.12Dragon Quest IX: Hüter des Himmels: Ein Rollenspiel, das im Juli 2009 in Japan für das Nintendo DS-System veröffentlicht wurde.
Ja, ich weiß. (lacht) Ich sage das selber immer zu Mr. Horii. Als ich ihn das erste Mal getroffen habe, war ich auch echt bewegt.
Natürlich. Es war ja auch eine einprägsame Erfahrung für Sie. Immerhin war der Mann für Sie eine Legende, da seine Spiele unvergessliche Erinnerungen bei Ihnen hinterlassen hatten. Und dann steht er auf einmal persönlich vor Ihnen, und Sie arbeiten sogar zusammen.
Ähm ... um ehrlich zu sein, habe ich immer Computerspiele gespielt, deshalb hat mich das Famicom-System eigentlich nicht so interessiert. Zu dieser Zeit gab es viel Computersoftware mit sehr ansprechender Grafik. Die Grafik und die Inhalte beim Famicom-System ließen meiner Meinung nach im Vergleich zu Computerspielen einfach viel zu wünschen übrig ...
Es stimmt, dass die Speicherkapazität für Inhalte und die Bildauflösung bei den Famicom-ROM-Modulen damals im Vergleich hinter den Möglichkeiten von Computern lagen. Zu dieser Zeit schienen die Computer also noch fortschrittlicher zu sein.
Richtig. Aber dann habe ich "Dragon Quest III"13 gespielt, das gerade Gesprächsthema bei all meinen Mitschülern war. Und, wie soll ich sagen ... ich hatte das Gefühl, als hätte man mich vor den Kopf gestoßen. Nachdem ich das Abenteuer beendet hatte, war ich so bewegt, als ob es meine eigene Abschlussfeier gewesen wäre. Bis dahin haben mich Spiele als digitale Konstrukte fasziniert, aber nachdem ich "Dragon Quest III" erlebt hatte, habe ich Spiele mehr als eigenes Medium gesehen, so wie Filme. Deshalb habe ich die Welt der Spiele neu bewertet. 13Dragon Quest III: Ein Rollenspiel, das im Februar 1988 in Japan für das Famicom-System veröffentlicht wurde. Der internationale Titel war "Dragon Warrior III".
Aber dies war ja sogar etwas viel Simpleres als die Computerspiele mit besserer Auflösung und besserer Grafik, die Sie schon kannten, und trotzdem hat es Sie so stark bewegt.
Ganz genau. "Dragon Quest III" hat mir das unbegrenzte Potential von Spielen gezeigt.
Ein weiterer großer Punkt an der "Dragon Quest"-Reihe war, dass Rollenspiele bis dahin nur für Computer erschienen sind, und so sind sie dann auch erst allgemein bekannter und zugänglicher geworden. Außerdem haben Spiele in dieser Zeit zum ersten Mal einen richtig großen sozialen Aspekt erhalten, denke ich. Überall in Japan haben Leute das Abenteuer gleichzeitig erlebt und sich gegenseitig von ihren Fortschritten erzählt, und so wurde daraus ein soziales Phänomen. Und für Sie, Mr. Hino ... Sie hatten Videospiele weniger fortschrittlich als die Computerszene erlebt, und dieses Spiel hat Ihre Meinung geändert.
Richtig. Um ehrlich zu sein, hat mich bis dahin kein Computerspiel so stark bewegt. Kurz gesagt habe ich erfahren, dass der Reiz eines Spiels nicht von der Gestaltung der Grafik abhängt, und dass bestimmte Arten der Spielgestaltung viele Menschen berühren können. Das hat mein Interesse total geschürt. Man könnte sagen, dass mein Interesse an der Spielentwicklung richtig explodiert ist.
Da liegen also auch Ihre Wurzeln als Entwickler von Videospielen.
Ja. Danach bin ich in die Arbeitswelt getreten, aber konnte nicht vergessen, wie sehr mich "Dragon Quest" berührt hatte. Also wollte ich versuchen, meinen Lebensunterhalt mit der Spielentwicklung zu verdienen.
"Dragon Quest" hat also regelrecht Ihr Leben verändert.
Absolut. So bin ich dann zu einer Firma namens SystemSoft14 gekommen. Aber zu dieser Zeit haben sie nicht nach Berufsanfängern gesucht, deshalb habe ich meine Grafik-Tools und mein Rollenspiel genommen und wollte mich ihnen direkt vorstellen. Ich habe einen Gesprächstermin bekommen und ich dachte, dass das eine besondere Sache war, aber im Firmengebäude saßen auch noch vierzig andere Leute. (lacht) 14SystemSoft Corp.: Eine Computer-Firma, die 1979 gegründet wurde. Zu dieser Zeit entwickelten und verkauften sie Computersoftware, darunter auch die "Daisenryaku"-Reihe. Ihr Hauptsitz ist in Fukuoka City.
Das war also wirklich keine Sonderbehandlung. (lacht)
Nein. (lacht) Schließlich wurden nur drei von uns genommen, und so bin ich in die Computerspielewelt gekommen. Aber dann habe ich die Firma nach nur vier Monaten schon wieder verlassen, weil ich in der Produktmanagement-Abteilung gelandet bin.
Sie dachten also: "Moment, ich soll gar nicht programmieren?"
Genau. In dieser Abteilung wurden die Projekte verwaltet und auch die Programmierung. Ich verstehe schon, was an der Rolle als Produzent reizvoll ist, aber... (lacht) Damals habe ich es nicht als Aufgabe verstanden, bei der man auch kreativ sein konnte ... Also habe ich die Stelle gewechselt und bin zu einer Firma namens Riverhill Soft15 gekommen, wo ich auf dem normalen Weg Programmieren lernen konnte. 15Riverhill Soft Inc.: Eine Spielesoftware-Firma, die 1982 in Fukuoka City gegründet wurde.
Was fanden Sie interessant daran, Programme zu schreiben?
Es hat mir einfach Spaß gemacht, die Prozesse so umzusetzen, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Computer können ja nur einfache Arbeitsschritte durchführen, daher baut man Programme auf, indem man viele davon kombiniert. Aber wenn man an nur einer Stelle einen Fehler gemacht hat, funktioniert nichts so, wie man es wollte.
Wenn man auf diese Art etwas umsetzen kann, wie man es sich vorgestellt hat, und es gut funktioniert, ist das schon ein sehr tolles Gefühl.
Man hat das Gefühl, etwas erreicht zu haben; als ob man eine kleine Welt erschaffen hätte. Und das hat Sie also angesprochen?
Genau. Aber ich bin auch in meine heutige Position gekommen, weil ich immer wieder einige sehr riskante Dinge getan habe. Ich bin wohl meinen eigenen Gedanken und Gefühlen treu geblieben.
Sie würden Ihr Handeln also auch selber als riskant bezeichnen?
Oh, das habe ich auf jeden Fall so gesehen. Als ich meinen Job bei SystemSoft aufgegeben habe, dachte ich sogar: "Was mache ich da eigentlich ...?" Aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht gut für mich wäre, wenn ich die Stelle behalten hätte. Ich hatte keine Angst vor Schwierigkeiten, ich wollte nur irgendwo sein, wo ich mich wohl fühlte.
So gesehen hat Ihr Arbeitsleben in dem Moment richtig angefangen, als Sie beschlossen haben, Ihrer Intuition zu folgen, Programme zu schreiben und dieses Gefühl erreichen zu wollen, etwas geschafft zu haben.
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